Neue Wege: Der Kabarettist
Heimatliebe bedeutet für Gabriel Castañeda nicht, dass man sich einen Adler auf den Arm tätowiert. Der Kabarettist aus Grins bei Landeck setzt lieber auf eine „Mischung aus österreichischer Gelassenheit und mexikanischem Feuer“.
Aussenseiter: Gabriel Castañeda macht Kabarett vom Land fürs Land – das ist in der Branche eher die Ausnahme als die Regel.
„Im Theater wird subventioniert, was kulturell wertvoll ist. Im Kabarett ist das ein wenig anders: Wenn du den Geschmack der Leute triffst, kannst du davon leben, vielleicht nicht mal schlecht. Wenn nicht, regelt das der Markt. Zum Glück treffe ich den kollektiven Geschmack einigermaßen. Mein Steckenpferd ist die Sozialsatire. Ich nehme typische Charaktere aufs Korn, wie man sie in fast jedem Tiroler Dorf findet – den Bürgermeister, den Pfarrer, die Ökolehrerin.
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Es gibt in Tirol keine flächendeckende Kabarett-Infrastruktur: Fast alle Spielstätten befinden sich in Innsbruck, ein paar in Wörgl, Schwaz und Imst. Das ist einerseits angenehm, weil du als Kabarettist wenig Konkurrenz hast, andererseits kämpfst du mit dem Mangel an Bühnen. Ich finde es schade, dass es auf dem Land so wenige kulturelle Angebote gibt. Und weil es alle Jungen in die Stadt zieht, verödet die Peripherie mehr und mehr. Die Stadt-Land-Beziehung ist vor allem kulturell von einer doppelten Diskriminierung geprägt: Die Leute auf dem Dorf glauben, dass alles, was aus der Stadt kommt, super ist. Umgekehrt glauben die Städter, dass alles, was aus der Provinz kommt, nur etwas für ein paar primitive Tölpel ist. Denn wenn es super wäre, käme es ja aus der Stadt.
Die Dorfstruktur in Grins inspiriert Gabriels kabarettistischen Erzählungen und Figuren.
Mit diesen Vorurteilen habe ich als ‚Provinzkabarettist‘ auch zu kämpfen. Dabei ist die Welt nicht schwarz-weiß. Es gibt tolle Produktionen in der Stadt und am Land – und das Gegenteil.
Ich kenne kein österreichisches Bundesland, in dem die Menschen so stolz auf ihre Herkunft sind wie in Tirol. Einmal meinte jemand zu mir, er wäre total unglücklich, wenn er nicht in Tirol geboren wäre. Da habe ich ihm gesagt: ‚Das ist ein bisserl plemplem, weil wenn du woanders auf die Welt gekommen wärst, würdest du den Unterschied gar nicht kennen.‘ Hat ihm nicht eingeleuchtet. Dieser unreflektierte Stolz auf den Flecken Erde, auf dem man zufällig geboren wurde, ist mir fremd. Heimatliebe bedeutet für mich, dass man sich gesellschaftlich engagiert und Entwicklungen kritisch hinterfragt, aber nicht, dass man sich einen Adler auf den Arm tätowiert.
Grins: In der Provinz im Tiroler Oberland.
Blick nach Vorne
Dieser Artikel ist Teil der Serie "Blick nach Vorne". In dieser Serie haben wir Menschen nach ihrer Sicht auf Tirol gefragt, die den Schritt in die Zukunft bereits gewagt haben.
Das vergangene Jahr hat gezeigt, wie schnell sich unser Leben ändern kann. Wollen wir nicht, dass dies in Zukunft immer öfter passiert, dürfen wir unser verschwenderisches Verhalten nicht wieder aufnehmen: Die Ressourcen unseres Planeten sind beschränkt. Alle Alarmglocken schrillen, aber manche hören sie nicht oder wollen sie nicht hören. Mir ist klar, dass ein nachhaltigeres Wirtschaften ein anderes Leben bedeuten würde. Dass wir uns alle – auch ich – extrem umstellen und auf viele Dinge verzichten müssten. Aber anders ist unser Planet nimmer zu retten, fürchte ich. Es sind schwierige Zeiten. Ich würde mir darum wünschen, dass wir alle diese Unbeschwertheit von früher wiederfinden. Gleichzeitig sollten wir uns das Bewusstsein erhalten, dass vieles im Alltag nicht selbstverständlich ist. Hoffentlich vergessen die Leute bei allen Sorgen nicht, wie schön das Leben sein kann.“
Gabriel Castañeda
Der Kabarettist, 41 Jahre, stammt aus Grins, einer Ortschaft bei Landeck. Als Sohn einer Tirolerin und eines Mexikaners setzt Castañeda auf eine „Mischung aus österreichischer Gelassenheit und mexikanischem Feuer“, um auf der Bühne die Charaktere des fiktiven Dorfs Hinterschlapfing pointiert zu karikieren. Daneben schreibt er Drehbücher, unter anderem für die Show von Hansi Hinterseer.