MTB Region im Check: Enduro Trails im Dreiländereck bei Nauders am Reschenpass
© Tirol Werbung / Sebastian Schels
Im äußersten Westen Tirols, an den Gestaden des mystischen Reschensees, liegt ein gar nicht mehr so geheimer Tipp für Fans des gepflegten Trailsurfens. Dort, wo sich Österreich, Italien und die Schweiz treffen, entstand mit dem 3-Länder-Enduro ein Trailnetzwerk, das Enduristi-Herzen höherschlagen lässt. Ob Nauders hält, was es verspricht, erfahrt ihr im ersten Teil unserer Serie, für die ich verschiedene Tiroler Mountainbike-Regionen teste.
Nauders am Reschensee ist eines der ersten Gebiete, die bereits früh im Jahr öffnen. Es ist aber nicht nur am Anfang der Bikesaison einen Besuch wert, sondern auch gegen Ende, wenn sich die ganze Reschenpassregion bunt verfärbt.
Die Anreise: lang, aber lohnend
Zugegeben, Nauders liegt nicht gerade ums Eck und ist mit Öffis nur schwer bis kaum erreichbar. Ein eigener motorisierter Untersatz ist daher obligatorisch. Dafür lohnt sich die Fahrt – die ab Innsbruck rund anderthalb Stunden dauert – ins oberste Inntal. Die Strecke in Richtung Reschenpass ist lang, dafür wildromantisch. Nächstes Mal plane ich jedenfalls eine halbe Stunde Fahrtzeit extra ein und sehe mir das martialische Militärgebäude genauer an, das in der Schlucht kurz vor Nauders in den Fels gebaut wurde.
Unterkunft & Service
Nauders ist eine Tourismusregion und wartet daher mit der gesamten Bandbreite an möglichen Unterkünften auf... Im Ort stehen ausgewiesene Bike-Hotels zur Verfügung, die sich speziell um die Bedürfnisse radelnder Gäste kümmern. Die Liste aller Bike-Unterkünfte in Nauders (und Tirol insgesamt) findet ihr hier.
Wer es individueller mag, der kann in Nauders auch direkt vor Ort campen. In Sachen Bikeverleih und Guiding hat Nauders ebenfalls ein umfangreiches Angebot. Vor Ort stehen vier Anbieter zur Auswahl, die vom Verleihbike bis zum Profi-Guide alles anbieten. Dieser Service wird übrigens während der Sommersaison sieben Tage die Woche geboten. Nähere Infos dazu findet ihr auf der Website.
Wer den 3-Länder-Enduro voll auskosten will, sollte das Enduro- oder das Allmountain-Bike einpacken. © Tirol Werbung / Sebastian Schels
Trails: Enduro oder Allmountain?
Vorweg: Wer den 3-Länder-Enduro voll auskosten will, sollte auf die Doppelbrücke verzichten und das Enduro- oder Allmountain-Bike einpacken. Aber auch reine Downhiller kommen hier auf ihre Kosten, wenn sie Strecken wählen, die ohne Transferpassagen auskommen, wie etwa am Mutzkopf. Ich selbst habe mich für ein Allmountain-Bike entschieden und damit die perfekte Wahl getroffen.
Nauders bietet 30 Trails an, die durch vier verschiedene Bergbahnen erschlossen sind. Die Streckenvielfalt ist groß und reicht vom wirklich spaßigen Einsteiger-Trail bis zur knackigen Herausforderung für erfahrene Biker. Mein Tipp ist, das Ganze als Rundkurs in Angriff zu nehmen. Der Parkplatz an der Schönebenbahn ist dafür der perfekte Ausgangspunkt. An der Talstation ist das Tagesticket erhältlich, das für alle Bergbahnen gilt.
Bei aktuell 18 freigegebenen Mountainbike-Trails rund um Nauders ist jeder Meter auf Asphalt – einer zu viel. © Tirol Werbung / Sebastian Schels
Schöneben-Trail: Wurzeln und Flow
Von der Schöneben-Bergstation geht es über den gleichnamigen Trail gleich rassig bergab. Bei Nässe wegen der zahlreichen Wurzeln eine durchaus fordernde Abfahrt, die naturbelassen im Wald neben der Skipiste angelegt wurde. Aber schon nach wenigen Metern stellt sich der Flow ein. Hat man gut ein Drittel absolviert, bietet sich die Gelegenheit, in Fahrtrichtung links in Richtung 3-Länder-Trail abzubiegen. Allerdings bedeutet das einen rund 30-minütigen, moderaten Uphill über die Transferpassage. Ich rate dringend zu einem Boxenstopp an der Reschenhütte, die direkt am Weg liegt und mit grandiosem Ausblick und regionalen Köstlichkeiten für die Strapazen entschädigt.
