Trailrunning – Der Mythen-Check
Statt auf befestigten Straßen, läuft man beim Trailrunning auf Pfaden, Steigen und schmalen Waldwegen.
Wer hat sich am letzten Silvesterabend Pläne fürs neue Jahr gemacht? Gesünder essen, öfter das Rad statt das Auto zur Arbeit nehmen, neue Sportarten ausprobieren? Ja, Gründe gibt es unzählige, warum man ein bestimmtes Projekt dann doch nicht angeht. Zu teuer, zu aufwändig, zu zeitintensiv. Auch für das Projekt Trailrunning würden einem auf Anhieb genug Ausreden einfallen, es doch nicht zu starten. Höchste Zeit das zu ändern.
Zuerst aber einmal die Antwort auf die Frage, was Trailrunning denn eigentlich genau ist. Auch wenn Jogging und Trailrunning vieles gemeinsam haben, ist Laufen nicht gleich Laufen. Die beiden Sportarten unterscheiden sich in erster Linie vom Untergrund. Wie der Name schon verrät, bewegt man sich beim Trailrunning auf einem Trail. „Statt auf befestigten Straßen, läuft man auf Pfaden, Steigen und schmalen Waldwegen“, erklärt uns Anna Holzer, angehende Physiotherapeutin aus Seefeld. Anna war schon in frühen Jahren viel auf den Bergen unterwegs und hat so das Trailrunning für sich entdeckt. Was für sie den Reiz dieser Sportart ausmacht? Das verrät sie uns etwas später. Jetzt geht es den Ausreden an den Kragen, wenn es heißt: Mythos oder Wahrheit?
Mythos 1: Beim Trailrunning geht es immer steil bergauf.
Ein Trail kann steil sein. Richtig steil. Muss er aber nicht. Es gibt auch etliche Strecken, auf denen man kaum Höhenmeter zurücklegt. „Trails findet man nicht nur im alpinen Gelände, sondern auch im Wald und auf Wiesen“, weiß Anna. Meist ist das Streckenprofil jedoch zumindest leicht hügelig. Bei den wechselnden Bodenbeschaffenheiten merkt man das Auf und Ab aber kaum. „Wurzeln, Steine, Stufen, Lacken. Ständig reagiert man auf die unterschiedlichen Gegebenheiten. Dabei merkt man oft nicht einmal, dass es aufwärts geht.“ Der Blick auf die Daten der Sportuhr kann nach der Einheit dann schon einmal positiv überraschen.
Ein Trail muss nicht immer steil sein, oft geht es moderat über Stock und Stein und man sammelt unbewusst Höhenmeter.
Wer das Steile mag, findet allerdings auch das Steile. Anna ist zum Beispiel am liebsten im alpinen Gelände unterwegs. Ihre Lieblingsstrecke? Der Trail auf die Reither Spitze bei Seefeld. „Er bietet einfach alles, was das Trailrunning ausmacht: eine Mischung aus Waldwegen, Steilstücken und Gratpassagen. Und oben dann diese Freiheit und Ruhe und der wunderschöne Ausblick.“
Fazit: Trails gibt es in allen Variationen. Wer es steil will, findet genauso die passende Strecke wie jemand, der nur wenige Höhenmeter sammeln möchte. Was alle Trails gemeinsam haben: Viel Abwechslung.
Mythos 2: Trailrunning ist viel anstrengender als normales Laufen.
