Echte Tirolerinnen: Gasser Rodeln aus dem Wipptal
Wall of Fame: Auf Gasser Rodeln wurden schon Olympiasieger gekürt - aber auch im Hobbysport bewähren sich die flotten Flitzer auf jeder Fahrbahn gut.
Auf zwei Kufen rasch ins Tal: Was heute eine beliebte Aktivität abseits der Pisten ist, galt früher dem winterlichen Heutransport von den Almen hinunter in die bäuerlichen Ställe. Kein Wunder also, dass sich in Tirol ganz schön viel Expertise im Bau von Rodeln gesammelt hat. Zwei dieser Wissensträger sind Christian und Thomas Gasser, die im Tiroler Wipptal Schlitten für Profi- und Hobbysport in Handarbeit herstellen.
Einen passenderen Platz für ihren Firmensitz hätte die Familie Gasser kaum finden können: Wie eine Sicherheitsbande schmiegt sich die Produktionsstätte an eine Kurve der Brennerstraße. Die Fassade ziert ein stilisierter Sportrodler – zurecht, denn auf Schlitten des Rodelherstellers sind schon so manche Profisportler zum Sieg im Eiskanal gefahren. Und auch auf Naturbahnen punkten die Rodeln des Traditionsunternehmens in Sachen Qualität, Stabilität und Lenkbarkeit.
Der Sinn der Handarbeit
Die heutige „Gasser Rodel GmbH“ wurde 1909 als Wagnerei gegründet und stellte damals neben Rodeln noch Kutschen und Skier her. Das Wagnerhandwerk erlernten nicht nur Firmengründer Johann Isser und sein Nachfolger Rupert Gasser, sondern auch dessen Sohn Johann Gasser, der noch immer als Seniorchef im Betrieb mitarbeitet. Heute leiten seine Söhne Christian und Thomas das Unternehmen, statt der Wagnerei haben sie sich auf Maschinenbau und Schlosserei bzw. auf Tischlerei verlegt.
Familienbetrieb mit Tradition: Johann Gasser (li.) ist Wagnermeister, seine Söhne Christian (2. v. li.) und Thomas sind Meister der Metallverarbeitung und Schlosserei bzw. Tischlerei. Christians Ehefrau Marietta übernimmt die kaufmännischen Belange.
Damals wie heute kann man in der Werkstätte die Handarbeit mit allen Sinnen erleben: Es wird gehämmert und gebohrt, geleimt und geschraubt, gefräst und gedampft und im ganzen Gebäude liegt der Geruch von Holz und Lack. Sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das ganze Jahr über im Betrieb tätig. Die Hauptproduktionsphase ist im Herbst, schließlich müssen pünktlich zum ersten Schnee und für das Weihnachtsgeschäft Rodeln in großer Zahl fertiggestellt werden. Insgesamt entstehen so 8.000 bis 10.000 Stück Rodeln in verschiedenen Modellen und bis zu fünf Größen pro Jahr: Tourenrodel, Sportrodel, Tourenrodel spezial, Tourenrennrodel, Naviser, Rennsportrodel und Supersportrodel, dazu ein eigenes Modell für den Verleih, das besonders stabil gebaut und platzsparend stapelbar ist.
Wenn Schlosser- und Tischlerhandwerk, Liebe zum Detail und hoher Qualitätsanspruch miteinander vereint werden, entstehen hochwertige Rodeln, die oft auch ein Leben lang halten.
Leidenschaftliche Rodler, wie es die Tiroler sind, wundert diese hohe Nachfrage und das breite Sortiment nicht. Eine Gasser Rodel liegt gut in den Kurven, nimmt ordentlich Fahrt auf und lässt sich gut lenken. Die Rodeln halten jahrzehntelang, Services und Reparaturen können in der Firma in Matrei problemlos erledigt werden.
Von Fließband keine Spur: Bei Gasser ist jede Rodel ein Stück Handarbeit.
