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Anna Moll

Kinder müssen Spielen

Aktualisiert am 01.08.2021 in Magazin, Fotos: Ramon Haindl

Wie schmecken eigentlich Maikäfer? Schaffe ich es allein auf den fernen Gipfel? Was passiert, wenn ich an einen Elektrozaun fasse? Besonders auf den Nachwuchs warten in den Bergen kleine und große Abenteuer. Fünf Tirolerinnen und Tiroler erinnern sich an Momente ihrer Kindheit, die sie nie vergessen haben. 

Monika Neuner | Kräuterexpertin aus Leutasch

Als Mädchen aß sie Pflanzen von der Frühlingswiese, heute bietet sie in Leutasch Kräuterwanderungen an. 
Als Mädchen aß sie Pflanzen von der Frühlingswiese, heute bietet sie in Leutasch Kräuterwanderungen an. 

Man musste dem Käfer den Kopf abbeißen, diesen schnell ausspucken und dann „zuzeln“.

Als ich ein Kind war, machten wir im Herbst aus Kohl unser Sauerkraut selbst. Das war das Gemüse für den Winter. Der Schnee legte sich über die Wiesen unseres Dorfes, und bis zum Ende des Winters waren wir vollkommen ausgehungert nach dem satten Grün auf unseren Tellern und in unseren Wäldern. Als dann im Frühling die ersten Wiesen zu blühen begannen, stürzten wir uns nach der Schule auf die grünen Flächen und aßen die Gräser direkt von der Wiese. Aus der Ferne müssen wir wie bekleidete Schafe ausgesehen haben. Aber wir wussten, was wir dort aßen. Von Wiesenbocksbart bis Sauerampfer fanden wir viele Leckerbissen. Nur die Touristen konnten den Anblick grasender Kinder nicht einordnen. Sie gaben uns Geld, damit wir uns etwas zu essen kaufen konnten. Das amüsierte uns sehr. Von nun an wussten wir, wo wir grasen mussten, um köstliche Bergkräuter zu naschen – und uns etwas dazuzuverdienen. Beim Spielen auf den Wiesen im Sommer staunten wir immer wieder über die riesigen Maikäfer in den Gräsern. Manchmal flogen sie direkt auf uns zu, als wären sie blind. Dann griffen wir zu. „Wer traut sich, den Maikäfer auszuzeln?“, riefen wir. Eine Mutprobe. Wer sich das nicht traute, war ein Hosenkacker. Man musste dem Käfer den Kopf abbeißen, diesen schnell ausspucken und dann „zuzeln“. Wer das schon einmal gemacht hat, weiß, dass Maikäfer so süß wie ein Bonbon sind, weil sie sich von den Blättern der Obstbäume ernähren.

Hans „Bantl“ Neuner | Wanderführer aus Leutasch

Aus Weidenästen kann man Sportgeräte und Musikinstrumente schnitzen, erinnert sich der Leutascher.
Aus Weidenästen kann man Sportgeräte und Musikinstrumente schnitzen, erinnert sich der Leutascher.

Wir hatten keine Angst auf unserer Bootsfahrt in den Bergen.

Wir Burschen auf dem Tiroler Land erfanden immer neue Spiele, um uns zu messen und die Aufmerksamkeit der Mädchen auf uns zu lenken. Der Weidenbaum spendete uns hierfür reichlich Material. Aus seinen Ästen bauten wir Pfeil und Bogen und versuchten uns damit in Länge und Zielsicherheit zu übertreffen. Aber auch Musik konnte man mit der Weide machen. Dafür klopften wir so lange auf die Äste, bis nur noch die Rinde übrig war und der Ast hohl. Mit einer Schnur banden wir die hohlen Zweige zu einer „Maiflöte“ zusammen. Ein Instrument aus der Natur, mit dessen Melodien wir versuchten, die Mädchen aus dem Dorf zu „verzaubern“. Eine Chance mit der „Richtigen“ zu tanzen, gab es auf den Waldfesten im Sommer – wenn man sich traute. Es spielte eine Blaskapelle, und wir Buben führten auf der Tanzbühne das Schuhplatteln vor. Kurz nach dem ersten Auftritt durfte man sich einen Gast aussuchen, mit dem man das Schuhplatteln üben wollte. In dem Moment gab es sofort Gelächter. Aufregung und Frohsinn lagen in der Luft. Ein anderer Wettstreit fand statt, wenn im Frühling das Schmelzwasser kleine Seen im Tal bildete, die bis zu zwei, drei Meter tief waren. Obwohl niemand von uns schwimmen konnte, wollten wir auf diesen bitterkalten Seen segeln. Aus alten Scheunentoren und Sautrögen bauten wir Flöße. Auf dem Wasser ging es dann immer darum, rechtzeitig den Absprung zu schaffen, denn die Gefährte waren nur bedingt dicht und sogen sich schnell mit Wasser voll. Die Hände fest um eine Holzkelle geklammert, die als Paddel fungierte, rief mein Freund mir mit verschmitztem Grinsen zu: „Pass auf, dass du nicht ersaufst, Hansi!“ Nur ein Spaß. Denn wir hatten keine Angst auf unserer Bootsfahrt in den Bergen.