3-Länder-Trail: Der vielleicht kurzweiligste Waldtrail Tirols
Wenige Transfer-Minuten nach der Hütte startet der 3-Länder-Trail. Leider zogen Nebelschwaden auf, als ich gerade am Start war, und raubten mir die Sicht auf das italienisch-schweizerisch-österreichische Gebirge. Aber halb so wild, denn für Landschaftsbewunderung blieb am Trail ohnehin keine Zeit. Erstes Highlight ist die lange Holzsteg-Passage, die über ein ausgedehntes Hochmoor führt. Der hölzerne Weg lässt ziemliches Tempo zu und windet sich in leichtem Auf und Ab durchs Moor – Prädikat besonders flowig. Danach folgt ein etwas knackigerer Teil durch den Hochwald, der direkt zu einem beschaulichen Bergsee führt. Den Abschluss bildet einer der kurzweiligsten Waldtrails, den ich in Tirol bisher fahren durfte. Wurzelteppiche, die so breit sind, dass sie mindestens 15 verschiedene Lines zulassen, von denen eine besser als die andere ist. Und das Beste am 3-Länder-Trail – neben der unwirklichen Tatsache, am Bike mal eben über das Hoheitsgebiet von gleich drei Staaten zu brettern: Er endet dort, wo die Mutzkopf-Trails beginnen.
Beim Mutzkopflift stehen vier verschieden Trails zur Auswahl. © Tirol Werbung / Erwin Haiden
Rund um Nauders gibt es zahlreiche Wurzelteppiche, einer besser als der andere. © Tirol Werbung / Steffen Arora
Mutzkopf: Ein Berg, vier Trails
Hier habt ihr nun die Qual der Wahl, denn am Mutzkopf warten insgesamt vier Trails. Der Elven Trail ist der schwierigste unter ihnen, aber für alle halbwegs versierten Trailrider problemlos machbar. Der Kreuzmoos Trail, der Green Trail sowie der Obere Gerry Trail sind als mittelschwer eingestuft. Mein absoluter Favorit war der Obere Gerry Trail, der Fahrspaß pur bietet. Diese Strecke ist wahrlich ein Gedicht und für Allmountain- sowie Enduro-Bikes wie geschaffen. Das Trail-Design hat sich an den natürlichen Gegebenheiten orientiert, es kommt ohne künstliche Bauten aus. Dafür wurde das Terrain wirklich perfekt genutzt, wie ich es so noch kaum woanders gesehen habe. Wobei sich gerade der Mutzkopf mit seinen Varianten auch perfekt für Downhiller eignet. Wer lieber mit Doppelbrücke und Vollvisierhelm unterwegs ist, wird hier mit dem großen Pferdchen jede Menge Spaß haben. Allerdings geht es nicht per Gondel wieder bergauf, sondern im Doppelsessellift. Dafür ist das Liftpersonal freundlich und hilft gerne beim Ein- und Ausstieg.
Mein Plan vom Rundkurs um den Reschensee scheiterte aus Zeitgründen am Mutzkopf. Ich konnte nicht widerstehen und fuhr mehrmals wieder per Sessellift hinauf. Aber zumindest die Station Bergkastel wollte ich noch einbauen. Um zur Talstation auf der anderen Seite zu gelangen, habe ich den Gerry Trail genommen und mich am Ende eher (in Fahrtrichtung) rechts gehalten. Achtung, hier ist die Beschilderung noch verbesserungswürdig. Aber ihr könnt euch auch einfach optisch am Gegenhang orientieren, wo die Gondelbahn hinauf zum Bergkastel deutlich zu sehen ist. Unten bedarf es einer ganz kurzen Tretpassage entlang der Bundesstraße, um zur Talstation zu gelangen. Tipp: Die – nicht ohne Grund – illegale (vgl. unübersehbare Beschilderung) Abkürzung über die Wiese besser auslassen. Denn der vermeintliche Sprung mit uneinsehbarer Landung am Ende dieses Shortcuts katapultiert einen direkt auf die viel befahrene Bundesstraße.
