Von Riesen, Königen und Ungeheuern: Die 10 beliebtesten Tiroler Sagen
Sagen handeln von wundersamen Geschehnissen in Tirol und werden von Generation zu Generation weitererzählt. Sagenkundige sind von ihrem Wahrheitsgehalt überzeugt, so ungeheuerlich die Geschichten auch klingen mögen. Zumindest ein Fünkchen Wahrheit mag wohl in so mancher Sage stecken. Wir haben die 10 bekanntesten Erzählungen Tirols für euch zusammengetragen.
1. Das Kasermandl
Das Kasermandl als Relief. Es gibt aber wohl Schlimmeres, als im Winter auf der schönen Umbrüggler Alm hausen zu müssen. © Christina Schwemberger
Oberhalb von Innsbruck auf der alten Umbrüggler Alm soll einst ein verschwenderischer Senner gelebt haben, der etwa Butterkugeln zum Kegeln missbraucht haben soll. Die Strafe für die Prasserei folgte nach seinem Tod. Der Geist des Senners wurde dazu verdammt, jeden Winter auf verschiedenen Hütten Tirols als Kasermandl zu hausen. Der kleine Waldgeist kann sehr boshaft werden, wenn man ihn reizt. Zugleich soll aber auch Gutes in ihm schlummern: Eine arme Magd war von ihrem Bauern mitten in der Nacht auf die Wattener Alm geschickt worden, um das gefürchtete Kasermandl auszuspionieren. Als Belohnung war der Gehilfin eine Kuh versprochen worden. Aber nachdem die Magd heil zurückgekehrt war, wollte der Bauer sein nicht Wort halten. Plötzlich starb jeden Tag eine Kuh in seinem Stall, bis der Bauer sein Versprechen einlösen musste.
2. Die versteinerte Frau Hitt
Ein Gipfel oder eine Riesenkönigin auf ihrem Pferd? Foto: www.almenrausch.at
Diesen Gipfel auf der Nordkette kennen alle Tirol-Fans, ist er doch ein Innsbrucker Wahrzeichen. Glaubt man der gleichnamigen Sage, handelt es sich um eine versteinerte Frau auf ihrem Pferd. Die Riesenkönigin soll vor vielen Jahren über das Land geherrscht haben, kaltherzig und selbstverliebt gewesen sein. Es gibt verschiedene Versionen, warum die Unglückliche zum Felsen wurde. Am weitesten verbreitet ist die Annahme, dass sie einer Bettlerin anstelle von Brot ein Stück Stein zum Essen gegeben haben soll. Der Fluch der Bettlerin als Reaktion auf ihre Tat soll die Königin samt Pferd auf ewige Zeiten in einen Stein verwandelt haben.
3. Der Riesenkönig Serles
Ein Berg oder der Riesenkönig Serles mit seinem Gefolge? Foto: Tirol Werbung/Bernhard Aichner
Vor langer Zeit soll es den Riesen Serles im Stubaital gegeben haben. Seine Leidenschaft war das Jagen, allerdings auf eine sehr grausame Art. Er hatte Hunde, die nicht nur Wild, sondern auch wehrlose Schafe rissen. Eines Tages erschoss ein junger Schafhirte einen der Hunde des Riesenkönigs, nachdem dieser ein trächtiges Schaf getötet hatte. Der Zorn des Riesens war dem Hirten somit gewiss. Er hetzte die Hunde auf den wehrlosen Hirten, die ihn ebenso zerfleischten wie seine Schafe. Das blieb nicht ohne Folgen, ein gewaltiges Unwetter zog ins Land, welches stundenlang wütete. Als die Sonne sich wieder zeigte, war aus dem Riesen und seinem Gefolge ein Berg geworden. Man sieht König Serles in der Mitte, zu seiner Rechten seine Frau und zu seiner Linken seinen Berater. In Nächten mit viel Niederschlag soll bis heute das Kläffen von Hunden zu hören sein.
