Der Bürgermeisterlift von Navis
Fotos: Bert Heinzlmeier
Stop! Der Schlagbaum ist geschlossen, zwei Buben auf Skiern zischen vorbei. Auf der Gemeindestraße von Navis haben die Wintersportler Vorrang. Der Balken geht hoch und das wartende Auto darf passieren. Es ist wohl die ungewöhnlichste Kreuzung Tirols. „Das System ist absolut sicher. Es gibt einen Notknopf, um die Anlage auszuschalten“, erklärt der Gemeindepolitiker Vinzenz Gebauer.
Video: Vinzenz Gebauer erklärt, wie die ungewöhnlichste Kreuzung Tirols funktioniert.
Skilift als Bürgerservice
Endlose Pistenkilometer, beheizte Liftsessel, Bergrestaurants: All das sucht man im Skigebiet von Navis vergeblich. Im Volksmund nennt man derartige Liftanlagen „Bürgermeisterlift“, da sie von der Gemeindeverwaltung betrieben werden. Ihr Ziel ist nicht der finanzielle Gewinn, sondern den ortsansässigen Kindern das Skifahren zu ermöglichen. Viele Tiroler haben das Skifahren an einem Dorflift erlernt und selbst manche Profi-Karriere nahm am Schlepplift ihren Anfang.
Am Bürgermeisterlift gibt es Skivergnügen für kleines Geld.
Punktekarte: Jede Liftfahrt wird mit einer Schaffnerzange „abgezwickt“.
Ich kenne alle Kinder und die Eltern können sie ohne Sorgen bei uns lassen.
„Ohne den Lift müssten die Leute weit weg bis nach Steinach fahren“, sagt der Betriebsleiter Friedl Peer. Die Preise am Grünberglift sind sehr moderat. Für den Ski-Nachwuchs schlägt die Saisonkarte mit 25 Euro zu Buche und ein 10er Block für Erwachsene ist um 8 Euro zu haben. An diesem vorweihnachtlichen Nachmittag steht das halbe Dorf am Schlepplift Schlange und Peer begrüßt viele Wintersportler mit Namen. „Ich kenne auch alle Kinder und die Eltern können sie ohne Sorgen bei uns lassen.“ Die Kids genießen sichtlich die große Freiheit am kleinen Lift. Heute müssen die Hausaufgaben warten, jetzt werden erst einmal Sprungschanzen gebaut.
Die Kinder genießen die große Freiheit am kleinen Lift.
Bürgermeisterlifte
Bei einem „Bürgermeisterlift“ kümmert sich die Gemeindeverwaltung um den Erhalt eines – meist in die Jahre gekommenen – Schlepplifts. Dadurch soll der Jugend der Einstieg in den Wintersport ermöglicht und die Gemeinde als Wohnort aufgewertet werden. Manche Kleinlifte werden auch von Tourismusverbänden, Bürgerinitiativen oder Skigebieten getragen. Die Anlagen stehen allen Gästen offen, sind aber nur selten im Internet auffindbar.
Ein Lift macht Mittagspause
Die Schicht von Friedl Peer und seinen beiden Kollegen dauert von 9 bis 16 Uhr, zur Mittagszeit steht der Lift für eine Stunde still. „Dann gehen wir zum Essen nach Hause und die Skifahrer auch“, schmunzelt der Betriebsleiter. Da es bis heute keine EDV-Erfassung gibt, weiß niemand so genau, wie viele Wintersportler den Grünberglift nutzen. Besonders in den Schulferien und an den Nachmittagen ist die Nachfrage jedoch groß. Geöffnet ist der Lift je nach Schneelage zwischen 70 und 100 Tage pro Saison.
Baujahr 1960
Der Grünberglift
Baujahr: 1960
Länge: 700 Meter
Stationen: 3
Bügel: 36
Antrieb: Deutz 6-Zylinder
Pferdestärken: 42
Mitarbeiter: 3
Deutz 6-Zylinder Diesel-Motor.
Der Dinosaurier unter den Liften
Als die Anlage 1970 in Navis errichtet wurde, hatte sie bereits zehn Jahre auf dem Buckel. Mit seinem 6-Zylinder-Diesel-Motor und dem Antrieb an der Talstation ist der Grünberglift einer der letzten seiner Art. „Sowas gibt es eigentlich nicht mehr. Die Herstellerfirma ist auch darauf erpicht, dass wir ihn so lange wie möglich am Leben erhalten“, sagt Vinzenz Gebauer. Doch Reparaturen und Instandhaltung sind teuer, die Tiroler Landesregierung gewährt deshalb Zuschüsse für Kleinst-Skigebiete. Zumindest für die nächsten fünf Jahre ist der Betrieb in Navis gesichert, danach muss wieder im Gemeinderat diskutiert werden.
Audio: Vinzenz Gebauer über die Geschichte des Grünbergliftes
Ca. 25.000 Kartenbänder sind noch übrig.
Plötzlich gab es keine Kartenbänder mehr zu kaufen.
Der Ausflug nach Navis ist wie eine Zeitreise ins Tirol der 80er Jahre. Wie anno dazumal zwickt Friedl Peer jede Liftfahrt mit einer Zange ab. Ein wichtiges Accessoire dafür ist das Gummiband, mit dem man die Punktekarte an die Skijacke hängt. „Als alle großen Skigebiete auf kontaktlose Liftschranken umgestellt haben, gab es plötzlich keine Kartenbänder mehr zu kaufen“, erinnert sich Vinzenz Gebauer. Im Nachbar-Skigebiet in Matrei wurde er schließlich fündig. „Ich habe der Junior-Chefin von unserem Problem erzählt und sie hat gesagt: Bitte nehmt alle unsere Bänder mit, wir müssten sie sonst entsorgen. Wir haben dann an die 25.000 Gummibänder bekommen“, erzählt der Gemeindepolitiker. Dieser Vorrat sollte für die nächsten Jahrzehnte reichen. Bleibt nur zu hoffen, dass der Grünberglift noch so lange erhalten bleibt.