Qualität von Sitz bis Kuf‘
Bei Gasser legt man viel Wert auf gute Materialien und eine hochwertige Verarbeitung. „Am besten geeignet ist Eschenholz, weil es zäh, hart und formstabil ist“, weiß Christian Gasser über die Vorteile des hellen Holzes zu berichten. Zum Biegen geeignet ist nur makelloses, astfreies Holz, das die Firmenchefs selbst bei Sägewerken in Ober- und Niederösterreich auswählen. Dieses wird dann im eigenen Holzlager zwei Jahre getrocknet und erst dann weiterverarbeitet. Der Stahl für Kufen und Bankel, das Leder für die Riemen und der Lack kommen aus Österreich, die Gurte aus Italien. „Wir wollen einfach gute Materialien“, meint Christian Gasser „wir kaufen nicht aus Patriotismus bei österreichischen Lieferanten, sondern um eine hohe Qualität zu garantieren und sicherzugehen, dass bei der Herstellung keine giftigen Stoffe verwendet werden.“
Gerade gewachsen und astfrei muss das Eschenholz sein, aus dem die Rodeln gemacht werden.
Gut Ding braucht Weil
Ist das Holz getrocknet, werden aus den Brettern Rohlinge geschnitten und diese nach der Thonet-Methode gebogen. Rund eine Dreiviertelstunde kommen sie in einen Dampfkessel – im Gunde ein überdimensionaler Druckkochtopf – bevor sie maschinell in Metallformen gebogen werden.
Erst ein Dampfbad macht das Holz gut biegbar.
Die beiden Holzkufen einer Rodel sind dabei jeweils aus demselben Brett geschnitten. Einmal gebogen, trocknen sie gemeinsam zwei Tage in den Formen und weitere zwei Wochen nach dem Herausnehmen. Auf dieses Weise passen sie farblich zusammen und reagieren auch später gleich auf Feuchtigkeit und andere Umgebungsbedingungen. Dabei muss es übrigens sehr präzise zugehen, damit im Anschluss die CNC-Fräse die Feinarbeit – Fräsen, Schneiden, Bohren usw. – erledigen kann.
Paarweise: die beiden Holzufen einer Rodel stammen immer aus dem gleichen Brett, um Formstabilität sicher zu stellen.
Auch eine weitere Biegetechnik kommt bei Gasser zum Einsatz: Für das Modell Naviser werden Latten schichtverleimt und Zwinge für Zwinge in Form gebracht. Das ist zwar aufwendiger, ein Verziehen der Rodel ist damit aber vollständig ausgeschlossen.
Neben Holzteilen wie Kufen und Holmen verarbeitet Gasser auch die Stahlteile selbst, Bankeln und Kufen werden aus Stahlblechen geschnitten, geschweißt, gebohrt und lackiert, am Ende werden die einzelnen Teile zusammengebaut und die Gurte für die Sitzflächen befestigt.
Auch sämtliche Metallkomponenten einer Rodel werden direkt in der Werkstatt geschmiedet.
Immer locker bleiben
Die Holme und Kufen werden (meist) beweglich verbunden. Zwar hat Gasser als Freizeitrodeln auch fest verschraubte Modelle im Sortiment. „Aber eigentlich sollte jede Rodel beweglich sein. Sie ist leichter beherrschbar und lenkbar, man fährt auf ihr wie auf Schienen.“, erklärt Christian Gasser. Nicht zuletzt könne man Hindernissen so besser ausweichen und das Sportgerät auch in eisigen Kurven noch drehen. Dadurch ist man sicherer unterwegs als auf einem starren Bock. Jene, die eine Gasser Sport- oder Rennrodel fahren, kennen dieses Gefühl. Während andere auf ihren fest verschraubten Böcken ums Eck ruckeln, sausen sie selbst in weichen Bögen zu Tal. Kein Wunder also, dass die rote Lackierung der Schienen bzw. die Färbung des Bankels an eine italienische Automarke erinnert.