4. Die Teufelsmühle in Aldrans
Das Bildnis des Teufels erinnert noch heute an den vermeintlichen Erbauer der Mühle. © Claudia Waldbrunner
Ein armer Aldranser Bauer wollte einst eine Mühle bauen, ihm fehlte jedoch das nötige Geld. In seiner Not ging er einen Pakt mit dem Teufel ein, der ihm versprach, die Mühle für ihn zu errichten. Im Gegenzug würde der Teufel die Seele des Bauern bekommen. Der Bauer stellte eine Bedingung. Die Mühle müsste in einer Nacht fertig gestellt sein, ehe der Hahn am Morgen zum ersten Mal krähte. Der Teufel willigte ein und machte sich eifrig ans Werk. Die Mühle war bald aufgebaut. Den Mühlstein musste der Teufel aus dem Inntal holen, was sehr beschwerlich war und länger dauerte als gedacht. Als er fix und fertig mit dem Stein ankam, krähte der Hahn zum ersten Mal. Der Bauer gab dem Stein einen Stoß. Dieser rollte wieder ins Tal, der wütende Teufel hinterher. Der Bauer lachte sich ins Fäustchen und taufte seine neue Mühle „Teufelsmühle“.
5. Das versunkene Dorf im Achensee
Wer kann die Kirchenspitze erkennen? Foto: Tirol Werbung/Lisa Hörterer
Eine reiche Ortschaft soll dort gestanden haben, wo heute der Achensee liegt. Die Bewohner sollen stolz und ohne Mitleid für arme Menschen gewesen sein. Als eines Tages ein fremder, uralter Mann von Haus zu Haus ging, um Essen und eine Unterkunft zu erbeten, wurde er verspottet und verjagt. Der Alte ging bergwärts Richtung Oberautal bis zur Höhe des Fonsjochs und verfluchte das Dorf. Gewaltige Regenschauer und Sturzbäche ließen das Dorf in den Fluten für immer versinken. Der Alte legte sich zum Schlafen nieder, wo er heute noch schlafen soll. Jedes Frühjahr streckt und reckt er sich im Schlaf, was manchmal Lawinen verursachen soll. Sonntagskinder reines Herzens sollen an klaren Tagen die Kirchturmspitze des versunkenen Dorfes im See erkennen.
6. Die Saligen Fräulein
Die besonderen Schützlinge der Saligen Fräulein, die Gämsen. Vielleicht gibt es deshalb so viele davon in Tirol? © Patrick Centurioni
Hoch oben am Berg, tief in seinem Inneren, sollen sie zu Hause sein, die „Saligen Fräulein“. In verschiedenen Teilen Tirols, vor allem in Reutte und im Ötztal, sollen sie gesichtet worden sein. Es sind zauberhafte Wesen von zarter Gestalt, die den Menschen gut gesonnen sind, solange diese ihre Regeln beachten. Eine davon besagt, dass keiner Gämse Leid zugefügt werden darf. Ein reicher Jäger wusste nichts davon und verfolgte eines Tages einen Rudel Gämsen bis ins Hintereis im Ötztal. Die Tiere verschwanden in einem Felsspalt, der sich plötzlich unter lautem Getöse geöffnet hatte. Dem Jäger erschien eine schöne weibliche Gestalt mit goldenem Haar. Sie stellte sich als eine der drei Saligen Fräulein vor. Wenn der Jäger in Zukunft von diesem Ort und den Gämsen Abstand halten würde, könnte er glücklich im Tal weiterleben. Wenn nicht, dann würden sich die Saligen Fräulein fürchterlich an ihm rächen. Ein Jahr lang hielt sich der Jäger daran, danach ließ sein Jagdtrieb die Warnung vergessen. Er kehrte ins Hintereis zurück, um einen weißen Gamsbock zu schießen. Ein furchtbares Krachen kündigte das Loslösen von riesigen Schollen an, die ins Tal stürzten und alles verwüsteten. Noch heute sind im Ötztal Schutthalden zu sehen, die an die Rache der Saligen Fräulein erinnern.
7. Kaiser Max und die Martinswand
Heute für jeden leicht zu erreichen und auch wieder zu verlassen: die Kaiser-Max-Grotte in Zirl. Foto: www.almenrausch.at
Kaiser Maximlian I. war ein begeisterter Jäger und fröhnte seiner Leidenschaft besonders gerne in den Tiroler Wäldern. Bei der Martinswand in Zirl soll er eine Gemse in felsiges Gelände verfolgt haben, bis er weder vor noch zurück konnte. Da erschien ihm plötzlich ein Engel in Gestalt eines Bauern und geleitete ihm den Weg aus dieser prekären Lage und somit in sicheres Gebiet. Als er sich bedanken wollte, war der Bursche verschwunden. Heute erinnert ein Kreuz in der Kaiser-Max-Grotte an diese besondere Rettung.
