Überblick zu über 80 Klettersteigen plus wertvolle Sicherheitstipps.
Klettersteigbau in Tirol: Ein Blick hinter die Kulissen der Felsarbeit
Der Klettersteigbau kann beginnen
Schwungvoll wirft Ewald die Benzinbohrmaschine an, ein Geräusch wie ein startender Rasenmäher, Rauchwolke inklusive. Setzt den 22mm-Stahlbohrer gefühlvoll am Granit an, justiert kurz nach, ein Geräusch wie beim Weltuntergang. Dass Alex ein paar Meter daneben mit der Flex funkensprühend einen Stahltritt bearbeitet, passt nur allzu gut in die Szene. Man könnte meinen, man sei auf einer Großbaustelle gelandet, würden die Bauarbeiter nicht an zwei Seilen gesichert mitten in einer Felswand hängen. Ewald Holzknecht und Alex Riml sind zwei der versiertesten Klettersteigbauer Tirols, und hier, unweit des Piburger Sees im vorderen Ötztal, entsteht ihr neuestes Werk: ein leichter Übungsklettersteig im Schwierigkeitsgrad A.
Ewald Holzknecht und Alex Riml richten den neuen Klettersteig am Piburger See ein
Wir werfen einen Blick in den Klettersteig-Baukasten
Ewald und Alex an ihrem Arbeitsplatz
„Ideal für die ersten Versuche in der Vertikalen“, sagt Alex, „und ideal für uns als Bergführer, um den Leuten die notwendige Technik für größere Unternehmungen näherzubringen“. Kurzer Zustieg, feine Lage, perfekt gewartet – die neue Via Ferrata bei Piburg ist eine von über hundert ihrer Art in ganz Tirol, allesamt öffentlich zugänglich und kostenfrei zu nutzen. er Klettersteigsport boomt in Tirol. Doch wie viel Arbeit steckt in einem solchen Steig? Wer sind die Menschen hinter der Bohrmaschine?
Bohren gegen die Bürokratie
Wo also fängt ein neuer Klettersteig an? Beim ersten Bohrloch oder mit einem Formular auf der Bezirkshauptmannschaft? „Vor 30 Jahren haben mein Vater und mein Onkel den ersten Klettersteig im Tal eröffnet, den Lehner Wasserfall. Ein bisschen mithelfen hab ich schon dürfen. Damals ist nicht lang gefragt worden, und bald hat es dann geheißen: ‚Wie kann man sowas nur einbohren? Das interessiert doch keinen!‘. Und schau mal heut auffi zum Wasserfall, wie viel da jeden Tag Leut‘ gehen!“
Die Herausforderung beginnt oft bei der Bürokratie. „Vor 30 Jahren hat mein Vater den ersten Klettersteig eröffnet. Damals war es einfacher“, erinnert sich Ewald. Heute sind Potentialanalysen, Genehmigungen und Umweltauflagen nötig. „Die Bürokratie!“, antworten Alex und Ewald, als man sie nach dem größten Aufwand fragt. Bemerkenswert für eine Arbeit, die so viel an Erfahrung und Expertise benötigt, dass sie nur von einer Hand voll Profis in ganz Tirol angeboten werden kann.
Ewald setzt in exponiertem Gelände die Bohrmaschine an
Neue Tritte und Griffe entstehen
Vor dem Bohren muss aber zunächst das Bürokratische geklärt sein
Die Kunst der gelungenen Linie
Gut und gerne ein ganzes Jahr und bis zu einem Drittel der Gesamtkosten kann der Bürokratieprozess in Anspruch nehmen. Ist die Zettelwirtschaft aber erstmal erledigt, folgt der kreative Teil der Errichtung: Die ideale Linienfindung, „die Kunst an der ganzen Geschichte. So ein Seil runterbohren, das kann ja jeder, aber einen Steig wirklich interessant zu machen, da brauchst du eben Fingerspitzengefühl und Erfahrung“, weiß Alex. Erfahrung mit dem Element Fels: Deshalb sind auch meist Bergführer mit dem Bau beauftragt, nur wer selber Kletterer ist kann auch ein gutes Gespür entwickeln. Die natürlichen Strukturen der Wand wie Bänder oder Risse sollen bestmöglich ausgenutzt werden; „Durch die Wand schwindeln“ nennt das Alex, nur so ergibt sich am Ende ein ästhetischer Steig, der in der Natur möglichst wenig auffällt und gleichzeitig die Sportler fordert.
Ewald erklärt: „Der Auftraggeber gibt die Grundausrichtung vor.“ Familienklettersteig oder sportlich? In Tirol sind meistens Tourismusverbände die Auftraggeber, die auch für die Kosten aufkommen. Das Preisniveau bewegt sich hier schnell in Sphären eines neuen Mittelklasse-SUV’s. Dazu kommen laufende Kosten für Wartung und Reparaturen, das Anlegen der Zu- und Abstiege, die Infrastruktur wie zum Beispiel Toiletten und Infotafeln mit den Topos. Insgesamt ein ziemlicher Luxus, so ein Klettersteig.
„Aber als allererstes muss sowieso mal die Wand gesäubert werden“, sagt Ewald und setzt den Bohrer für das nächste Loch an. Lose Schuppen müssen abgeräumt, Moos und Erde aus der Wand entfernt werden, allein das grobe Putzen der Linie kann mehrere Tage Arbeit bedeuten. Und dass es sich dabei um körperliche Schwerstarbeit handelt, lässt sich nicht zuletzt an Ewald‘s und Alex‘ imposanten Bizepsumfang ablesen. Ganze Tage lang im Gurt hängen, bierkistenschwere Bohrmaschinen an die Wand pressen, ein 70 Kilogramm schweres Stahlseil schleppen – „durchaus einige Bergführer, die mal aushalfen, haben schon nach ein oder zwei Tagen aufgegeben, mit dem Kommentar ‚nie mehr wieder‘. Sein tuats scho a wilder T‘schach“, drückt es Alex auf gut Ötztalerisch aus. Man muss einem wie ihm einfach kompromisslos glauben.
Die Kunst der gelungenen Linie
Vom Klettersteig hat man einen schönen Blick auf den Piburger See
Am Ende ist der Bau eines Klettersteigs Teamarbeit, und jeder Schritt, vom Bohren bis zum Kleben, erfordert Präzision und Erfahrung. So entsteht ein Klettersteig, Loch für Loch.
Zu den Personen
Alexander Riml: Der Bergführer aus Tumpen im Ötztal ist neben Canyoning- und Raftingguide auch Ausbildner für Industriekletterer und Höhenarbeiter sowie Ausbildner für alle Fachbereiche bei der Tiroler Bergrettung. Kurz: Experte für so ziemlich alles, was mit Bergen zu tun hat. Mehr unter www.activsport-alpin.at
Ewald Holzknecht: Seit 2005 Berg- und Skiführer und die sicherheitstechnische Instanz im Ötztal. Hat in Längenfeld einen Hochseilparcours errichtet und ist sommers wie winters ausgedehnt in den heimischen Bergen unterwegs. alpin-guide.at