Nur herein in die gute Stube
Gaststube im Gasthaus Gemse in Zams
Wenn in meiner Familie eine Feier ansteht und die Frage aufkommt, wo wir zusammenkommen, ist die Antwort meist eindeutig: „In Omas Stube!“ Mit diesem Ort verbinden wir nicht nur viele Erinnerungen aus der Kindheit, Omas holzgetäfelte Stube ist einfach am Gemütlichsten. Wer die außergewöhnliche Atmosphäre einer Stube nicht in einem privaten Bauernhaus erleben kann, kann dies auch bei einem guten Essen in vielen Tiroler Wirtshäusern tun. Die Wirtsleute und Dr. Herlinde Menardi, ehemalige Leiterin des Innsbrucker Volkskunstmuseums, haben mir Hintergrundinfos zu folgenden Stuben verraten.
Fuggerstube im Böglerhof in Alpbach
Ort: Alpbach
Wirtsfamilie Duftner: „Die Fuggerstube ist eine dunkle Zirbenstube und stammt wie Teile des Hauses ursprünglich aus dem 15. Jahrhundert. Die Stube befand sich immer im Böglerhof, wurde allerdings in den Fünfzigerjahren nach einem Brand ausgebaut und durch einen Alpbacher Tischler restauriert. Bis auf zwei Balken, die ersetzt werden mussten, ist sie nach wie vor original. Die Stube bietet Platz für rund 28 Gäste.“
Dr. Menardi: „Die Fuggerstube besitzt einen beinahe quadratischen Grundriss, eine umlaufende Bank, Fenster und Türe mit tiefen Scheinungen und in die Täfelung integrierte Wandkästchen. Bemerkenswert sind hier das für Alpbach typische, aufgelegte Gitterwerk und die Profilleisten mit Geißfüßen sowie in flachem Relief geschnitzte Tiere wie Hirsche, Steinböcke oder Auerhähne. Der gemauerte Tonnenofen mit dem sogenannten Ofengschal (Holzbretter um den Ofen) und die gotische Balkendecke mit Unterzug runden das Bild dieser besonderen Stube ab.“
Gaststube im Gasthof Gemse in Zams
Herrgottswinkel in der Gaststube vom Gasthaus Gemse
Wirtsfamilie Haueis: „726 n. Chr. wurde unser Haus das erste Mal urkundlich erwähnt. Die Gaststube befindet sich seit dem 16. oder 17. Jahrhundert hier im Haus. Im 18. Jahrhundert wurde ihr Getäfel erneuert. Die Stube bietet rund 30 Personen Platz und ist der traditionsreichste Raum im Haus. Hier wird noch ein Totenkreuz aus dem 17. Jahrhundert aufbewahrt. Auch eine alte Uhr, die im ersten Weltkrieg Ziel von Schießübungen war, gibt diesem Raum ein besonderes Flair.“
Dr. Menardi: „Diese Stube zeichnet ein einfaches Leistengetäfel aus, breite Leisten decken die Stöße der Tafeln ab. Die Fensterscheinungen sind tief und täuschen im Eck eine Art Erker vor. In die Täfelung eingelassen finden sich zwei ältere Wandkästchen. Die Decke ist verputzt und ungetäfelt. Bemerkenswert ist das große Kruzifix im Herrgottswinkel, das auf eine konturierte Holztafel gemalt ist.“
Große & kleine Stube im Wirtshaus zum Griena in Mayrhofen
Ort: Mayrhofen
Wirtsfamilie Thaler: „Unsere Stuben sind im Ursprung 460 Jahre alt und befanden sich immer hier im Haus, das früher als Wohnhaus genutzt wurde. Jede der Stuben fasst rund 20 Gäste.“
Dr. Menardi über die große Stube: „Die große Stube besitzt ein Leistengetäfel, eine umlaufende Bank und eine Kassettendecke. Über dem gemauerten Tonnenofen mit Ofengschal und Ofenbrücke befindet sich eine in die Zimmerdecke eingelassene Lucke mit Schuber zum Temperieren des darüber gelegenen Raumes.“
Dr. Menardi über die kleine Stube: „Auch die kleine Stube weist ein Leistengetäfel auf. Zudem zeichnet sie sich durch eine Kassettendecke mit Unterzug, einen gemauerten Ofen mit Ofengschal und eine Trockenstange über dem Ofen aus.“
Grasegg- und Steub-Stube im Gasthof Herrnhaus in Brixlegg
Durchsicht von Grasegg- auf Steub-Stube
Wirtsleute Christian und Sandra Moigg: „Die Steub-Stube ist eine Zirbenholz-Stube aus dem späten 19. Jahrhundert, die wir vor rund 20 Jahren aus dem Gasthof Brixlegger Hof ausgebaut und im Herrnhaus wieder eingebaut haben. Die Grasegg-Stube ist rund 150 Jahre alt und stammt ursprünglich aus dem Gasthaus Schloss Grasegg, das 1945 zerbombt wurde. Die Stube bietet Platz für bis zu 22 Personen.“
Dr. Menardi über die Grasegg-Stube: „Mit Ranken bemalte Pilaster (mehr oder weniger flach aus der Wand hervortretende Pfeiler) mit vergoldeten Kapitellen (obere Abschlüsse) decken die Stöße der Tafeln ab. Weitere Besonderheiten dieser Stube sind die in die Täfelung eingelassenen Wandkästchen, der Türstock mit aufgedoppelten, gedrehten, seitlichen Pilastern und die Kassettendecke, deren profilierte Leisten ebenfalls bemalt sind.“
Dr. Menardi über die Steub-Stube: „Die Stube zeichnet sich durch ein neugotisches, knapp mannshohes Getäfel mit Palmettendekor (Schmuckmotiv in Form des Blattes der Fächerpalme), eine fixe Bank und tiefe, getäfelte Fensterscheinungen mit Segmentbogenabschluss (Kreisbogen, der keinen vollen Halbkreis beschreibt) aus. In einer Nische findet sich ein geschnitztes Relief mit dem Porträt Ludwig Steubs, der namensgebend für die Stube ist.“
Blaue Ofenstube im Strasserwirt in Strassen
Blaue Ofenstube im Strasserwirt
Wirtsfamilie Bachmann: „Die blaue Ofenstube ist unsere größte Stube, hier finden rund 50 Personen Platz. Es ist auch unsere jüngste Stube. Sie wurde in den Fünfzigerjahren wahrscheinlich aus einem Südtiroler Frauenkloster aufgekauft und 1985 hier im Haus aus den alten Stubenelementen wieder zusammengebaut. Sie passt sehr gut in unser traditionsreiches Haus, dessen Grundmauern aus dem 6. Jahrhundertdatieren und das in seiner heutigen Form rund 600 Jahre alt ist.“
Dr. Menardi: „Die blaue Ofenstube ist mit schmalen Tafeln ausgekleidet, die profilierten Leisten enden in einem Spitzbogen. Ein neuer, blauer Kachelofen mit gemauertem Zinnenkranz war wohl für diese Stube namensgebend.“