Die älteste Verbindung?
Mensch und Hund leben seit mehr als 14.000 Jahren zusammen und gehen durch dick und dünn. Der Fotograf Enno Kapitza und seine Hündin Lula gehen regelmäßig gemeinsam auf extreme Skitouren. Ein Interview über die besondere Verbindung von Mensch und Hund, Hund und Schnee und Hund und Bergen.
Herr Kapitza, wie bekommt man einen Hund dazu, eine 10-Stunden-Skitour zu absolvieren?
Tatsächlich mussten wir da nie Überzeugungsarbeit leisten, im Gegenteil: Als Lula zum ersten Mal Schnee erlebt hat, habe ich sofort gemerkt, was für ein Wunder dieses Element für sie ist. Es schien etwas in ihr anzurühren, das tief in ihren Genen schlummerte.
Hatten Sie sich vorab informiert, wie stark ausgeprägt die Vorliebe für Schnee bei unterschiedlichen Hunderassen ist?
Nein, bei uns war das eher so der Klassiker: Meine Tochter wollte einen Hund. Um ihre Eltern zu überzeugen, hielt sie extra eine kleine Präsentation. Ich war sofort dafür, meine Frau Uli hatte leichte Vorbehalte. Lula ist eine Mischung aus Border Collie und Australian Shepherd. Beide Hunderassen gelten als sehr klug, haben allerdings auch ein stark ausgeprägtes Hüteverhalten. Der Australian Shepherd hat zudem noch einen starken Herdenschutztrieb. Das ist eine Kombination, die ganz schön kompliziert ist, wenn man sich nicht auskennt.
Aber Sie kannten sich aus?
Wir hatten keine Ahnung! Die ersten zwei Jahre mit ihr waren dann auch ein ziemlicher Horror. Schon mit fünf Monaten hatte Lula einen sehr ausgeprägten Jagdinstinkt und war weg, sobald sie ein Wildtier gerochen hat. Wir mussten also erst mal lernen, sie zu lesen – und auch umgekehrt musste sich Lula auf uns einstellen.
Welche Rolle haben dabei die Berge gespielt?
Eine sehr wichtige. Denn die Voraussetzung, um gemeinsam unterwegs sein zu können, war natürlich, dass Lula auch in schwierigem Terrain kontrollierbar ist. Sonst wäre sie Gefahr gelaufen, sich zu verletzen oder auch in eine Lawine zu geraten, wenn sie einfach so in steiles Gelände geht. Insofern hat sich das auch gegenseitig bedingt: Wir wollten unbedingt mit Lula in die Berge – und haben deshalb alles darangesetzt, sie so zu erziehen, dass das auch möglich ist.
Merkt man Lula eine gewisse Vorfreude an, wenn sich der erste Schnee ankündigt?
Man sagt ja, dass selbst wir Menschen riechen können, wenn Schnee kommt. Aber bei Lula ist das noch deutlich ausgeprägter. Am auffälligsten ist das gar nicht im Winter, sondern im Sommer: Wenn wir dann in den Bergen unterwegs sind, kommt es immer wieder vor, dass sie in schattigen Kuhlen oder an Nordhängen Schneereste findet – selbst wenn die in großer Distanz zum Weg sind. Sie ist dann wie ein Kind, das ans Meer kommt: Sie springt darin herum, buddelt, wälzt sich.
Für einen Vierbeiner dürfte das Vorankommen im Tiefschnee recht anstrengend sein. Hat sich das bemerkbar gemacht?
Vor allem anfangs war Lula nicht müde zu kriegen. Da ist sie die Tour, die wir gegangen sind, drei bis vier Mal gelaufen, so oft ist sie hoch und runter, hin und her gerannt. Aber besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Aufenthalt auf einer Skitourenhütte. Wir waren für mehrere Tage dort und haben irgendwann gesagt: Die letzten Touren waren für den Hund anstrengend genug, heute bleibt sie mal auf dem Zimmer. Irgendwie hat sie es dann geschafft, die Tür von innen aufzumachen, und ist uns nachgelaufen. Es kam für sie überhaupt nicht in Frage, dass wir ohne sie in den Schnee gehen. Mittlerweile ist Lula aber elf Jahre alt und ein wenig gemütlicher geworden. Deshalb nehmen wir sie heute nur noch auf kleine Ausflüge mit.
Was glauben Sie, weshalb Lula den Schnee so liebt?
Durch ihr langes Fell fühlt sie sich bei kühlen Temperaturen einfach wohler. Im Sommer kommt es schon mal vor, dass sie schlappmacht. Aber im Winter ist sie immer topfit. Aber ich hatte auch immer das Gefühl, dass der Schnee ihrem Spieltrieb entgegenkommt. Wenn wir perfekten Pulverschnee haben, ist das der totale Traum für sie. Dann fliegt sie förmlich durch den Schnee. Teilweise war sie so begeistert, dass sie noch vor uns unten ankam und für eine zweite Runde wieder zu uns hochlief.
Wer einen Gipfel besteigt, hat sich eine Brotzeit verdient. Gilt das auch für Lula?
Zu Hause gibt es bei uns die eiserne Regel, dass wir sie nicht mit unserem Essen füttern. Aber auf dem Gipfel machen wir eine Ausnahme und teilen unsere Brote mit ihr. Dadurch hat sie auch ihre Scheu gegenüber anderen Menschen abgelegt. Am Gipfel fand sich nämlich häufig jemand, von dem sie ein Stück Wurst oder Käse abstauben konnte.
Welche Tipps haben Sie für Menschen, die mit ihrem Hund auf Skitour gehen wollen?
Die Grundvoraussetzung ist sicherlich, dass der Hund gut erzogen ist. Viele Hunde laufen den Ski hinterher, und durch die Kanten können üble Verletzungen entstehen. Das hat Lula zum Glück sofort gecheckt und sich stets ferngehalten. Außerdem sollte der Hund auf keinen Fall zum Jagen abhauen, weil die Wildtiere im Winter Ruhe brauchen und sich schnell in Lebensgefahr bringen, wenn sie aufgescheucht werden. Im Nachhinein betrachtet waren wir außerdem ein wenig zu früh mit Lula unterwegs. Man sollte warten, bis der Hund vollständig ausgewachsen ist, also wenn er etwa zwei Jahre alt ist. Es gibt außerdem Konditionen, in denen der Schnee dazu neigt, im Fell Klumpen zu bilden, was sehr unangenehm für den Hund werden kann. Aber der beste Tipp ist immer noch, sich mit anderen Hundebesitzern am Berg auszutauschen.
Warum glauben Sie, ist die Verbindung von Mensch, Hund und Bergen eine so besondere?
Die Berge sind für meine Frau und mich eine Konstante. Über die Jahre haben wir uns natürlich verändert, sind gealtert, schwächer geworden – auch Lula. Aber die Berge sind immer gleich geblieben. Und ich denke, dieses Gefühl von Ewigkeit, das es in den Bergen gibt, spüren nicht nur wir, sondern auch die Hunde. Wenn wir dann zu dritt auf dem Gipfel stehen und gemeinsam etwas geschafft haben, fühlt sich die eigene Existenz wie ein Wimpernschlag an – und mir wird bewusst, wie schön es ist, dass meine Frau, der Hund und ich uns dieses Leben teilen können.