Magische Rauhnächte – vom Räuchern und anderen Ritualen
Die Rauhnächte nehmen in Tirol heute wie damals eine bedeutende Stellung im Jahreskreis ein. Viele althergebrachte Traditionen werden immer noch gelebt oder mischen sich mit modernen Interpretationen – so etwa das Räuchern.
Wann und wo der Brauch der Rauhnächte entstanden ist, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen: so sollen sich schon bei den Kelten und Germanen entsprechende Traditionen finden lassen und auch im asiatischen Raum sind Feiern zu dieser Zeit üblich. Sicher aber ist, dass die Rauhnächte ein Erklärungsversuch für die Differenz zwischen dem Sonnen- und Mondjahr sind. Nicht umsonst wird diese Zeitspanne in Tirol auch gern als „Zwischen den Jahren“ bezeichnet.
Die Rauhnächte
Für das Datum der Rauhnächte gibt es verschiedene Angaben: Mancherorts werden diese von Allerheiligen bis Maria Lichtmess angegeben, andere wiederum feiern die Rauhnächte zwischen der Wintersonnwende am 21. Dezember bis zum 5. Jänner. In Tirol werden die Rauhnächte traditionell vom 24. Dezember bis zum 5. Jänner gefeiert, wobei besonders die Nächte am 24. Dezember, am 31. Dezember und am 5. Jänner von Bedeutung sind. Die Nacht der Wintersonnwende am 21. Dezember wird in Tirol zwar nicht als Rauhnacht begangen, jedoch von vielen dazu genutzt, Haus und Stall zu reinigen (allerdings sowohl mit Putzlappen als auch mit Rauch).
Was aber passiert, wenn bestimmte Tage weder dem Sonnenjahr noch dem Mondjahr folgen? Dem alten Glauben zufolge sind während dieser Brückentage die Naturgesetze außer Kraft gesetzt und das Tor zur Unterwelt steht weit offen. In der „Wilden Jagd“ preschen dann Geister durch die Nacht, angeführt von keiner geringeren als der Göttin Percht. Die Wilde Jagd findet ihren Höhepunkt schließlich am 5. Jänner, der letzten Rauhnacht, die auch Gömmenacht genannt wird. In dieser Nacht überprüft die Percht, wer im vergangenen Jahr fleißig war (und wer nicht). Durch verschiedene Gaben milde gestimmt, fegt sie in den guten Häusern das alte Jahr hinaus, um Platz für neues Glück zu schaffen. Mancherorts kommt die Percht auch in Begleitung der drei Bethen (auch Salige genannt), die Erde, Sonne und Mond symbolisieren – die Brücke zwischen den Kalendern ist nun wieder geschlossen. In manchen Tiroler Orten, wie Alpbach, gehen am 5. Jänner übrigens immer noch gute Hexen von Haus zu Haus.
Dem alten Glauben zufolge öffnen sich in den Rauhnächten die Tore zur Anderswelt. © Tirol Werbung - Heinz Zak
Bräuche zu den Rauhnächten
Die einzelnen Traditionen während der Zeit zwischen Weihnachten und folgen im Wesentlichen drei verschiedenen Gedanken:
Einerseits gilt es, das Unheil der „Wilden Jagd“ abzuwenden, weshalb viele Menschen in Tirol zwischen den Jahren beispielsweise keine Wäsche aufhängen (die Geister könnten sich darin verfangen) oder der Göttin Percht Gaben bereitstellen (meistens ein Löffel von jedem Gericht, das aufgetischt wurde oder etwas Mehl auf dem Dach).
Vor den Rauhnächten darf der Wacholder noch am Dachboden trocknen, spätestens am 24. Dezember aber sollten alle Tücher abgenommen sein.
Andererseits gelten die Rauhnächte auch als sogenannte „Lostage“ und sollen einen Blick in die Zukunft ermöglichen. So heißt es etwa, dass das die erste Rauhnacht das Wetter des folgenden Jänners bestimmt, die zweite Nacht des Febers und so weiter. Manche Menschen führen in dieser Zeit Traumtagebücher oder Meditationen nach dem gleichen Schema durch. Auch Orakel wie Blei- oder Wachsgießen, Hafelestellen oder das Zubereiten von Perchtmilch werden häufig während der Rauhnächte befragt.
