Mit einem aufwändigen Scoutingprogramm versucht der Österreichische…
Schigymnasium Stams, Folge 2: Früh übt sich
© Stefan Voitl
Der Weg zum Skiprofi ist kein einfacher. Das wissen auch die Schüler des Schigymnasium Stams, die sowohl in der Klasse als auch auf der Piste ein enormes Pensum zu absolvieren haben. Wir haben nachgefragt, wie der Alltag des Nachwuchses aussieht und wie die Jugendlichen Unterricht und Training unter einen Hut bekommen.
Es ist kurz nach sechs Uhr morgens im Internat des Schigymnasium Stams. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, trotzdem herrscht schon viel Betrieb, denn die Schüler bereiten sich auf den anstehenden Tag vor – und der verspricht auch heute wieder lang und kräftezehrend zu werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Bildungseinrichtungen fängt der wirklich harte Teil des Schulalltags in Stams nämlich gewissermaßen erst nach dem Unterricht an. Und zwar dann, wenn es zum Training geht.
Im Schigymnasium Stams steht am Nachmittag, nach dem Unterricht, das Training für die Schüler an – entweder auf der Piste oder in der Trainingshalle. © Mathea Hollaus
Streng nach Plan
Der Ablauf des Schultags im Schigymnasium Stams ist streng geregelt, schon bei den Schülern der ersten Klassen: Frühstudium und Aufräumen ab 6.20 Uhr, Frühstück um 7 Uhr, Unterricht ab 7.50 Uhr, Mittagessen um 12.05 Uhr, Trainingsbeginn um 14 Uhr, Abendessen um 18.15 Uhr, Abendstudium von 19.15 bis 21 Uhr, Bettruhe um 22 Uhr. Viele Mußestunden bleiben da nicht. „Es ist schon ein strenger Tagesablauf und auch anstrengend“, meint Leonie dazu. „Aber man gewöhnt sich mit der Zeit dran.“ Sogar an den Umstand, dass man nur wenig Freizeit hat. „Man macht dann halt einfach eher was mit seinen Freunden im Internat“, so die Schülerin.
Für sie selbst seien insbesondere die Lernzeiten eine große Umstellung gewesen, als sie nach Stams kam: „Früher habe ich eigentlich immer gleich nach der Schule gelernt. Aber das geht hier nicht, weil wir anderes zu tun haben. Deswegen komme ich erst am Abend zum Lernen.“ Die Doppelbelastung von Schule und Training sieht Leonie zwar durchaus als eine Herausforderung an, allerdings als eine machbare – nicht zuletzt, weil die Lehrer Rücksicht auf trainingsintensiven Zeiten nehmen, etwa im Hinblick auf Termine von Schularbeiten oder Tests. „Wenn man immer gut mitlernt und auch beim Training alles gibt, bekommt man beides schon hin“, ist Leonie überzeugt. Im Grunde hebe sich das Schigymnasium Stams, was den Unterricht betrifft, nicht groß von anderen Schulen ab.
Wissen, wofür
Dieser Ansicht ist auch Dominik. Einen großen Unterschied gibt es für ihn allerdings: „Andere Schüler haben nach dem Mittagessen frei, wir danach Training.“ Und dieses hat es durchaus in sich: Bis die Saison losgeht, stehen rund 50 Schneetage im Jahr für die Nachwuchstalente an, und auch bei den regelmäßigen Einheiten in der Halle wird stets fleißig gearbeitet – vor allem an Ausdauer und Kraft, wie Dominik erklärt: „Du brauchst einfach eine gewisse Körperfähigkeit, damit du dem Druck standhalten, den ganzen Winter deine Leistung bringen kannst und nicht mitten in der Saison nach wenigen Rennen schon ausgepowert bist.“
Das Training ist in der Regel also sehr intensiv, was sich mitunter auch auf die Freizeitgestaltung auswirkt: Je nachdem, wie anstrengend der Tag oder die Woche war und wie der körperliche Zustand ist, geht man vielleicht noch ins Hallenbad schwimmen, meist ruht man sich aber dann doch eher im Zimmer aus, sagt Dominik. Das Internatleben selbst ist für ihn im Übrigen keine gänzlich neue Erfahrung, er kennt es bereits aus seiner vorherigen Schule. „Ich habe mich schon dran gewöhnt. Aber gerade am Anfang ist es echt nicht leicht, man hat doch Heimweh, und es gehen einem gewisse Dinge ab. Vor allem das Daheimsein“, so Dominik.
Dass ihm in Stams abseits von Schule und Sport nur wenig Zeit für andere Aktivitäten bleibt, findet Dominik jedoch nicht sonderlich problematisch. Manchmal erwischt man zwar einen schlechten Tag und ärgert sich darüber, dass andere am Nachmittag oder am Wochenende frei haben, während man selbst in der Klasse, im Trainingsraum oder auf der Piste schuftet. Aber das könne man verkraften, weil man genau weiß, wofür man es tut, nämlich um den eigenen Sport so oft ausüben zu können wie möglich, ohne dafür auf eine gute schulische Bildung verzichten zu müssen.
Schwieriger Spagat
Genau das ist Thomas Reiter, Spartenleiter "Alpin Herren", zufolge das Spezielle am Schigymnasium Stams: die Verbindung von Schule und Sport, aber auch Persönlichkeitsentwicklung. „Darauf legen wir großen Wert und wir versuchen, die Abstimmung so gut wie möglich zu koordinieren“, erklärt er. Ein großer Vorteil dabei ist es, dass das Trainerteam aus vielen ehemaligen Schülern besteht, die nationale und internationale Erfahrung haben. „Das ist ein gutes Rezept, um diesen Spagat zu meistern“, so Reiter.
Trotz dieser Bemühungen gelingt am Ende nur sehr wenigen Abgängern tatsächlich der Sprung an die Spitze – doch das sei auch nicht der entscheidende Punkt, meint Reiter. „Natürlich ist es das große Ziel der Jugendlichen, es nach der Schulzeit in den ÖSV-Kader und dann in den Europa- und Weltcup zu schaffen. Aber uns geht es letztendlich mehr um die Entwicklung jedes Einzelnen bis zum jeweiligen Maximum, in sportlicher und in persönlicher Hinsicht – ein positiver Schulabschluss ist etwa für die weitere Zukunft der Jugendlichen sehr wichtig.“ Ohne Arbeit, Leidenschaft und Hingabe wird man jedoch weder im einen noch im anderen Bereich, weder auf der Piste noch in der Klasse, wirklich erfolgreich sein. Und das wissen im Schigymnasium Stams auch schon die Erstklässler.
Das Schulgebäude des Schigymnasiums in Stams. © Mario Webhofer