meinTirol-Magazin

Dieser Artikel ist aus dem meinTirol Magazin. Unter www.tirol.at/abo können Sie das Magazin abonnieren und bekommen jede Ausgabe kostenfrei nachhause in den Briefkasten.

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Alois Berger | Rentner aus Prägraten

Als Sechsjähriger beschloss er, allein auf den Großvenediger zu steigen. Den Begriff „Helikoptereltern“ gab es damals noch nicht.
Als Sechsjähriger beschloss er, allein auf den Großvenediger zu steigen. Den Begriff „Helikoptereltern“ gab es damals noch nicht.

Ich möchte auf den Venediger, um die ganze Welt zu sehen.

Auf der Suche nach Edelsteinen ging ich als Kind mit meinem  Vater viel in die Berge. Die Schule wollte die Steine als Materialien ver- wenden, weil ihre Sammlung im Krieg zerstört worden war. Wir verkauften die Steine auch an Gäste und Mineralienmuseen in der ganzen Welt. Es war eine Schatzsuche, aber auch ein Verdienst für meine Familie. Unsere Suche nach Hornblenden, Strahlsteinen, Serpentinsteinen und Kristallen dauerte von der Nacht bis in die Nacht. Wir krochen in enge Höhlen, seilten uns darin ab und aßen die Jause, die uns die Mutter eingepackt hatte. Wenn es aber einen guten Fund gab, verzichteten wir auf Pausen, denn wir waren nicht die Einzigen auf Gesteinssuche in unseren Bergen. Als ich sechs Jahre alt war, erzählte man in unserem Dorf, dass Hexen und böse Geister in den Bergen lebten. Unsere Gemeinde lag am Fuße des Großvenedigers. In meiner Vorstellung konnte ich von seinem Gipfel aus die ganze Welt sehen. Eines Morgens, die Dämmerung hing über den Bergen, meine Eltern waren schon aufs Feld gegangen, entschloss ich mich zum Aufbruch. „Heute schleiche ich ab“, dachte ich. Ohne Verpflegung und in kurzen Hosen wollte ich allein 3.657 Meter besteigen. Fest entschlossen marschierte ich dem Abenteuer meines Lebens entgegen. Am Defreggerhaus, der letzten Hütte vor dem eigentlichen Aufstieg, traf ich auf eine Gruppe von Bergführern, die mich erstaunt anblickten. „Ich möchte auf den Venediger, um die ganze Welt zu sehen“, erklärte ich mich. Das amüsierte sie, aber imponierte ihnen wohl auch. Sie nahmen mich in ihrer Seilschaft auf und liehen mir Mütze und Handschuhe. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Trotz dieses sonnigen Augusttages kämpften wir in dieser Höhe mit Temperaturen von fast minus 20 Grad. Ich spürte, wie mein Gesicht und meine Haare vereisten. Am Gipfel vergaß ich die Kälte für kurze Zeit. Ich hatte mir die Welt deutlich größer vorgestellt. Fast erfroren beschloss ich damals, Bergführer zu werden. Noch 4.000 Mal sollte ich den Venediger besteigen. So kalt wie bei diesem ersten Aufstieg war es niemals mehr.

Maria Gapp | Bäuerin aus Reith bei Seefeld

Sie verbrachte ihr Leben auf Bauernhöfen, Spiel und Arbeit vermischten sich in ihrer Kindheit. Genossen hat sie das immer.
 