Nicht zuletzt bieten die Nächte „Zwischen den Jahren“ auch die Gelegenheit, das alte Jahr gut abzuschließen und zu reflektieren und sich auf das neue Jahr einzustimmen. So sollen beispielsweise vor Beginn der Rauhnächte alle Schulden beglichen und alles Geliehene zurückgebracht sein. Besonders beliebt sind hier außerdem die sogenannten Wunschzettelchen: Bei diesem Orakel schreibt man auf 13 Zettelchen je einen Wunsch für das kommende Jahr und gibt sie in eine Schüssel. Vom 24. Dezember an zieht man täglich einen dieser Zettel und übergibt diesen Wunsch einer höheren Macht, indem man ihn ungeöffnet in einer Feuerschale verbrennt. Nach Ablauf der Rauhnächte bleibt schließlich ein Wunsch übrig, für dessen Erfüllung man im neuen Jahr selbst verantwortlich ist.
Die Rauhnächte bieten auch die Gelegenheit, sich auf das neue Jahr vorzubereiten. Für Wunschzettelchen braucht man ein schönes Gefäß, um sie aufzubewahren und eine kleine Feuerschale (hier mit Sand gefüllt), in der täglich ein Wunsch den Elementen übergeben wird.
Unabhängig davon, welcher Tradition bzw. welchem Aspekt man während der Rauhnächte folgen mag, eines ist allen Bräuchen gleich: Es wird dazu geräuchert. Wie man in diesen Tagen richtig räuchert, habe ich von Kräuterexpertin Michaela Thöni-Kohler erfahren.
Michaela Thöni-Kohler
Michaela Thöni-Kohler ist im Tiroler Oberland weithin als Zammer Kräuterhex bekannt. Schon als Kind begleitete sie ihren Großvater auf der Kräutersuche und vertiefte ihre Expertise schließlich während der Ausbildung zur Kräuterexpertin. Ihr Wissen gibt Thöni-Kohler außerdem in zahlreichen Workshops und bei erkenntnisreichen Kräuterspaziergängen weiter. Zuletzt hat sie ein Buch zum „Räuchern in den Alpen“ veröffentlicht, in dem sie Tiroler Kräuter und ihre Wirkungsweise, die Tradition des Räucherns in Tirol und verschiedene Anlässe zu Räuchern zusammengetragen hat.
Michaela Thöni-Kohler in ihrem Kräuterstadl © Tirol Werbung - Marlena König
Anleitung zum Räuchern
Auch wenn es zahlreiche Anleitungen zum Räuchern gibt, ist vor allem Eines wichtig: Sich auf sein Gefühl zu verlassen. „Es bringt ja nichts, wenn ich im Uhrzeigersinn durch die Wohnung gehe und mir dabei die ganze Zeit überlege, wie ich das jetzt machen muss“, erklärt die Expertin. Während des Rituals geht es vor allem darum „sich zu besinnen und zu sich zu kommen, seine Gefühle zu entdecken“. Thöni-Kohler beispielsweise nutzt das Räuchern, um sich von dem, was war, zu verabschieden und willkommen zu heißen, was kommt. Das Räuchern erfolgt dann in drei Schritten: erst wird gereinigt, dann harmonisiert und zum Schluss eine schützende Räuchermischung aufgelegt. In vielen Tiroler Familien werden dabei übrigens nicht nur die Innenräume geräuchert: „Die Hausumrundung gehört auch immer dazu“, weiß die Expertin.
Traditionelles Räuchern in Tirol
Besonders in katholisch geprägten Familien räuchern alle Mitglieder gemeinsam, es soll Unglück bringen, wenn ein Familienmitglied dabei fehlt. Diese Miniprozession führt dabei das Familienoberhaupt an, der auch die Räucherpfanne trägt. Während des Räucherns wird gebetet (meist den Rosenkranz) und Weihwasser versprenkelt. Es ist dabei üblich, sowohl die Wohnräume als auch den Stall und im Freien zu räuchern und „Unglück hinaus, Glück ins Haus“ zu wiederholen.
In den letzten Jahrzehnten hat sich orientalischer Weihrauch als Räuchermischung durchgesetzt, früher jedoch wurden Tiroler Kräuter mit einer Basis aus Fichtenharz verräuchert.
