Ausflugsziele

Die Big 5 der Alpen

Der Mensch prägt die Natur, aber die Natur auch den Menschen. In Tirol kann man dieses Wechselspiel besonders gut beobachten: anhand von fünf Tieren, die für die Tiroler Seele fast so wichtig sind wie die Berge, in denen sie leben. Steinbock, Steinadler, Bartgeier, Gämse und Murmeltier: In vielen Schutzgebieten in Tirol kann man die Big Five der Alpen in freier Wildbahn sehen. Eine Spurensuche lohnt sich aber auch im Alltag.

Wilde Tiere sind in Tirol ein vertrauter Anblick: Man begegnet ihnen im Supermarkt, an der Liftstation und im Wirtshaus, sie bewachen Hauseingänge und füllen Souvenirshops: Steinadler, Murmeltier, Gams, Bartgeier und Steinbock. Zugegeben, trifft man nicht auf leibhaftige Tiere, sondern auf Aufkleber, Embleme, Gemälde, man trifft sie in Form von Statuen – und von Kuscheltieren. Über etwas, das im Alltag ständig auftaucht, macht man sich selten viele Gedanken. Dabei gibt es nichts, das interessanter ist.

Besucher wundern sich vermutlich, warum ihnen in Tirol überall dieser pummelige Nager entgegenblinzelt: im Souvenirshop, auf Schnapsflaschen, ausgestopft an der Restaurantwand. Das Murmeltier, erklärt man dann, gehört zu den „Big Five der Alpen“. Und jeder versteht. Als „Big Five“ bezeichneten früher Jäger in Afrika Elefant, Löwe, Nashorn, Büffel und Leopard. Die Tiere beeindruckten die Menschen so sehr durch ihre Größe, Kraft und Schönheit, dass sie zum Symbol ihres Lebensraums wurden. Noch heute sind Safaribesucher (ohne Gewehr) enttäuscht, wenn sie die „Fünf nicht vollmachen“.

Tiroler und Tirol-Besucher kennen das: Die Freude, wenn man auf einer Bergwiese die Murmeltierpfiffe vernimmt. Der Nervenkitzel, eine Gamsherde in der Steilwand zu beobachten. Die Erhabenheit des Steinbocks in der Ferne. Das Staunen, wenn die Silhouette von Adler oder Geier über den Himmel zieht. Vor jeder Wanderung hofft man, einen der „Big Five“ zu sehen. Gleichzeitig sind die Tiere uns vertraut. Die „Big Five“ vereinen Heimatgefühl und Sehnsucht. Eine starke Kombination.

Wenn Steinadler oder Steinbock heute in Vereinswappen, Logos und Kunstwerken auftauchen, verbirgt sich dahinter:: die Liebe zur Natur, der Ausdruck einer Identität, die Hoffnung, sich ein wenig von ihrer Kraft zu borgen. Früher lief diese Aneignung nicht nur metaphorisch ab: Dem Steinbock zum Beispiel wurden Heilkräfte nachgesagt, weshalb sein Horn zu Pulver zerstoßen wurde; das Herzkreuzlein – die verknöcherte Sehne des Herzmuskels – trug man als Amulett um den Hals. Die Steinböcke wurden erbarmungslos gejagt, der letzte Bartgeier in Mitteleuropa bereits im Jahr 1887 getötet (weil er im Ruf stand, Lämmer, Hunde und Kleinkinder zu töten). Der Steinadler, galt schon immer als König der Lüfte und schmückte das Tiroler Wappen, wurde aber auch als Konkurrent und Trophäenlieferant bekriegt. Seitdem hat sich unsere Beziehung zu den „Big Five“ gewandelt. Wir sind uns der eigenen Zerstörungskraft zunehmend bewusst und schätzen besondere Naturerlebnisse. Durch gezielte Zucht- und Schutzprogramme haben sich die Bestände in den letzten Jahren erholt. Es reicht uns, wenn wir die „Big Five“ ab und an in der Ferne sehen. Für den Rest des Jahres haben wir die Kuscheltiere.

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