Endlich mal raus
Der Fotograf Fabian Zapatka war als Kind oft mit seinen Eltern in Tirol unterwegs. Nun wiederholte er eine solche Reise mit seiner fünfjährigen Tochter Fanny. Er fuhr mit ihr von Berlin nach Tirol. Um seiner Tochter einen Teil seiner Wurzeln vorzustellen, um ihr die Alpen zu zeigen, die sie vorher noch nie live gesehen hatte.
Herr Zapatka, sind Sie vor Ihrem Trip nach Tirol schon mal allein mit Ihrer Tochter verreist?
Nein, das war das erste Mal. Trotzdem haben wir vor der Reise sehr viel Zeit zu zweit verbracht. Ich hatte während der Pandemie als Fotograf nicht so viele Aufträge, meine Freundin arbeitete weiter voll, und so übernahm ich den größten Teil der Familienarbeit.
Wie war diese Zeit für Sie beide?
Zu Beginn haben wir viele kleine Ausflüge gemacht, gebastelt, gelesen. Dinge eben, die die üblichen Alltagsroutinen ein bisschen durchbrochen haben. Aber gegen Ende schleppten wir uns ein wenig von Tag zu Tag, und da kam mir die Idee, raus aus Berlin in Richtung Heimat zu fahren.
Fabian Zapatka
Der Fotograf, Jahrgang 1978, wuchs in München auf. Er verließ früh die Schule , zog nach Berlin und arbeitete einige Jahre als Schauspieler, bevor er sich ausschließlich der Fotografie widmete. Zapatka veröffentlichte mehrere Bücher, zuletzt „Vater“ (bei Kerber), in dem er seinen Vater, den Schauspieler Manfred Zapatka, bei seinem Abschied von der Welt des Ensembletheaters begleitet.
Sie kommen aus München.
Genau. Mit Fanny war ich bislang aber nur selten dort – und in den Bergen nur einmal, als sie ein Baby war. Mit meinen Eltern war ich früher oft im Tiroler Zugspitzgebiet. Ich wollte Fanny ein Stück der Welt zeigen, in der ich aufgewachsen bin.
Was verbindet Sie heute noch mit der Welt Ihrer Kindheit?
Wenn heute diese Landschaft vor mir auftaucht, überkommt mich sofort ein wohliges Gefühl. Das ist auch so, wenn ich woanders auf der Welt bin, ähnlich geformte Berge und Szenerien sehe. Sie sind, auch wenn ich schon lange in Berlin lebe, ein Teil meiner Identität. Und auch Fanny glaubt lustigerweise, dass sie zur Hälfte aus dem Süden kommt und zur anderen aus Berlin, weil ich aus Bayern stamme. Berge und Seen, Bayern und Tirol verschwimmen dann zu einem Raum. Für sie war es toll, endlich mal „meine Welt“ kennenzulernen und irgendwie ja damit auch ihre.
Wie war es dann für Sie beide, von München nach Tirol zu fahren?
Aufregend. Wir haben den Zug genommen. Nach und nach verändert sich die Landschaft, wird hügeliger, die Berge werden höher. Ich erinnerte mich an viele Orte, Schluchten, Flüsse, Bergkämme. Es war sehr schön, das mal wieder zu sehen. Ich habe diese Landschaft richtig vermisst. Und für Fanny war diese Fahrt natürlich ein Abenteuer.
Was haben Sie als Erstes gemacht, nachdem Sie angekommen waren?
Nach dem Einchecken im Hotel sind wir mit der Seilbahn auf die Zugspitze gefahren. Ein Highlight, klar. Zuerst musste Fanny sich an die dünnere Luft da oben gewöhnen, aber dann war sie sehr beeindruckt. Oben lag noch ziemlich viel Schnee, obwohl Sommer war, das war schon etwas Besonderes für die Kleine.
Am Ende der Stahlseile ragt aus den Wolken die Zugspitze empor. Für die 1.725 Meter Höhenunterschied von der Talstation zum Gipfel brauchen die beiden mit der modernen Gondel nur wenige Minuten. „Tatsächlich lag aber hinter uns ein langer Weg, ein Auf und Ab durch die Zeit der Pandemie“, sagt Fabian Zapatka.
Nach der Ankunft auf 2.950 Metern muss sich Fanny erst mal an die ungewohnte Höhe gewöhnen.
Die Zugspitze ist der Höhepunkt der Reise. Fanny ist sofort von dem gewaltigen Schneehaufen begeistert. „Später schrieb sie eine Postkarte an ihren besten Freund Ferdi. Während der Pandemie war er häufig ihr einziger gleichaltriger Spielkamerad“, erzählt Zapatka.
Es ist ja nicht immer leicht, die Bedürfnisse von Erwachsenen und Kindern während einer solchen Reise in Einklang zu bringen. Wie war das bei Ihnen?
