Carolina Schutti ist eine der spannendsten Autorinnen des Landes. In unserer Mai-Ausgabe sprechen wir über ihren aktuellen Roman, ihre Lesung beim Bachmannpreis, die Vorzüge Innsbrucks und wie wir Menschen mit Scherbenhaufen umgehen.
Sie ist Trägerin des Literaturpreises der Europäischen Union, Autorin von sechs Büchern, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden und war letztes Jahr eine der Auserwählten, die bei den Tagen der Deutschen Literatur vorgelesen haben. Carolina Schutti ist längst kein Geheimtipp mehr und eine der interessantesten Stimmen der heimischen Literatur. Im Gespräch mit dem K erzählt uns die Innsbruckerin, wie man über Literatur sprechen sollte, wie man die Sprache verliert und wiederfindet und warum Neubeginne eine gefährliche Sache sind.
Shownotes
Als Carolina Schutti sich für das K ans Mikro setzt, ist sie “tiefenentspannt”. Immerhin hat sie gerade ihren faszinierenden neuen Roman “Der Himmel ist ein kleiner Kreis” veröffentlicht. Durch die Einschränkungen der Reisefreiheit hat sich im Leben der häufig reisenden Schriftstellerin einiges grundlegend verändert.
“Ich habe eine tiefe Verbundenheit zu kargen Landschaften. Ich sehe in Schönheit in der Abwesenheit von allem Überfluss”, erzählt die Schriftstellerin über die Schauplätze ihrer Bücher. “Der Himmel ist ein kleiner Kreis” regte Carolina Schutti an, zwei Arten von Freiheit zu unterscheiden. Wäre die Freiheit gerade unbegrenzt, dann würde Carolina gerade am liebsten nach Italien reisen.
Carolinas Roman “Einmal muss ich über weiches Gras gelaufen sein” handelt vom Verlust der Sprache – etwas, das die Autorin am eigenen Leib erfahren hat. “Ich bin Zufallstirolerin”, sagt sie. Ihre aus Polen stammenden Eltern haben bis zu ihrem fünften Lebensjahr ausschließlich polnisch mit ihr gesprochen. Heute versteht und spricht sie die Sprache nicht mehr. Eine ähnliche Erfahrung machte Literaturnobelpreisträger Elias Canetti, über den Carolina promovierte. Seinen Sprachverlust dokumentierte er im autobiografischen Band “Die gerettete Zunge”.
Carolina ist im Olympischen Dorf in Innsbruck aufgewachsen und findet, dass sich Innsbruck seitdem grundlegend verändert hat. Sie schätzt die Stadt heute als Ort der Kultur und der greifbaren Natur. “Ich brauche die Natur um mich wie die Luft zum Atmen”.
Für eine Grundsatzdiskussion sorgte ein Text von Carolina, den sie bei den letztjährigen Tagen der Deutschen Literatur vorlas. Auch wenn ihre Literatur weltumspannend ist, schätzt Carolina als Literaturwissenschaftlerin die regionale Literaturgeschichte. Auf Spaziergängen um den Mühlauer Friedhof (wo Georg Trakl und Ludwig Ficker begraben liegen) sammelt sie Inspiration und schnappt frische Luft.
Ihre Geschichten beschreibt Carolina gerne als “Scherbenhaufen”: “Unsere Welt wäre viel besser, wenn wir mit Graustufen umgehen könnten.” Zum Schluss diskutieren wir darüber, ob Neubeginne etwas Gutes sind und ob Carolina einen Corona-Roman schreiben wird.