Das Schöne am Trailrunning ist, dass man die Intensität selbst regulieren kann. Wer es gerne intensiv mag, sucht sich einen steileren Trail und gibt Gas. Wer es lieber gemütlich mag, bewegt sich im Flachen. Außerdem gehört beim Trailrunning dazu, was beim Joggen verpönt ist: Wenn es bergauf geht, darf man auch einmal gehen. Und das ganz ohne schlechtes Gewissen. Anna stellt klar: „Das Tempo wird dem Gelände laufend angepasst. Da ist Gehen unvermeidbar. Auch ich gehe immer wieder während meinen Einheiten.“
Der variable Untergrund und die kleinen Hindernisse fordern Körper und Geist aber zugegebenermaßen schon etwas mehr als das Laufen auf befestigten Straßen. Im positiven Sinn jedoch. Gleichgewicht und Koordination werden ebenso geschult wie die Rumpfmuskulatur. Mit der richtigen Technik kann Trailrunning sogar gelenkschonender sein als Jogging. Und auch für den Geist ist die Herausforderung, sich ständig neu konzentrieren und anpassen zu müssen, ein sehr gutes Training.
Fazit: Trailrunning ist genau so anstrengend, wie man es sich einteilt. Gehen ist erlaubt, ja sogar empfohlen. Und die Herausforderung des ständig wechselnden Untergrunds macht erst den Reiz der Sportart aus.
Der Läufer entscheidet selbst über die Intensität seines Trailruns, auch Gehen ist erlaubt.
Mythos 3: Trailrunning ist nur etwas für erfahrene Läufer.
Wer Freeriden will, sollte Skifahren können und wer mit dem Downhill-Biken startet, muss sein Rad gut im Griff haben. Gilt das auch fürs Trailrunning, Anna? „Es ist kein Nachteil, wenn man schon einmal gelaufen ist. Dann muss man sich nicht so sehr auf die Technik konzentrieren. Es ist aber absolut kein Muss. Trailrunning ist auch etwas für komplette Laufanfänger.“ Einen Coach empfiehlt Anna nur, wenn man Trailrunning professionell betreiben möchte. Sonst heißt es einfach: Hinausgehen, ausprobieren, auf sich selbst und seinen Körper hören. Und natürlich: Spaß haben.
Bei den ersten Runden sollte man sich leichte, flache Trails aussuchen. Das ist gut für die Motivation, da man diese schon bald durch laufen kann. Der Blick auf die Sportuhr ist anfangs zu vernachlässigen, rät Anna: „Man darf auch einmal stehen bleiben und die Natur genießen, statt sich auf Zeit und Puls zu fokussieren. So macht man die größten Fortschritte.“
Trailrunning ist keine Wissenschaft, das kann jeder. Hinaus in die Natur und los geht es.
Im gleichen Zug ist Trailrunning aber natürlich sehr wohl auch etwas für sehr erfahrene Läufer. Wer das monotone Dahintraben satt hat, darf sich beim Trailrunning auf neue Erfahrungen freuen.
Man springt über Wurzeln und kleine Bäche, trifft im Wald auf Reh und Hase und ist auch einmal ganz alleine auf einem Berggipfel.
Fazit: Lauferfahrung ist beim Trailrunning-Einstieg kein Nachteil. Spaß macht diese Sportart aber auch jedem Anfänger. Garantiert.
Mythos 4: Trailrunning braucht viel neues Equipment.
Anna hat vier Paar Trailrunning-Schuhe zuhause. Brauchen wir wirklich so viele? „Nein, erst wenn man es professioneller betreiben will, legt man sich mehrere zu. Um ein Paar kommt man allerdings nicht herum.“ Das richtige Schuhwerk ist eine wichtige und gute Investition. Einmal zugelegt, läuft man mit ihnen viele Kilometer. Sohlengrip, Dämpfung und Stabilität machen den Unterschied zum normalen Laufschuh aus. Bei Anna kommt bei diesem Thema die Physiotherapeutin in ihr durch: „Das ist ganz entscheidend für die Fußmuskulatur und die Fußgesundheit.“
Und sonst? „Wenn ich aus dem Haus gehe, habe ich auch einen kleinen Trailrunning-Rucksack mit dünner Jacke, Riegel und Trinkflasche dabei. Am Handgelenk trage ich meine Sportuhr.“ All dieses Equipment braucht man für die ersten Einheiten natürlich nicht. Wenn man als Fortgeschrittene:r dann längere Touren macht, legt man sich automatisch Schritt für Schritt alles zu. Vielleicht ja auch ein Paar Trailrunning-Stöcke. „Das ist Geschmackssache. Wenn es richtig steil wird, kann man damit den Druck von den Beinen wegnehmen. Das finde ich sehr angenehm.“ Meist kann man diese Art von Stöcken zusammenfalten und im Trailrunning-Rucksack verstauen, wenn es flach ist oder man die Hände einmal zum Klettern benötigt.
