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Simon Leitner

Turnier mit Tradition

Aktualisiert am 27.06.2023 in Sport

Vom 29. Juli bis zum 5. August 2023 wird in Kitzbühel wieder Tennis auf höchstem Niveau gespielt. Wir tauchen in die Entwicklung und Historie des heutigen Generali Open ein.

Die meisten Sportfans verbinden Kitzbühel wohl in erster Linie mit dem legendären Skirennen auf dem Hahnenkamm. Mit dem jährlich ausgetragenen Generali Open gibt es in der Stadt auch im Sommer ein echtes sportliches Highlight: Als fixer Bestandteil der ATP Tour lockt das Tennisturnier jedes Jahr aufs Neue sowohl etablierte Sandplatzspieler als auch junge Talente nach Kitzbühel. Die Anfänge der Veranstaltung gehen auf die Nachkriegszeit zurück – damit gilt das Generali Open als eines der traditionsreichsten Tennisturniere Europas.

Lange Geschichte

Entstanden ist der Wettkampf 1945 als sogenannter Alpenländerpokal, wie Alexander Russegger, der im Auftrag des Kitzbüheler Tennisclubs (KTC) die Geschichte des Turniers aufarbeitete, erklärt. Treibende Kraft sei dabei ein gebürtiger Innsbrucker namens Walter Föger gewesen – ein begeisterter Tennisspieler, der damals zwei amerikanische Soldaten bei einer Partie Tennis vor einem Kitzbüheler Hotel angetroffen und spontan gefragt habe, ob er nicht mitspielen dürfe. „Föger hat sich damit über das zu jener Zeit herrschende Fraternisierungsverbot, das den Kontakt zwischen Einheimischen und den Besatzungsmächten untersagte, hinweggesetzt“, erläutert Russegger. „Doch die Amerikaner waren froh um einen zusätzlichen Partner, und Föger hat sich fast täglich mit ihnen auf dem Platz getroffen.“

Kurze Zeit später jedoch übergaben die amerikanischen Streitkräfte das Unterland an die Franzosen und rückten nach Salzburg ab, wodurch Föger seine Tennispartner verlor. Um diesen Verlust zu kompensieren, beschloss er kurzerhand, ein Tennisturnier ins Leben zu rufen – den allerersten Alpenländerpokal. „Interessant ist, dass die Amerikaner damals schon nicht mehr in Tirol waren, aber trotzdem extra zum Turnier angereist sind“, so Russegger. Sie stellten dann auch den Sieger: Ein Soldat namens John Dennis setzte sich im Finale gegen den Deutsch-Rumänen Horst von Benedek durch. Föger selbst wurde Dritter.

Walter Föger traf sich unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig mit amerikanischen Soldaten zum Tennisspielen., © Archiv Generali Open KitzbühelWalter Föger traf sich unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig mit amerikanischen Soldaten zum Tennisspielen. © Archiv Generali Open Kitzbühel

Die Organisation des Wettkampfs gestaltete sich damals als überaus schwierig, schließlich lag der Zweite Weltkrieg erst wenige Monate zurück. Die benötigten Sportgeräte und Gerätschaften mussten erst mühsam zusammengetragen werden, wobei Fögers Familie zum Teil auch selbst Hand anlegte, und zwar buchstäblich: Während etwa die Schwester Fögers eigens nach Salzburg reiste, um drei Tennisbälle zu besorgen, häkelte seine Mutter in mühevoller Kleinarbeit ein improvisiertes Netz. Auch im Hinblick auf Schläger war man auf das angewiesen, was im Ort vorhanden war – man musste nehmen, was man kriegen konnte. Ein Jahr später organisierte Föger das Turnier erneut, dann zog er jedoch aus Kitzbühel weg und war fortan nur noch als Spieler mit dabei.

