Teufel, Krampusse und Perchten in Tirol
„Peaschtl“ in Rattenberg. © Lea Neuhauser
Glocken, Gänsehaut und finstere Gestalten. So beginnt der Winter in Tirol. Die Krampusläufe blicken auf eine jahrhundertealte Geschichte zurück und sind heute so beliebt wie nie zuvor.
BAM-BAM. BADA-BADA-BAM. Es ist ein schauriger Rhythmus, der Anfang Dezember durch die Region um Rattenberg hallt. Bei den Kindern sorgt das für Herzklopfen und Erwachsene freuen sich auf den „Hexentanz“ am Abend. Doch so wild diese Gesellen auch aussehen: Rutenschläge und ähnliche Scharmützel interessieren sie kaum. Die „Peaschtl“ aus dem Tiroler Unterland konzentrieren sich lieber auf ihre ausrangierten Benzintanks, auf denen sie wilde Trommeleinlagen zum Besten geben. Eine von vielen Ausprägungen eines uralten Brauches im Alpenraum.
Videomaterial: Alex Lutz/Perchtenpass Reith & David Knörnschild/Seidä Pass
Komplexe Geschichte
Was hat es mit dem teuflischen Treiben auf sich? „Die Ursprünge sind komplex“, sagt Karl C. Berger, der Leiter des Tiroler Volkskunstmuseums. „Einerseits ist der Krampus der wilde Begleiter des heiligen Nikolaus. Er war fixer Bestandteil der Nikolausspiele der Gegenreformation. Der Krampus hatte eine erzieherische Funktion und die Theateraufführungen sollten die Menschen wieder auf den richtigen, katholischen Weg führen“.
Darüber hinaus gibt es in den Alpen aber auch die alte Sagengestalt der „Perchta“. Als Figur ist sie im Spätmittelalter im Zusammenhang mit dem Fest der Erscheinung des Herren entstanden. Teile der Sage haben aber wiederum Bezüge zur vorchristlichen Zeit. Klingt kompliziert? Ist es auch!
Belegt ist jedenfalls, dass es in den Rauhnächten zwischen 25. Dezember und 6. Jänner schon seit Jahrhunderten Bräuche gibt, bei denen Masken und Verkleidungen zum Einsatz kamen. „Dadurch konnten sich die Teilnehmer einmal im Jahr ungestraft daneben benehmen, etwa Lebensmittel heischen oder mit Alkohol über die Stränge schlagen. Vermutlich hat sich der Krampus irgendwann mit dem Perchtenbrauchtum vermischt“, sagt der Brauchtumsexperte Karl C. Berger.
Die Geschichte des Krampus
Wenn ihr die geschichtlichen Hintergründe des Brauchs im Detail kennenlernen wollt, hört euch das Interview mit dem Brauchtumsforscher Karl C. Berger an!
Ein uralter Brauch findet über Social Media internationale Verbreitung. © Lea Neuhauser
„Hex“, „Läufer“ und „Tamperer“ im Tiroler Unterland. © Lea Neuhauser
Ruß statt Rute heißt es in Rattenberg und Umgebung. © Lea Neuhauser
Die bösen Geister vertreiben
„Wir vertreiben die bösen Geister des Winters“, sagt hingegen Martin Knapp zum Hintergrund des wilden Treibens. Martin ist seit 10 Jahren Mitglied im „Seidä Pass“ aus Kramsach und sorgt als „Tamperer“ für den Rhythmus in seiner Perchten-Gruppe. Größtenteils sind es junge Männer, die sich in „Passen“ organisieren und viel Herzblut in ihr Hobby stecken. Die schweren Kostüme werden in mühevoller Kleinarbeit aus getrockneten Mais-Bratschen genäht. Ihre handgeschnitzten Masken, die so genannten „Larven“ können bis zu tausend Euro kosten.
Für zwei Tage schlüpfen die Männer in die Rolle des „Tamperer“, der „Hex“ oder des „Läufers“ – für viele ist es der Höhepunkt des Jahres. „Danach brauche ich immer ein paar Tage frei und gehe in die Sauna“, schmunzelt Martin Knapp. Im Gegensatz zu anderen Regionen verläuft der „Teufeltag“ in Martins Heimat ganz ohne Schläge ab. „Die Zuschauer werden mit Ruß beschmiert. Vor allem steht aber das Trommeln im Vordergrund. Und natürlich die Show beim Hexentanz“, sagt Martin. Gerade dieser Showcharakter ist traditionsbewussten Passen ein Dorn im Auge, doch dazu später.