Sie verbrachte ihr Leben auf Bauernhöfen, Spiel und Arbeit vermischten sich in ihrer Kindheit. Genossen hat sie das immer.  

Im Herbst, wenn der Boden bereits angefroren war, rutschte das Holz besser, und wir selber eben auch.

Wir Kinder hatten alle unsere Aufgaben auf dem Hof. Ich erledigte diese Aufgaben gern, denn sonst hätte mein Vater alles alleine machen müssen. Am liebsten mähte ich die Wiesen im Morgengrauen vor der Schule. Dafür verließ ich früh das Haus, wartete auf den Sonnenaufgang und begann zu mähen. Der Herbst führte uns in den Wald. Mein Vater fällte auf fast 2.000 Metern Bäume. Damals gab es noch keine Forstwege, wir mussten unser Holz über eine selbst gebaute Schneise abtransportieren. Ein Teil der Senken war dafür freigeschnitten. Unser Vater teilte uns Stämme von ungefähr zwei Metern Länge zu. Unsere Aufgabe war es, diese möglichst schnell die Schneise hinunterzutransportieren. Für uns Kinder war das ein Wettkampf. Es ging darum, wer seinen Stamm am weitesten schmeißen konnte – insgesamt mussten wir eine Strecke von fast einem Kilometer bewältigen. Wir versuchten, die anderen zu überholen, und jauchzten freudig, wenn uns dies gelang. Teilweise war es auch eine Mutprobe, denn an manchen Stellen ging es ziemlich steil bergab. Im Herbst, wenn der Boden bereits angefroren war, rutschte das Holz besser, und wir selber eben auch. Ich genoss diese aufregende Zeit. Der Wald spendete uns Wärme für den Winter.

Hubert Kirchmair, Fuhrmann aus Schwaz

Mit fünf Jahren half er auf der Hochalm mit, heute holt Hubert Holz mit Pferden aus dem Wald. Seine prägende Erinnerung? Der erste Elektrozaun.
Mit fünf Jahren half er auf der Hochalm mit, heute holt Hubert Holz mit Pferden aus dem Wald. Seine prägende Erinnerung? Der erste Elektrozaun.

Ein Stromstoß durchfuhr mich, und mein Vater und mein Großonkel begannen zu lachen.

Auf 2.000 Metern Höhe hatten wir eine Weidefläche für unsere Kühe. Im Sommer verbrachten die Tiere dort fast zwei Wochen am Stück und mussten natürlich gemolken und behütet werden. Für diesen Zweck zog ich mit fünf Jahren mit meinem Großonkel auf die Alm. Jeden Morgen um vier Uhr brachen wir zu den Weideflächen auf. Gegen sechs Uhr erreichten wir die Tiere, und mein Großonkel begann sie zu melken. Ich musste aufpassen, dass die Kühe ruhig blieben und nicht auf Abwege gerieten. Hier lernte ich schnell, dass jede Kuh einen anderen Charakter hat. Die eine frech und aufmüpfig, die andere ruhig und genügsam. Ich war sechs Jahre alt, als wir unseren ersten Elektrozaun auf dem Feld ausrollten. Das muss in den 1970er-Jahren gewesen sein. Bis dahin hatten wir Hirten dafür gesorgt, dass das Vieh auf dem Feld blieb und Ordnung in der Herde herrschte. Meine Geschwister und ich halfen meinem Vater und meinem Großonkel beim Ausrollen des Drahtes. Und dann lautete das Kommando EIN. Alle Augen waren auf meinen Vater gerichtet. Er bewegte seine Hand in Richtung des Weidezauns. Er griff zu, zeigte aber keine Reaktion. Er sah herüber zu meinem Großonkel. Beide verzogen keine Miene. Erstaunt griff auch ich fest an den Zaun. Ein Stromstoß durchfuhr mich, und mein Vater und mein Großonkel begannen zu lachen. 

Anna gestaltet mit Ihrer Firma Molle&Korn die Highlightkampagnen für Tirol. Dank dieser Arbeit hat sie viele Abenteuer erlebt, einige Knödel gegessen und viele inspirierende TirolerInnen getroffen. Seit einer dieser Begegnungen träumt sie davon einmal den Großvenediger in Osttirol zu besteigen. 

Anna Moll
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