25 Grad nach außen – Besuch in der Werkstatt eines Tiroler Rodelbauers
Text: Klaus Erler
Viele Jahre im gleichen Handwerk könnten einen eigentlich müde machen, abgeklärt zumindest oder etwas behäbig. Trifft man Bernhard Lederwasch, den Chef der weit über die Tiroler Landesgrenzen hinaus bekannten Rodelmanufaktur „Gallzeiner Rodeln“, bekommt man ein gänzlich anderes Bild: In seiner kleinen Werkstatt in Buch bei Jenbach ist der Chef des Familienbetriebs, in dem auch seine Frau und sein Sohn Philipp mitarbeiten, aufgeregt am Werken. Mit Verve und voller Leidenschaft baut er seine traditionsreichen Sportgeräte aus massivem Holz, während das Sirren längst abbezahlter Maschinen durch die kleinen Räume dringt und der für holzverarbeitende Betriebe typische Geruch vom gerade bearbeiteten Werkstoff in der Luft liegt.
Traditionelles Handwerk: In der Gallzeiner-Werkstatt wird heute so gearbeitet wie vor 40 Jahren.
Perfektion bis ins Detail
Bevor man ihn noch zu den Details der Firmengeschichte, zur Firmenphilosophie und zum schon seit Jahren stetig anwachsenden Tiroler Rodelboom befragen kann, ist Lederwasch schon mittendrin in der Materie, im Erzählen. Mit Freude erklärt er, welche Hölzer für den Rodelbau besonders geeignet sind, präsentiert die von Jahr zu Jahr verfeinerten Konstruktionstechniken und vermittelt damit in einem spontanen Crashkurs die wichtigsten Themen der Rodelherstellung. Um den richtigen Kufenwinkel (rund 25 Grad nach außen) geht es da genauso wie um den geeigneten Gleitstahl (ein Geheimnis), seine richtige Behandlung mit Rennwachs (ebenfalls ein Geheimnis), den Sitzbezug, der im Lendenwirbelbereich gepolstert ist und schließlich und vor allem um eines: das tischlerische Können, das man braucht, um auch die kleinen, aber wichtigen Details perfekt ausarbeiten zu können.
Bernhard und Helga Lederwasch bei einer kurzen Pause.
Zur Gallzeiner-Philosophie gehört auch, die Rodeln diesseits und jenseits der 400-Euro-Grenze genau an die Größe der Kundschaft anzupassen. Später wird sich diese Genauigkeit bezahlt machen, dann, wenn aus vielen Einzelteilen ein einzigartiges Sportgerät entstanden ist, das sich wie auf Schienen um vereiste Kurven zirkeln lässt.
Bewusst kein Hype
Und hier ist Lederwasch schließlich doch im Kern der Firmenphilosophie angekommen: Es geht um Handschlagqualität und die Zufriedenheit der Rodel-Fans. Die ist Lederwasch so wichtig, dass er ihr stetiges Firmenwachstum und steil nach oben steigende Verkaufszahlen opfert. Nur wenn seine Firma eine gewisse Größe nicht überschreitet, bleibt ihm Zeit. Die benötigt er, um das Beste aus seiner Handarbeit herauszuholen und Rodel-Begeisterten auch lange nach dem Kauf weiter zu betreuen. Deshalb werden aus den Angeboten großer Sportketten keine Geschäftsbeziehungen, deshalb werden aus den Berichten deutscher Fernsehanstalten keine Hypes, deshalb werden keine weiteren Angestellte eingestellt. Und deshalb ist eine Gallzeiner Rodel, was sie ist: ein von Kennern geschätztes Handwerksstück.
Das einzige Zugeständnis, das Bernhard Lederwasch im vergangenen Jahr an den Erfolg machte, war der Neubau der Werkstatt. Dabei ging es nicht darum, die Produktionszahlen zu steigern: Mehr als die derzeit gebauten rund 900 Rodeln pro Saison kann der Familienbetrieb so oder so kaum herstellen. Von Oktober bis Dezember sind Wartezeiten von acht Wochen für eine Rodel keine Seltenheit.
Bei den meisten Gallzeiner-Modellen können künftige Rodel-Fans Holz und Sitzbezug je nach Geschmack wählen.
Die neue Werkstatt hat nur den einen Zweck, mehr Platz zum Arbeiten zur Verfügung zu stellen. Stolz ist Lederwasch dabei auf den eigenen Showroom, der an die Werkstatt angeschlossen ist. Hier findet man die wichtigsten Gallzeiner-Modelle ausgestellt: Das Volumenmodell „Klassischer Einsitzer 22 Grad“, ein anfängertauglicher, leichter und wendiger Allrounder. Oder die Rennrodel „Elite WR Professionell“, die in jedem Fall an die Körpermaße des Besitzers angepasst wird und sich dann beinahe konkurrenzlos schnell fahren lässt. Wie bei fast allen Gallzeiner-Modellen kann der künftige Rodel-Fan Holz und Sitzbezug nach seinem Geschmack wählen.
Außenansicht des Verkaufsraums.
Wer eine hat, bleibt dabei
Keine Geschmacksache ist die Beweglichkeit der Gallzeiner-Konstruktion, die beste Kurvenkontrolle garantiert. Wer eine Rodel aus dem Unterinntal deshalb auf gut Tirolerisch als „lattrig“ – also ungenau und schlecht zusammengebaut – wahrnimmt, hat das Wesen dieser Rodel nicht verstanden. Wäre sie steif wie viele der Kaufhausrodeln, ließe sie sich nur schwer lenken. Ihre Weichheit ist auch kein Indiz für mangelnde Qualität. Bernhard Lederwasch bekommt jede Saison Rodeln zum Service, die noch aus der Schaffenszeit des Firmengründers – seines Schwiegervaters – stammen. Bis zu 40 Jahre haben diese Ur-Gallzeiner auf dem hölzernen Buckel und sind dennoch meist gut in Schuss. Sie werden mit viel Liebe und ohne Blick auf die Uhr wieder aufgerichtet: Ein Luxus, den sich Bernhard Lederwasch mit Freude gönnt und der sich schlussendlich auch bezahlt macht: Zufriedene Kundschaft sind künftige Kundschaften – wer eine Gallzeiner Rodel besitzt, der bleibt dabei.
Tiroler Rodelhersteller
- Fluckinger Rodeln, A-6336 Langkampfen, www.fluckinger-rodeln.at
- Gallzeiner Rodelerzeugung, A-6200 Buch bei Jenbach, www.gallzeiner-rodel.at
- Kathrein Rodel GmbH, A-6522 Prutz, www.rodel.at
- Gasser Rodel GesmbH, A-6143 Mühlbachl, www.gasserrodel.at