Der Krampus
Der „Krampus“ ist eine Figur der Adventszeit und der Begleiter des heiligen Nikolaus. In manchen Regionen hat sich die Figur des Krampus mit jener der „Percht“ vermischt. Die ersten Perchten sind in Tirol im 17. Jahrhundert nachweisbar, Krampusse bzw. Kleibeife in den Nikolausspielen des 18. Jahrhunderts. Die Deutung, dass die Perchten die bösen Wintergeister vertreiben, gibt es erst seit der Zeit der Romantik im 19. Jahrhundert. Je nach Region existieren heute unterschiedliche Ausprägungen des Brauchs und man spricht wahlweise von Teufeln, Perchten, Krampal oder Kleibeifen.
Mit den Glocken sollen die Wintergeister verjagt werden. © Lea Neuhauser
Krampusse im Zillertal. © Bernhard Aichner
Traditionelle Krampusmasken in Igls. © Bernhard Aichner
Ich respektiere die Wurzeln, aber ich sehe auch die Möglichkeit, darauf aufzubauen
Überall ein bisschen anders
Jeder Ort hat seine Eigenheiten in Bezug auf Masken, Gewänder und Ablauf. Im Tiroler Oberland sind die „Tuifl“ schon ab Mitte November unterwegs. In Haiming haben sich zusätzlich zu den Fellgewändern rote Hosen etabliert. „Das stammt von den alten Lebkuchen-Verpackungen, auf denen immer ein Krampus mit roten Füßen dargestellt wurde“, erklärt Simon Wegleiter von den Haiminger Krampussen.
Im Osttiroler Matrei wiederum sorgen die „Kleibeife“ mit ihren schweren Glocken und riesengroßen Masken für Angst und Schrecken. Ihr erklärtes Ziel: die Zuseher auf den Rücken zu werfen. Eine Eigenheit südlich der Tauern stellt das „Tischzoichn“ dar. Besonders mutige Zuschauer setzten sich hinter einen massiven Holztisch und versuchen, diesen gegen die anstürmenden Kleibeife zu verteidigen – das Gerangel um den Tisch geht nicht immer ohne Verletzungen ab. Die Kommerzialisierung des Brauchs wird in Matrei skeptisch gesehen, so ist etwa Pyrotechnik völlig verpönt.
In Nordtirol sind Rauch und Feuer hingegen vielerorts nicht mehr wegzudenken. „Ich respektiere die Wurzeln, aber ich sehe auch die Möglichkeit, darauf aufzubauen und es weiterzuentwickeln“, sagt Martin Knapp. Das gilt etwa für die Rhythmen der „Tamperer“, die von Jahr zu Jahr ausgefeilter werden. Doch auch in Martins Region gibt es Gruppen, die es ablehnen, dass so manche Maske heute mehr an „Herr der Ringe“ als an Brauchtum erinnert. Als die Wiege der „Peaschtl“ gelten die Orte Breitenbach, Angerberg und Mariastein und die dortigen Passen sind besonders traditionsbewusst. Von Horror-Larven und Feuerwerk halten sie nichts. Stattdessen tragen die Passen originale Holzmasken und ziehen – wie anno dazumal – von Haus zu Haus.
In Osttirol ist am Nikolaustag der „Klaubauf“ unterwegs. © Osttirol Werbung/Zlöbl
Krampus in Wenns/Pitztal. © Klaus Kranebitter
Die Haiminger Krampusse tragen rote Hosen unter dem Fell. © Krampusgruppe Haiming/Benjamin Pohl
Brauchtum als Social Media Hit
Für Karl C. Berger ist die Diskussion ein Spiegelbild des Zeitgeistes. „Der Brauch steht im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne. Einerseits betonen die Gruppen das Regionale. Andererseits nehmen viele von ihnen internationale Elemente auf, etwa aus der Heavy Metal-Kultur oder aus Filmen. Auch Social Media ist ein riesen Thema für die meisten Gruppen“, sagt Karl Berger.
Martin Knapp kann das bestätigen. Unglaubliche neun Millionen mal wurde das Facebook-Video bisher aufgerufen, auf dem sein „Seidä Pass“ in Rattenberg einmarschiert. Alpines Brauchtum wurde plötzlich in aller Welt „geliked“ und die Gruppe wurde mit Anfragen überhäuft. Als kurioser Nebeneffekt wurde der Pass sogar auf die Fashion Week nach Paris eingeladen, nachdem das Video die Aufmerksamkeit eines Modedesigners erregt hatte. „Wir waren überrascht vom großen Interesse. Aber es ist toll, unseren Brauch auch international bekannt zu machen“, sagt Martin Knapp. Dass das traditionsbewusstere „Peaschtl“ ganz anders sehen, versteht sich von selbst.
Das Video vom Einzug des Seidä Pass in Rattenberg könnt Ihr Euch hier ansehen.