Perfekte Hüllen: In der Schneiderei des Tiroler Landestheaters
In der großen Werkstatt im Tiroler Landestheater arbeiten knapp zwanzig Schneiderinnen und Schneider. Dass es hier immer viel zu tun gibt, wird selbst im Hochsommer, in der Pause von Probenbetrieb und Aufführungen, schnell deutlich. Ein Blick hinter die Kulissen.
In eine große Produktion werden schon mal 1.200 Arbeitsstunden gesteckt.
Es wird genäht und gebügelt, sortiert und umgeräumt. Rund dreißig Produktionen stattet die Kostümschneiderei pro Saison aus, erzählt Maximilian Pointner, der uns durch die Schneiderei führt. Pointner hat hier seine Lehre zum Herrenkleidermacher abgeschlossen und plant, die Meisterprüfung abzulegen.
Gleich am Eingang fallen die großen Rollwägen auf, auf denen – nach Produktion und Damen- bzw. Herrenkleidung geordnet – dicht an dicht die Kostüme hängen. Nähtische und Bügelstationen, Schneiderpuppen in allen möglichen Größen und Formen, Figurinen – Entwurfsskizzen der Kostümbildner – an den Wänden, dazwischen Übersichtsblätter mit Varianten von Tüchern und anderen Accessoires.
Maximilian Pointner ist einer der Schneider des Tiroler Landestheaters.
Bühnenkostüme unterscheiden sich in Sachen Material und Herstellung oft stark von Alltagskleidung.
Bis zu 1.200 Arbeitsstunden
Wie groß die Bandbreite ist, lässt sich allein schon an der Vielfalt der Produktionen ablesen. Sie reicht von Zweipersonenstücken bis hin zu großen Opernwerken mit Chor und mehreren Kostümen pro Darsteller:in. Für die Oper „Carmen“ etwa braucht es Uniformen und Torero-Kostüme für die Männer, verschiedene Kleider für die Frauen, und alles nicht nur für Haupt- und Nebenrollen, sondern auch für Statisten und den Chor. Bis alles sitzt und hält, sind bis zu 1.200 Arbeitsstunden pro Abteilung nötig.
Die Arbeit der Schneiderei beginnt, nachdem Stück, Regie, Bühnen- und Kostümbildner:innen ausgewählt und die Inszenierung in groben Zügen besprochen ist. Zu diesem Zeitpunkt wird festgelegt, welche Kostüme gemacht und wie sie ausgeführt werden sollen. Stoffe werden bestellt, die Maße der Schauspieler:innen genommen, Kostüme zugeschnitten und für die erste Anprobe genäht.
To-do-Liste: Jedes Kostüm erhält bei der Anprobe eine Liste mit Änderungen, die eine nach der anderen abgearbeitet werden.
Grün und Gold: Kaum weniger aufwendig als das Kostüm Escamillos sind jene der anderen Toreros. Die Goldborten wurden zuerst aufgeklebt, dann angenäht.
Jedes Kostüm trägt einen Namen
Auf dem Rollwagen mit den Herrenkostümen für „Carmen“ fallen uns nicht nur die Namensschilder in jedem Kostüm, sondern auch die an die Ärmel gehefteten Zettel auf – Notizen, aus denen die Mitarbeiter der Kostümschneiderei ersehen können, was nach der ersten Anprobe an einem Stück zu ändern ist.
Jeder Punkt wird nach und nach abgearbeitet, am Ende wird noch einmal kontrolliert, ob alles gut passt. Und schließlich müssen die Kostüme dem ersten Test bei den Proben standhalten: Dann geht es darum, wie das Gesamtbild wirkt, ob sich die Darsteller:innen in den Kostümen wohlfühlen und ob die Stoffe und Nähte auch ausladende Bewegungen zulassen.
Vorhandene Stoffe werden entweder nach Material oder – wie hier – nach Farben sortiert.
Stierkampfglanz im Werkstattambiente
Ein Schlückchen Wodka und andere Tricks
Der Unterschied zwischen Bühnenkostüm und Alltagsgewand liegt nicht nur darin, dass manches für die Bühne auffälliger sein darf, sondern auch in der Verarbeitung. Kostüme für Tänzer:innen etwa müssen aus sehr elastischen Stoffen hergestellt sein, werden an bestimmten Stellen verstärkt oder durch das Einsetzen von Stoffkeilen noch flexibler gemacht.
Auch die Materialien können sich von gewöhnlichen Kleiderstoffen unterscheiden, sogar Papier oder Möbelstoffe kommen zum Einsatz und müssen entsprechend verarbeitet werden. Dem Umstand, dass die Künstler:innen unter den heißen Bühnenscheinwerfern ins Schwitzen kommen, vor allem wenn sie einem bestimmten Inhalt entsprechend warm angezogen sind, begegnet man in der Schneiderei mit einigen Tricks.
Unter einem Pelzmantel tragen sie beispielsweise nur Ärmelstulpen und T-Shirt - und wenn ein Kostüm zwischen den einzelnen Aufführungen nicht gewaschen werden kann, dann greifen Maximilian Pointner und seine Kollegen zum Wodka: Damit werden die Kostüme eingesprüht, um strenge Gerüche zu bannen. „Zimperlich darf man als Schauspieler nicht sein“, sagt der Theater-Schneider.