Beim geeigneten Schuhwerk sollte man nicht sparen und sich beraten lassen.
Fazit: Um passende Trailrunning-Schuhe kommt man nicht herum. Mit einer Investition von ca. 100 bis 150 Euro kann man aber sofort loslaufen. Andere Gadgets sind zu Beginn verzichtbar.
Mythos 5: Trailrunning benötigt viel Zeit und man muss erst irgendwo hinfahren.
„Wenn ich den ganzen Tag beim Arbeiten bin, nehme ich abends oft noch schnell meine Schuhe und powere mich eine halbe Stunde aus“, erzählt Anna. „Trailrunning ist so unkompliziert und unaufwändig wie kaum eine andere Sportart.“ Hier in Tirol kann man überall Trailrunnen. Wirklich überall. Man findet Pfade in Wäldern, Wiesen und auf den Bergen; Strecken mit verschiedenen Steigungen und Schwierigkeitsgraden. Der nächste Trail ist oft näher als man denkt. „Man muss eigentlich nur vor die Haustüre gehen und die Augen aufmachen. Oder man sucht sich auf einer der vielen Touren-Apps eine Inspiration.“ Auch denjenigen, die mitten in der Stadt leben oder schon alle Trails in der näheren Umgebung kennen, lassen wir keine Ausrede zu. Ab aufs Fahrrad und man ist in wenigen Minuten am Start eines neuen Trails.
Ob eine kleine Runde vor der Haustür oder eine ausgiebige Erkundungsreise in ein anderes Gebiet, für einen Trailrun findet sich immer Zeit.
Dass man vor der Wohnung loslaufen kann, heißt nicht, dass man das auch muss. Fürs Trailrunning darf man natürlich auch wegfahren. Neue Gebiete kennen lernen, ganz spezielle Plätze besuchen oder bei Events teilnehmen. Von letzteren gibt es nämlich auch immer mehr. „Der Karwendelmarsch ist mein persönliches Lieblingsrennen. Die Kulisse ist einzigartig und auch das Teilnehmerfeld ist inspirierend. Vom Profi bis zum Wanderer – man trifft alle auf der Strecke von Scharnitz nach Pertisau am Achensee“, schwärmt Anna.
Fazit: Ob Tagesausflug, Urlaub oder Event: Wer fürs Trailrunning wegfahren möchte, soll das auf jeden Fall tun. Man muss aber nicht. Der nächste Trail liegt meist nur wenige Meter entfernt. Augen auf und los geht’s!
Und, noch eine passende Ausrede parat? Wer noch immer nicht vollauf motiviert ist, läuft spätestens nach dem folgenden Absatz los. Eine Antwort ist uns Anna nämlich noch schuldig: Wie sie zum Trailrunning gekommen ist und was für sie den Reiz dieser Sportart ausmacht. „Mit meinen Eltern war ich früher viel in den Bergen unterwegs. Ich wollte auf immer neue Gipfel und immer neue Wege entdecken. Irgendwann bin ich dann draufgekommen, dass man ein Ziel schneller erreicht, wenn man läuft“, schildert Anna schmunzelnd. Und was ist so besonders daran? „Beim Trailrunning gibt es einfach keine Grenzen. Es geht immer höher, weiter und schneller. Es ist so vielseitig und so unkompliziert. Man braucht nicht viel dazu und ist sehr flexibel. Ich kann mich auspowern, auf einen Gipfel laufen und bin einfach weg vom Alltag. Die Natur, die Ruhe, die Freiheit. Für mich gibt es nichts Schöneres.“