Die Alpendohle: Ein echter Bergfex
Wer bist denn du? Trifft man in Tirol einen schwarzen Vogel oberhalb der Baumgrenze, handelt es sich entweder um Alpendohle, Rabenkrähe oder einen Kolkraben. Erstere erkennt man gut an ihrer zarten Statur.
Kommt man auf dem Gipfel an, ist sie meistens schon da: die Alpendohle. Viele Bergsteiger mögen den Rabenvogel. Aber wer weiß schon, dass Dohlen lügen können – und bis zu 200 Stundenkilometer schnell fliegen? Zum Beispiel Christiane Böhm, Vogelkuratorin im Innsbrucker Alpenzoo.
Frau Dr. Böhm, wenn ich in den Bergen unterwegs bin, werde ich häufig von ein paar Dohlen begleitet. Haben die Vögel ein besonderes Interesse am Menschen?
Die Alpendohle ist zwar ein sehr neugieriger Vogel, allerdings interessiert sie sich wohl nicht persönlich für Sie. Sie schätzen, was der Mensch zu bieten hat. Das ist auch der Grund, weshalb man ihr so oft begegnet: Die Alpendohle weiß genau, dass viele Wanderer am Gipfel erst mal eine Brotzeit machen.
Klingt, als wäre die Alpendohle durchaus clever.
Oh ja, die ist gewieft. Ich würde sogar sagen, dass sie ein Ich- Bewusstsein hat – in der Tierwelt ein besonderes Zeichen für Intelligenz. Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass die Alpendohle lügen kann. Dafür haben wir einen besonderen Leckerbissen so ins Gehege gelegt, dass ihn erst mal nur einer der Vögel gesehen hat. Der hat daraufhin einen Luftfeindalarm ausgerufen. Während der Rest der Gruppe nach oben schaute, ist er zum Leckerbissen geflogen und hat sich bedient. Die Alpendohle kann sich also in andere Lebewesen hinein- denken und erahnen, wie sie handeln werden.
Dr. Christiane Böhm
Die Vogelkuratorin im Alpenzoo Innsbruck leitet dort auch das Forschungs und Lehrinstitut. Der Zoo nimmt seit mehr als 30 Jahren Vogelfindlinge auf und erforscht das Verhalten der Tiere. Einen Lieblingsvogel hat Böhm jedoch nicht: „Es ist wie mit Kindern: Man liebt sie alle.“
Und was denkst du? Die Alpendohle ist eines der Tiere mit „Ich“-Bewusstsein – und kann sich in Artgenossen und andere Tiere hineindenken.
Sie sprechen Dohlisch?
Ein wenig. Aber wie bei allen Fremdsprachen ist mein passiver Wortschatz größer als mein aktiver. Alpendohlen setzen Rufe und Laute zur Kommunikation ein. Deren Bedeutung kann man erlernen, die Laute nachzuahmen ist deutlich schwieriger.
Was sagt die Alpendohle denn noch so?
In den 1980er-Jahren hatten wir am Alpenzoo Innsbruck einen Studenten, der sehr viele Rufe der Alpendohle aufgezeichnet und ausgewertet hat. Dadurch konnten wir einige Bedeutungen zuordnen, zum Beispiel hatten unsere Alpendohlen spezifische Rufe für Pfleger und Besucher, sogar für einen Paragleiter, der regelmäßig über den Zoo flog. Auch für die damalige Vogelkuratorin gab es einen speziellen Alarmruf. Die Kollegin war bei den Vögeln verhasst, weil sie die Nestkontrollen durchführte.
Wenn ein Vogel weiter weg ist, bin ich mir manchmal nicht sicher, ob ich tatsächlich eine Alpendohle sehe. Woran erkennt man sie?
Am gelben Schnabel und den orangenen Beinen. Außerdem hat sie einen recht markanten Ruf, ein hohes „Tschak“. Oberhalb der Baumgrenze kann man als „schwarze“ Vögel noch Rabenkrähe und Kolkrabe antreffen. Alpendohlen sind aber deutlich kleiner und haben einen runderen Flügel.
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Auffi Geht’s: Die Menschen staunen über die Flugakrobatik der Dohlen. Ein Grund für die vielen lustigen Spitznamen wie „Schneetacha“ und „Bergjauchzer“.
Von was ernähren sich die Vögel?
Alpendohlen sind Gemischtköstler, sie sind nicht wählerisch und fressen so ziemlich alles, was ihnen vor den Schnabel kommt. Das müssen sie auch, denn im hochalpinen Gelände ist das Nahrungsangebot knapp. Wenn sie Menschen bei der Rast begegnen, haben sie es besonders auf Wurst und Käse abgesehen. Wer sie füttern möchte, sollte allerdings darauf achten, nicht zu viel Salziges zu geben. Rosinen sind ideal.
Flugkünstler: Die Alpendohle kommt im Hochgebirge bei jedem Wetter zurecht. Für noch höhere Geschwindigkeiten wechselt sie vom Flattermodus in die geballte Tropfenform.
Ich bin besonders fasziniert von den Flugfähigkeiten der Alpendohle. Ich könnte ihnen stundenlang zusehen, wie sie sich trudelnd in die Tiefe stürzen oder mühelos im Wind stehen. Wie machen sie das?
Die Menschen staunen seit jeher über die Flugakrobatik der Alpendohle, deshalb hat sie auch so viele lustige Namen: von „Schneetacha“ bis „Bergjauchzer“. Fliegen können sie deshalb so gut, weil sie sehr gut mit den sich rasch ändernden Windverhältnissen im Hochgebirge zurechtkommen. Sie haben recht lange, runde Flügel und lange Schwanzfedern, was ihnen das Segeln erleichtert, aber auch schnelle Wendungen in der Luft ermöglicht.
Fühlt sie sich denn nur in den Bergen wohl?
Im Winter kann man die Vögel dabei beobachten, wie sie für ein bisschen „City-Shopping“ in tiefere Regionen absteigen.
Guten Appetit: Alpendohlen haben es vor allem auf Wurst und Käse abgesehen. Man sollte ihnen aber nicht zu viel Salziges geben, sondern lieber Rosinen.
Was ist denn „City-Shopping“?
Dieses Verhalten kennt man schon seit 150 Jahren. Die Vögel fliegen morgens runter in die Städte und gehen dort für einige Stunden auf Nahrungssuche. Zum Schlafen kehren sie dann wieder zurück in ihr Urhabitat. Wenn sie die Flügel anlegen und sich wie Tropfen fallen lassen, erreichen sie bis zu 200 Stundenkilometer. Für solche Manöver ist ihr Körper perfekt angepasst. Zum Beispiel haben sie kleine Federchen, die die Nasenöffnungen abdecken, damit dort die Luft nicht so reinströmt. In diesem Highspeed- Modus brauchen die Dohlen von der Nordkette bis nach Innsbruck nur wenige Sekunden.