Obwohl der Alpenländerpokal in gewissem Sinne als Vorläufer des heutigen Generali Open angesehen wird, könnten die eigentlichen Ursprünge noch um einiges weiter zurückreichen. Das legen zumindest Dokumente nahe, die sich im Archiv des KTC befinden, etwa ein Originalraster aus dem Jahr 1912, auf dem „8. Lawn-Tennis-Turnier“ vermerkt ist. Aufgrund solcher Unterlagen geht man in Kitzbühel davon aus, dass es bereits um 1900 internationale Turniere mit zahlendem Publikum in der Stadt gegeben hat. „Da die Zeugnisse aus jener Zeit jedoch insgesamt nur recht spärlich vorhanden bzw. noch nicht gänzlich erforscht sind, lassen sich keine gesicherten Schlüsse daraus ziehen", erklärt Russegger.

Fest steht jedenfalls, dass der Alpenländerpokal von Beginn an ein Turnier mit internationaler Besetzung war und damit für die heimischen Tennisasse die Gelegenheit bot, sich mit anderen – vornehmlich europäischen – Topspielern zu messen. Schon seit den Anfangsjahren fanden zudem immer wieder Länderwettkämpfe statt. Einer der am besten besetzten in jüngerer Vergangenheit war jener zwischen Österreich und Deutschland im Jahr 2010, bei dem unter anderem Thomas Muster (Comeback nach seinem Rücktritt 1999) und Boris Becker (Kurz-Comeback für diesen Länderkampf nach seinem Rücktritt 1999) jeweils für ihr Team antraten.

Mit Dominic Thiems Sieg 2019 gewinnt erstmals seit Thomas Muster (1993) wieder ein österreichischer Tennisspieler das Turnier., © GEPAMit Dominic Thiems Sieg 2019 gewinnt erstmals seit Thomas Muster (1993) wieder ein österreichischer Tennisspieler das Turnier. © GEPA

Auf und ab

Im Lauf der Zeit hat der ursprüngliche Alpenländerpokal einige Entwicklungen durchgemacht. So hat sich etwa der Name des Wettkampfs in der Vergangenheit mehrfach geändert, vom Alpenländerpokal zum Head Cup und schließlich zum Generali Open. Unabhängig von der Bezeichnung war die Veranstaltung in Kitzbühel aber lange ein Fixtermin auf der ATP Tour (bzw. deren Vorgänger, dem Grand Prix) – 1997 wurde es von den Spielern sogar zum besten Turnier der World Series gewählt.

2009 gab es allerdings einen Rückschlag für die Organisatoren: Im Zuge einer Reform der ATP, die mit einer Reduktion der Turniere bei gleichzeitiger Erhöhung der Preisgelder einherging, und des damit zusammenhängenden Verlusts der zur Ausrichtung nötigen Lizenz musste man sich neu orientieren. 2010 wurde deshalb – mit dem bereits erwähnten Länderwettkampf zwischen Österreich und Deutschland – ein Challenger-Turnier ausgetragen, das eine Stufe unter den großen ATP-Turnieren anzusiedeln ist.

„Aus finanzieller Sicht war das Challenger-Turnier ein absolutes Desaster“, erinnert sich Markus Bodner, der seit 2010 gemeinsam mit Herbert Günther als Veranstalter des Generali Open fungiert. Deswegen habe man, als man im Herbst desselben Jahres eine neue Lizenz angeboten bekam, erst mal etwas Bedenkzeit gebraucht. „Die Entscheidung war nicht leicht, schließlich hatten wir gerade erst einen Haufen Schulden gemacht. Aber dann haben wir mithilfe eines Sponsors quasi im letzten Moment das nötige Geld aufgetrieben und das Turnier seit damals gewissermaßen wieder von Grund auf aufgebaut“, so Bodner.

Das Jahr 2010 war jedoch auch in einer anderen Hinsicht wegweisend für das heutige Generali Open: Beim Challenger-Turnier spielte nämlich zum ersten Mal der damals 16jährige Dominic Thiem mit. Er sollte später einer der besten Spieler der Welt werden. „Wir hatten damals noch eine Wildcard übrig, also haben wir Dominics Coach Günter Bresnik angerufen und ihn gefragt, ob Dominic seiner Meinung nach schon bereit für ein Turnier dieses Kalibers sei“, erzählt Bodner. „Seitdem haben wir einen guten Kontakt zu den beiden.“ Das beweist unter anderem der Umstand, dass Thiem regelmäßig in Kitzbühel spielt und damit seit einigen Jahren das Aushängeschild des Generali Open ist. 