8. Die Verliebten vom Berglsteinersee
Zwei Liebende auf ewig vereint oder nur zwei Felsbrocken? Foto: Tirol Werbung
Vor langer Zeit stand in der Nähe des Berglsteinersees zwischen Kramsach und Breitenbach das Schloss Guckenbühl. Die Tochter des Schlossherrens, wohl behütet und sehr geliebt von ihrem Vater, verliebte sich eines Tages in einen jungen Jäger aus einem ärmlichen Elternhaus. Da der Jäger die Liebe des Mädchens ebenso erwiderte, hielt dieser beim Schlossherren um die Hand seiner Tochter an. Dieser war erzürnt über die Dreistigkeit des Burschen, in seiner Lage seine geliebte Tochter heiraten zu wollen. Er jagte ihn nicht nur fort, sondern hetzte auch noch seine Hunde auf ihn. Um sich vor den scharfen Hunden zu retten, sprang der Jäger in den Berglsteinersee, wo er sich unglücklicherweise an einem Stein stieß und ertrank. Die Tochter des Schlossherren war von diesem Tag an nur noch traurig. Als sie eines Tages das Gesicht ihres Liebsten auf der Wasseroberfläche des Berglsteinersees spiegeln sah, ging sie zu ihm ins Wasser. Die zwei Felsbrocken, die aus dem Wasser ragen, soll eine Versteinerung der Liebenden sein.
9. Der Riese Haymon
Das Stift Wilten in Innsbruck, wirklich vom Riesen Haymon erbaut? Foto: Tirol Werbung/Bernhard Aichner
Er war ein Einwanderer aus der Schweiz und lebte im Inntal. Eines Tages tötete der Riese Haymon in einem Zweikampf den Riesen Tyrsus, was ihm sofort danach sehr leid tat. Zur Sühne wollte er ein Kloster am Eingang der Sillschlucht in Innsbruck erbauen. Mit zunächst wenig Erfolg, denn sein Bau wurde abends nach getaner Arbeit von einem mächtigen Drachen, der in der Sillschlucht lebte, immer wieder zerstört. Haymon besiegte den Drachen in einem furchtbaren Kampf und schnitt dem Untier die Zunge heraus. Haymon beendete den Bau des Klosters und lebte dort bis zu seinem Tod gottgefällig. Seine Gebeine samt Drachenzunge sollen unter dem Hochaltar der Stiftskirche begraben sein. Links vom Eingang der Stiftskirche Wilten steht die Statue des Riesen Haymons, rechts die von Tyrsus.
10. Die Weiße Hexe auf Schloss Matzen
Früher für Feinde unbezwingbar, heute ein schönes Ausflugsziel und Hotel: das Schloss Matzen in Reith im Alpbachtal. © Bernhard Aichner
In der Zeit, als die bayrischen Ritter in Tirol eingefallen waren, lebte eine fromme Magd auf Schloss Matzen in Reith im Alpbachtal. Die Frau hatte hellseherische Fähigkeiten und wurde daher als „Weiße Hexe“ bezeichnet. Der Burgherr fragte die Magd um Rat, denn er wusste, dass er einen Kampf gegen die Invasoren nicht durchstehen würde. Die feindlichen Krieger waren bereits sehr nah und hatten schon Rattenberg in ihren Händen. Der Rat der weißen Hexe war einfach: Der Burgherr sollte gar nichts tun, nur abwarten, nach drei Tagen würden sich die Rittersleute wieder zurückziehen. So geschah es auch. Als Dankeschön erhielt die Magd ein lebenslanges Bleiberecht auf dem Schloss. Für die Zeit nach ihrem Tod sagte die Helleseherin eine weitere Invasion aus Bayern voraus. Mit heißem Pech, das jeden Tag auf die Angreifer gegossen werden sollte, würden die Tiroler die Eindringlinge nach sieben Tagen für immer vertreiben. Die Verteidigung gelang. „Matzen ist nicht zu nehmen,“ sollen die Bayern gesagt haben, bevor sie für immer von dannen gezogen waren.