Ötztaler Gletscher: Eine Bühne auf 3000 Metern
Foto: Lorenzi
Es ist die Geschichte des Kriegsherren aus der Antike, der 216 v. Chr. mit seinem Tross aus 60.000 Kriegern, tausenden Pferden und 37 Elefanten in nur zehn Tagen den Alpenhauptkamm überquerte. Sie wird in einer atemberaubenden Live-Choreographie alle zwei Jahre auf 3.000 Metern aufgeführt. Mit dabei: Hubschrauber, die historischen Flieger der Flying Bulls, Skidoos, Skilehrer, Pistenbullys, Tänzer und Paragleiter und B.A.S.E. Jumper des Red Bull Skydiving Teams.
Aber wie kam Sölden zu Hannibal? Das weiß Ernst Lorenzi: Der 67-Jährige ist Initiator und Organisator von Hannibal und erzählt wie Sölden und die Antike zusammenfanden.
Hannibal und der Schnee-Elefant, Foto: Spöttel
Herr Lorenzi, der Aufwand scheint schier unglaublich: Pistenbullys verwandeln sich in Elefanten und Skilehrer in Hannibals Söldner. Dazu gesellen sich Hubschrauber, Tänzer und Fallschirmspringer. Wer ist für Hannibal alles im Einsatz?
500 Leute sind vor und hinter der Bühne unterwegs. Die Fallschirmspringer kommen aus dem ganzen Land, vom Arlberg bis Kitzbühel, die Skilehrer und die Laiendarsteller ebenfalls. Die übrigen Schauspieler reisen aus der ganzen Welt an. Einer unserer Schauspieler kommt aus New York und hat schon bei „Sex and the City“ mitgespielt. Unser Hannibal-Darsteller ist gebürtiger Slowene, lebt aber in Spanien und spielt dort an den Opernhäusern. Die spanischen Kultur-Journalisten sind aus allen Wolken gefallen, als sie ihn hier oben gesehen haben. Unser Gletscher ist eine Bühne für die ganze Welt.
Foto: Lorenzi
Es heißt, „Hannibal“ sei die größte Live-Perfomance, die es weltweit auf einem Gletscher gibt. Wie würden Sie das Spektakel beschreiben?
Hannibal ist tatsächlich das größte Schauspiel auf einem Gletscher. Hannibal ist Kultur am Berg – auch wenn es Event-Elemente beinhaltet. Aber es ist kein Spektakel und kein Saisonabschluss-Event, sondern ein richtiges Schauspiel mit eigener Dramaturgie, eigenem Text und eigener Musik, mit spezieller Lichtinterpretation, sekundengenauen Auftritten der Darsteller und pyrotechnischen Effekten.
Sie sind der Initiator des Projektes. Wie kam es zu dieser Idee?
Das liegt schon wahnsinnig lange zurück. 1997 war ich Pressechef beim Skiweltcup und an einem Abend noch oben am Gletscher, als alle anderen schon im Tal waren. Ich war alleine, der Vollmond schien, die Berge waren rot. Ich war fasziniert von dieser Wahnsinnsstimmung und dachte mir: Diese unvergleichlichen Momente bekommt keiner mit, weil jeder immer nur auf seine Skispitzen schaut. Also habe ich Didi Mateschitz, dem österreichischen Unternehmer und Teilhaber an der Red Bull GmbH, vorgeschlagen, die Geschichte von Ötzi am Gletscher zu inszenieren. Drei Jahre haben wir daran gearbeitet, aber am Ende ist nichts daraus geworden. Schließlich hat mir Didi Mateschitz auf einem Event den Regisseur Hubert Lepka vorgestellt. Ich habe ihm von meiner Idee erzählt und davon, dass Pistenbullys dabei sein könnten, weil diese doch aussähen wie Stiere oder Elefanten. Hubert Lepka hat sich die Kulisse in Sölden angeschaut, hat Hannibal vorgeschlagen und in einer Stunde war alles erledigt. Sowohl den Bergbahnen Sölden als auch dem Tourismusverband hat die Idee gefallen und im November 2000 bekamen wir das „GO“. Schon im April 2001 fand die erste Aufführung statt. Das Schöne ist: Wir wollten es eigentlich nur einmal spielen – und jetzt ist das Gletscherschauspiel quasi der „Jedermann“ der Alpen.
Foto: Nösig
Welche besonderen Herausforderungen gibt es, wenn der Berg die Bühne ist?
Die größte Herausforderung auf über 3.000 Metern ist natürlich die Natur: Wind, Schnee, Wetter. Die Aufführung von Hannibal findet zwar erst zum Ende der Saison statt, aber bei uns sagt man: „der April tut was er will“. Zum Glück wird das hintere Ötztal von der Südwetterlage beeinflusst. Oft schneit es in Innsbruck und in Sölden scheint die Sonne.
Die Hannibal-Inszenierung von Regisseur Hubert Lepka und dem Künstlernetzwerk lawine torrèn feierte bereits das 15-jährige Jubiläum. Was gibt es dieses Jahr Neues?
Das sagen wir natürlich nicht. Die Natur gibt Veränderungen vor, weil sich der Gletscher verändert. Der Aufbau wird dadurch anders und auch einzelne Bilder werden neu beziehungsweise anders sein. Die Details verraten wir, wie im Theater üblich, nicht. Die Zuschauer sollen sich überraschen lassen.
Zum Schluss: War Hannibal Ihrer Meinung nach ein genialer Kriegsherr oder war er einfach nur ein wilder Hund, der mit mehr Glück als Verstand in zehn Tagen mit seinem gesamten Heer den Alpenhauptkamm überquerte?
Das ist eindeutig bewiesen: Hannibal war ein genialer Feldherr. Aber er war auch grob und erbarmungslos. Er hat einfach andersrum gedacht, also wie wenn ein Fußballer den Elfmeter einfach mit der Ferse schießen würde.
Wenn ihr jetzt Lust bekommen habt, das Spektakel selbst zu erleben, könnt ihr euch hier informieren: www.tirol.at