Manuel Orantes (ESP), Turniersieger 1976, © Archiv Generali Open KitzbühelManuel Orantes (ESP), Turniersieger 1976 © Archiv Generali Open Kitzbühel

Siegerehrung zwischen 80er und 90er Jahre, © Archiv Generali Open KitzbühelSiegerehrung zwischen 80er und 90er Jahre © Archiv Generali Open Kitzbühel

Branding in den 50er Jahren, © Archiv Generali Open KitzbühelBranding in den 50er Jahren © Archiv Generali Open Kitzbühel

Das Kitzbüheler Tennisstadion in den 80er Jahren., © Archiv Generali Open KitzbühelDas Kitzbüheler Tennisstadion in den 80er Jahren. © Archiv Generali Open Kitzbühel

Pete Sampras (USA), einer der bekannteste Turniersieger, © Archiv Generali Open KitzbühelPete Sampras (USA), einer der bekannteste Turniersieger © Archiv Generali Open Kitzbühel

Weltklasse in Kitzbühel

Rod Laver, Casper Ruud, Ivan Lendl, Boris Becker, Thomas Muster oder eben auch Dominic Thiem: Das sind nur einige der großen Namen im Tennis, die über die Jahre in Kitzbühel aufgeschlagen haben. Das Niveau ist stets hoch und ein Sieg in Kitzbühel auch für gestandene Profis kein Selbstläufer.

Besonders schmerzlich erfahren musste dies Boris Becker, der 1985 als Wimbledon-Sieger nach Tirol anreiste und sich bereits in der ersten Runde dem Uruguayer Diego Pérez geschlagen geben musste – und das gewissermaßen gleich zweimal, wie Bodner erzählt: „Die Umstände damals sind Becker nicht wirklich entgegengekommen. Die Begegnung fand am Abend statt, es nieselte ununterbrochen und der Boden war feucht, weshalb Becker seine Stärken als Serve-and-Volleyspieler nicht ausspielen konnte.“ Der Deutsche hatte massive Probleme gegen Pérez, bis das Match (offiziell aufgrund der äußeren Gegebenheiten) abgebrochen und auf den nächsten Tag verlegt wurde – sehr zum Missfallen des Publikums. „Die Zuschauer sind ausgeflippt und haben sogar Gegenstände auf den Platz geworfen, es war wirklich ein Skandalspiel“, berichtet Bodner. „Doch Becker hat am nächsten Tag trotzdem ganz klar verloren.“

Turnier mit Tradition, © Archiv Generali Open Kitzbühel © Archiv Generali Open Kitzbühel

Turnier mit Tradition, © Archiv Generali Open Kitzbühel © Archiv Generali Open Kitzbühel

Auch wenn das Turnier im Vergleich zu den 50ern und 60ern, als die Weltelite regelmäßig in Kitzbühel zu Gast war, nicht mehr zu den ganz großen im Tennisgeschäft zählt, übt es doch noch eine starke Anziehung auf viele Athleten aus. Ein Grund dafür ist die lange Tradition, ein anderer das Umfeld: Im Gegensatz zu manch anderem Turnier liegt in Kitzbühel nämlich alles nahe beisammen, die Spieler können das Stadion meist locker zu Fuß erreichen und auch abseits des Tennisgeschehens einiges erleben. Das macht es vor allem bei jenen europäischen Spielern beliebt, die eine Turnierteilnahme gerne auch mit einem Familienurlaub in der Region verbinden.

„Die Stimmung bei den Matches ist jedenfalls erstklassig" meint Bodner: „Ganz egal, wer nun letztendlich auf dem Platz steht."

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Simon Leitner kam zum Studieren nach Innsbruck und ist anschließend gleich dort geblieben. Er schreibt für seinen Lebensunterhalt (regelmäßig), aber auch zum Vergnügen (manchmal) und verbringt seine Freizeit vornehmlich mit Büchern und seinen Katzen.

Simon Leitner
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