Das war kein Problem. Wir agierten viel mehr auf Augenhöhe als zu Hause, planten gemeinsam unser Programm, das enger getaktet war als sonst. Das war sicher eine Herausforderung für Fanny, aber sie hat vergnügt mitgemacht. Wir ließen uns aber auch immer wieder ein bisschen treiben. Hingen am Pool rum. Und während Fanny in Berlin oft ziemlich auf mich fixiert war, hat sie sich in Ehrwald auch öfter mal allein beschäftigt. Sonst ist sie auch beim Essen ein bisschen pingelig. Das war in Tirol überhaupt kein Problem. Schnitzel ist voll ihr Ding.
Wie sah Ihr Programm aus?
Wandern war natürlich wichtig. Es gibt zum Beispiel von Ehrwald aus einen Kinderwanderweg. Man kommt an einem Wasserfall vorbei, muss durch einen Bach waten, hinter Steinen nach Tieren suchen und Fragen zu allen möglichen Dingen beantworten. Es ist ein große Runde. Und am Ende bekam Fanny als Belohnung ein Wanderabzeichen. Das hängt jetzt an ihrem Rucksack, den sie jeden Tag in den Kindergarten mitnimmt.
Ein Kind, das zufrieden ist mit Wandertagen?
Sommerrodeln waren wir auch. Für mich nicht gerade ein Vergnügen, weil ich da immer ein bisschen ängstlich bin, was Fanny total lustig fand. Bis heute zieht sie mich damit manchmal auf. Bei der Zieleinfahrt auf der Rodelbahn wurde ein Foto gemacht, das man sich dann mit einem Magnet an den Kühlschrank hängen kann. Und da befindet es sich jetzt auch bei uns in der Küche. Wir haben also ein paar schöne Erinnerungsstücke aus Tirol mitgebracht.
Die schroffen Felsen der Zugspitze ziehen vorbei. Nach Regionalzug und Taxi ist die Gondel schon das dritte Fortbewegungsmittel an diesem Tag: „Eine willkommene Abwechslung nach Monaten, in denen Fanny und ich fast jeden Tag eine kleine Reise mit dem Lastenrad unternahmen.“
Bergspielplatz: An der Ehrwalder Talstation startet eine Wanderung, auf der acht kleine Rätsel gelöst und die richtigen Lösungszahlen gesammelt werden müssen. „Ich habe mich gefreut, mir einmal nicht selbst in einem Berliner Park ein Spiel ausdenken zu müssen“, sagt Fabian Zapatka. Nach den erfolgreich absolvierten Aufgaben erhält Fanny natürlich ihre Anstecknadel im Ehrwalder Tourismusbüro.
Wetterstein: Bis spät in die Nacht sitzen Vater und Tochter zusammen auf der Terrasse. Schließlich sind sie nur mehr von den dunklen Umrissen der Gipfel umringt. Später schläft Fanny zum ersten Mal ganz ohne Gutenachtgeschichte ein.
Wie hat sich Ihr Verhältnis durch die Reise verändert?
Ich denke, es war für uns beide wichtig, mal etwas abseits des Alltags zu machen, abseits von Routinen und Normalität. Unser Verhältnis war schon immer eng, aber durch diese Reise ist es noch mal enger geworden. Ich glaube, es ist wichtig, dass Kinder auch mal mit einem Elternteil allein verreisen, man begegnet sich noch einmal anders, ist weiter weg von der üblichen Eltern-Kind-Dynamik. Es ist auch gut, wenn Kinder ihre Eltern in einer anderen Umgebung erleben, das baut Vertrauen auf.
Können Sie sich selbst an eine vergleichbare Reise mit Ihrem Vater oder Ihrer Mutter erinnern?
Meine Eltern sind zumindest nicht mit mir alleine verreist. Allerdings waren meine jüngere Schwester und ich öfters zu zweit mit meiner Mutter, aber auch mit meinem Vater unterwegs. Wenn auch eher aus der Not heraus entstanden, waren diese Trips immer etwas Besonderes für mich.
Wie haben Sie die Reaktionen auf Sie und Fanny als Reisepaar erlebt?
Auch heute scheinen Soloreisen von Vätern mit Kind noch nichts Alltägliches zu sein. Die Reaktionen in Tirol auf mich als alleinreisenden Vater mit Tochter waren aber durchweg positiv: „Aha, das ist ja toll! Kennen wir sonst nur von Müttern.“
Eine Vater-Kind-Reise überrascht also noch viele. Werden Sie bald wieder eine machen?
Auf jeden Fall. Eigentlich wollten wir schon im Winter wieder nach Tirol, aber das ging sich dann leider doch nicht aus. Aber im Sommer wird es wieder so weit sein. Ich fände es gut, wenn wir daraus eine Regel machen würden. Diese Landschaft fehlt mir immer wieder und ich würde sie gerne gemeinsam mit Fanny weiter erschließen.