Das gibt’s nur hier: Grenzenlose Trails im Dreiländereck zwischen Österreich, Schweiz und Italien. © Tirol Werbung / Sebastian Schels
Plamort-Trail: Übers Hochplateau hinab zum Reschensee
An der Bergstation Bergkastel angelangt, lädt die riesige Terrasse des dortigen Restaurants zu einem neuerlichen Zwischenstopp ein. Nauders selbst liegt schon auf knapp 1.400 Meter Höhe und die Bergstation dementsprechend bereits an der Waldgrenze. Nachmittags verwöhnt die Sonne diesen Hang, weshalb ich mir diesen Trail für den Abschluss aufgespart habe. Vom Bergrestaurant führt derzeit noch eine kurze Transferpassage mit Uphill zum Einstieg des Plamort Trails. Doch Nauders hat bereits einen weiteren Trail projektiert, der direkt an der Bergstation startet und noch heuer gebaut werden soll. Am Start des Plamort Trails angelangt, heißt es, noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren, denn die Abfahrt ist ziemlich lang und verlangt bisweilen auch noch Beinschmalz. Sie führt über das malerische, namensgebende Hochplateau und überquert dabei die österreichisch-italienische Grenze. Es geht mitten durch die alten Panzersperren und vorbei an verlassenen Bunkern aus Weltkriegs-Tagen. Hier kommen Historiker voll auf ihre Kosten. Zudem ist der Ausblick auf den Reschensee unbeschreiblich. Ganz nebenbei ist der Plamort Trail selbst Fahrspaß pur und darf bei keinem Nauders-Trip fehlen. Hier haben die Trail-Builder, allen voran Daniel Tulla, ganze Arbeit geleistet. Der Plamort Trail endet praktisch im Ort Reschen und entlang des Radwegs am Reschensee ist man in wenigen Minuten zurück am Ausgangspunkt der Runde, der Talstation der Schönebenbahn.
Beliebtes Fotomotiv beim Plamort Trail: Ein Fels mit Ausblick auf den Reschensee. © Tirol Werbung / Sebastian Schels
Haideralm-Trail: Eine Kraftprobe
Wer nun noch Zeit und Kraft hat, fährt wieder mit der Schönebenbahn bergauf und quert hinüber Richtung Haideralm. Hier erwartet euch der herausforderndste Trail der Region. Der Haideralm Trail ist mit 3,2 Kilometer, die es wahrlich in sich haben, eine Ansage. Bike-Beherrschung ist Voraussetzung, um diese Strecke zu meistern. Zudem sind auf der Südtiroler Seite jüngst eine ganze Vielzahl neuer Trails entstanden, die ich selbst noch nicht kenne, aber sicher heuer noch unter die Stollenreifen nehmen werde.
Ein Tipp noch, solltet ihr ebenfalls eine Tour in Nauders planen: Behaltet die Betriebszeiten der Bahnen im Auge, um am Ende nicht am völlig anderen Ende des Gebietes zu landen, ohne Möglichkeit, noch einmal hinaufzufahren. Zwar ist es auch kein Beinbruch, entlang des Sees zurück zum Auto zu pedalieren, aber wenn derartige Trails zur Verfügung stehen, ist jeder Meter auf Asphalt einer zu viel.
In Nauders schlängeln sich perfekte Trails mitten durch die Hochgebirgslandschaft. © Tirol Werbung / Sebastian Schels
Preis
Mittlerweile bietet die Region um die 30 Trails und verlangt für eine Tageskarte 44 Euro. Das ist ähnlich wie in anderen Bikeparks.
Außerdem sind die 3-Länder-Enduros-Trails in der Gravity Card beinhaltet.
Fazit: Liebe auf den ersten Blick
Perfekte, naturbelassene Trails inmitten atemberaubend schöner Hochgebirgslandschaft – ich hab mich Hals über Kopf in Nauders verliebt und es zu meinem Lieblingsspot in Tirol erkoren. Vielleicht nicht die beste Ansage in Folge 1 der Locationcheck-Serie, aber ich lasse mich ja gerne positiv überraschen. Was mich persönlich am 3-Länder-Enduro am meisten reizt, ist das Gefühl, den Berg für sich allein zu haben, ohne dafür auf tolle Trail-Infrastruktur verzichten zu müssen. Das weitläufige Gebiet und die unglaubliche Vielzahl an Trails machen es möglich.