Safety first
© Leni Photography
Text: Eva Schwienbacher
Markus Kogler ist Sicherheitsbeauftragter für den Stopp der Freeride World Tour in Fieberbrunn. Kurz vor dem spektakulären Event in Tirol hat er uns Einblicke in das Sicherheitskonzept gegeben.
Im März macht die Freeride World Tour Station in Fieberbrunn – ihrer einzigen Austragungsstätte im deutschsprachigen Raum. Die weltbesten Freerider werden dann vor den Augen der Judges und Fans auf Skiern oder Snowboards ihre Linien in den 620 Meter hohen Hang des Wildseeloders zeichnen. Dieses Face ist im oberen Teil – mit einer Steilheit bis zu 60 Grad – sehr technisch und im unteren Teil stark freestylelastig.
Einer, der diesen Hang bestens kennt, ist Markus Kogler. Der Fieberbrunner ist u. a. Freeride-Experte, Open-Faces-Veranstalter, Berg- und Skiführer, Skitrainer und -lehrer, gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Bergretter und seit 2004 Sicherheitsbeauftragter des Stopps in Fieberbrunn der Freeride World Tour. „Ich bin für die Sicherheit der Rider zuständig – in allen Belangen“, bringt Kogler seine Rolle auf den Punkt. Seine Aufgabe ist es, im Vorfeld alle Risiken so gut wie möglich zu minimieren, die Rider über die Gefahrenstellen zu informieren und im Ernstfall mit einem gut durchdachten Rettungskonzept für schnelle Hilfe zu sorgen.
Der Diplomskilehrer und Bergführer Markus Kogler fungiert bei der Freeride World Tour in Fieberbrunn als Sicherheitsexperte. © Mia Maria Knoll
Detaillierte Risikoanalyse
Beim Freeriden liegt es in der Natur der Sache, dass man sich in ungesichertes, nicht präpariertes Gelände begibt. Bei all der Faszination, die dieser Sport auf viele ausübt, birgt das aber auch besondere Gefahren. Das Thema Sicherheit nimmt daher bei Freeride-Contests einen hohen Stellenwert ein. Für alle zehn Contests, die Kogler über die Wintersaison betreut, gibt es ein bis ins kleinste Detail ausgearbeitetes Sicherheitskonzept. Dieses beinhaltet unter anderem eine penible Analyse der Risiken. „Die meisten denken, dass die größte Gefahr die Lawine ist, doch das stimmt nicht“, sagt Kogler.
In der Risikoanalyse werden drei Säulen und die jeweiligen Einzelrisiken berücksichtigt:
Erstens die jeweiligen Rider selbst. Es gilt Fragen zu beantworten, wie: Handelt es sich um Einsteiger oder Profis? Wie groß ist der Erfolgsdruck? Wie hoch die Risikobereitschaft?
Zweitens das Gelände: Wo sind die Gefahrenstellen? Besteht Absturzgefahr? Wo gibt es Sharks, also Felsen, die knapp unterhalb der Schneeoberfläche liegen und Fahrer abrupt bremsen und zu Fall bringen können? Wie schwierig ist das Face?
Drittens spielen die Verhältnisse – Lawinengefahr, Schneehärte, Schneemenge, Sicht, Wettergefahren usw. – eine Rolle.
Teil des Sicherheitskonzepts ist die von Kogler mit einem Partner ausgearbeitete Risikomatrix. „Im Grunde haben wir damit zu Papier gebracht, was wir jahrelang bereits gemacht haben“, erklärt Kogler. Es handelt sich um ein Tool, das zur Visualisierung der Risikobewertung dient. Dabei werden das Schadensausmaß und die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Risikos in einem Koordinatensystem dargestellt. Berücksichtigt wird dabei auch das Niveau der Teilnehmer. Die Ausarbeitung eines Sicherheitskonzepts und die entsprechende Darstellung sind auch deshalb wichtig, um im Ernstfall bei nachträglichen Untersuchungen alle Maßnahmen zur maximalen Sicherheit lückenlos nachweisen zu können.
Vor dem Event wird der Hang von mehreren Berg- und Skiführern gesichert. Neben Sprengungen kommt dabei auch "Skicutting" zum Einsatz. © FWT
Hangsicherung
Für Kogler beginnt die Vorbereitungsphase für das Event mit dem ersten Schneefall am Wildseeloder. Durch die Beobachtung der Schnee- und Wetterverhältnisse über Wochen und Monate gewinnt er Kenntnisse über Schneedeckenaufbau und kritische Situationen und kann entsprechende Maßnahmen treffen.
Kurz vor dem Event sichert der Experte gemeinsam mit zwei, drei anderen Berg- und Skiführern den Hang. Für die Lawinensicherheit wird entweder mit Sprengungen oder mit dem sogenannten „Skicutting“ gearbeitet. „Wir rutschen einzelne Rinnen von oben durch, um etwaige Schwachschichten präventiv auszulösen“, erklärt Kogler. Abschnitte, die die Fahrer aus Sicherheitsgründen nicht befahren dürfen, werden als „No Skiing Zone“ abgesichert.
Kurze Wege
Wichtiger Bestandteil der Sicherheitsmaßnahmen ist auch ein detailliertes, eigens für Fieberbrunn erstelltes Rettungskonzept, das alle Einsatzkräfte vor Ort kennen. Es beinhaltet unter anderem die Aufgabenverteilung, die Einsatzstrukturen und die Kommunikationswege: Was ist bei einem Lawinenunfall zu tun? Was bei verunfallten Personen? Welches Krankenhaus muss bei welchen Verletzungen aufgesucht werden? Wie signalisieren die Rider, dass sie Hilfe benötigen? „Das Um und Auf bei einem Unfall sind kurze Wege“, erklärt Kogler.
Um verletzte Personen so schnell wie möglich zu erreichen, sind die Einsatzkräfte am Contestface des Wildseeloders an unterschiedlichen Stellen positioniert: Am Start, in der Mitte des Face und im Ziel findet sich jeweils ein Notarzt. 20 Bergretter sind für unterschiedliche Zonen des Hangs eingeteilt und werden bei einem Unfall vom Einsatzleiter koordiniert. Außerdem sind sechs Berg- und Skiführer im Einsatz, die bei Vorfällen ohne Verletzte ausrücken – zum Beispiel, um Materialien einzusammeln. Auch ein Rettungshubschrauber steht während des kompletten Contests in Fieberbrunn bereit.
Bei den verpflichtenden Riders-Meetings informieren die Sicherheitsbeauftragten die Fahrer über die Besonderheiten und Risiken des jeweiligen Hangs. © FWT / Daher
Bewusstsein schärfen
Beim Riders-Meeting, das für alle Fahrer verpflichtend ist, geht Kogler mit den Contest-Teilnehmer:innen den Hang durch. Das Ziel ist, ihnen die Risiken – wie Lawinenanrisse, große Felsen, No Skiing Zones usw. – zu zeigen und mit allen sicherheitsrelevanten Informationen – wie etwa den Standorten der Bergretter – zu versorgen. „Die Fahrer stehen natürlich unter einem hohen Erfolgsdruck. Sie denken in erster Linie daran, wie sie die Judges beeindrucken können und gehen dafür ein relativ hohes Risiko ein“, so der Sicherheitsexperte. Der Stopp der Tour in Fieberbrunn ist für viele bereits eine heiße Phase. „Der Rider wird von uns bestmöglich informiert. Was er mit dem Wissen macht, liegt letztendlich bei ihm“, sagt Kogler.