Und so wird’s gemacht
„Beim Räuchern zu den Rauhnächten ist wichtig, dass es richtig raucht. Ein Stövchen oder ähnliches reicht dazu nicht“, meint Thöni-Kohler und empfiehlt für die Rauhnächte folgendes Zubehör:
• Räucherpfanne
• Sand
• Glühende Kohlen
• Feder, um den Rauch zu verteilen
• Räuchermischung zum Reinigen
• Räuchermischung zum Harmonisieren
• Räuchermischung für Schutz
Auf die richtigen Kräuter kommt’s an: Hier bereitet Thöni-Kohler die Rauhnachtsmischung zu.Wer keinen Ofen hat, aus dem er Glutstücke nehmen kann, entzündet erst ein Stück herkömmlicher Räucherkohle. Dabei ist es wichtig, dieses erst aufrecht in den Sand zu stecken, damit es gleichmäßig heiß wird. Ist die Kohle dann weiß geworden, legt man die Räuchermischung auf und das Reinigen der Räume kann beginnen. Je nach Größe des Raums kann es notwendig sein, zwischendurch neues Räucherwerk aufzulegen – bereits verbrannte Kräuter sollten vorher aber von der glühenden Kohle geschoben werden.
Tipp: Damit die Kohle gleichmäßig zu glühen beginnt, steckt man sie am besten erst senkrecht in den Sand.
Reinigen
Beim Reinigen gehen alle Familienmitglieder mit der Räucherpfanne im Uhrzeigersinn durch die Wohnung. Wichtig dabei ist, dass auch alle Ecken geräuchert werden – hier kann eine Feder nützlich sein, um den Rauch gut zu verteilen. Ist man wieder am Ausgangspunkt angekommen, öffnet man alle Fenster so lange, bis die Luft wieder klar ist. Traditionell wird beim Lüften geklatscht oder laut „Unglück hinaus, Glück ins Haus“ gerufen.
Harmonisieren
Nach dem Reinigen muss das Haus harmonisiert werden. Dazu gehen alle Familienmitglieder gegen den Uhrzeigersinn durch die Räume und verteilen wieder den Rauch in allen Räumen und Ecken. Danach wird wieder gut gelüftet.
Schützen
Das Räuchern wir schließlich mit dem Schützen abgeschlossen. Rauch ist dafür nicht notwendig – es reicht, auf einem Stövchen eine entsprechende Weihrauchmischung aufzulegen und sie so lange verdampfen zu lassen, wie man mag. Bei diesem Schritt muss nicht mehr gelüftet werden, die Fenster dürfen zu bleiben.
Mit einer Feder oder einem Fächer lässt sich der Rauch auch in die Ecken gut verteilen.
Ob man für die Rauhnächte spezielle Mischungen oder nicht verwendet, ist eigentlich Geschmackssache. „Meine Rauhnachtmischung kann sowohl für das Reinigen als auch das Harmonisieren verwendet werden, denn viele Pflanzen tragen beides in sich“, erklärt Thöni-Kohler. Jenen, die für jeden Räucherdurchgang trotzdem unterschiedliche Kräuter nutzen möchten, empfiehlt sie folgende Kombinationen aus getrockneten Pflanzen:
Reinigung: Rosmarin, Beifuß, Salbei, Thymian und Minze
Harmonisieren: Rosenblätter, Lavendelblüten, Salbei, Minze, Styrax
Schutz: Eschensamen, Beifuß, Föhrenharz, Mistel
Die Zutaten für die Rauhnachtssmischung (von links nach rechts): Fichtenharz, Mistel, Salbei, Beifuß und Wacholder. Das Harz muss vor dem Vermengen im Mörser pulverisiert werden.
Die Zutaten für die Harmoniemischung (von links nach rechts): Minze, Salbei, Rosenblätter, Lavendelblüten, Styrax
Im Idealfall hat man all diese Kräuter bereits während des Jahres gesammelt und getrocknet, es gibt sie aber auch im gut sortierten Fachhandel oder online – etwa in Thöni-Kohlers Shop - zu kaufen.
Zum Abschluss wünsche ich Euch nun allen eine gute Zeit zwischen den Jahren, viel Freude beim Räuchern und natürlich „Unglück hinaus, Glück ins Haus“.
Veranstaltungstipp
In Hall in Tirol gibt es jedes Jahr spezielle Rauchnachtsführungen. Bei einem einstündigen Spaziergang durch die mittelalterliche Altstadt wird der Brauch des Räucherns während der Rauhnächte erklärt, im Anschluss kann man an einem kurzen Räucherseminar im Stiftsgarten teilnehmen, bei dem eine Kräuterexpertin auch Fragen zu den einzelnen Kräutern und ihren Wirkungen beantwortet.