It’s a Geiger! Vom Walkjanker zum Mode-Trendsetter in den USA
Geiger Mode / Silberregion Karwendel
Bekleidet mit Converse-Schuhen, blauer Hose und hochgekrempeltem rosa Hemd schüttelt uns Peter Geiger die Hände. Er wirkt überraschend leger für den Geschäftsführer eines weltweit agierenden Modeunternehmens. Seine Urgroßmutter gründete 1906 in ihrer Heimatstadt Schwaz ein Unternehmen, das die Modewelt mit Norwegerpullis und Walkjacken umkrempelte. Ihr Urenkel Peter Geiger führt uns in die Produktionshalle von Geiger Mode, vorbei an einer Infotafel zur Firmengeschichte. Die Firmenzentrale liegt nach wie vor in Schwaz in Tirol.
Peter Geiger führt uns durch die Produktionshalle seiner Firma in Schwaz. (Foto: Michael Gams)
Firmengründerin ohne Wahlrecht
Vor 109 Jahren, in einer Zeit, als Frauen in Österreich noch kein Wahlrecht hatten (das wurde erst 1918 eingeführt), startete Barbara Geiger in Tirol ihr eigenes Unternehmen. Mit der Wolle von Bergbauern aus der Umgebung, einer Handvoll Mitarbeiterinnen und einigen Handstrickmaschinen fertigte sie ihre erste Kollektion, von Höslstutzen (alpine Wadenwärmer) bis zum Strickjanker. Dass ihre Firma im Jahr 2015 noch existiert und sogar ein Tochterunternehmen in den USA hat, hätte sie wohl nie geglaubt.
Manche Arbeitsschritte werden auch heute noch von Hand erledigt. (Foto: Michael Gams)
Bergbauern und deren natürliche „Funktionsbekleidung“
Dazwischen liegt über ein Jahrhundert, in dem die Firma Geiger vor allem mit einer „Erfindung“ von Tiroler Bergbauern international ins Geschäft kam. Die hatten durch Zufall entdeckt, dass beim Waschen verfilzte Wollkleidungsstücke noch mehr Wetterschutz und Klimakomfort als zuvor boten. Dieses simple Prinzip macht sich die Firma Geiger heute noch zunutze, das Verfilzen übernimmt eine große Spezialwaschmaschine. Vom Superleichtwalk über Flauschwalk bis hin zu rustikalem Jagdwalk stellt Geiger rund 50 verschiedene Walksorten her. Wie fein und leicht ein Walkstoff wird, hängt von der verwendeten Wolle, deren Feinheit, Elastizität, Länge und Kräuselung ab. Nach dem Verfilzen pressen und glätten rotierende Walzen den Walk. Das Walken verleiht der Wolle Eigenschaften, die die Vorteile purer Natur mit den Klimaqualitäten einer modernen Microfaser verbinden. So bleibt die Temperatur im Inneren einer Walkjacke auch bei kühlem Wetter nahezu konstant, weil die eingeschlossenen Luftkammern wie eine Pufferzone wirken.
Walk, frisch gefilzt und gepresst. (Foto: Michael Gams)
Soziale Verantwortung statt Sweatshops
Als uns Peter Geiger weiter durch die Produktionshalle führt, fällt mein Blick auf schienenartige Gebilde, die sich über unseren Köpfen durch den gesamten Raum winden. Entwickelt hat dieses neuartige Lager- und Fertigungssystem sein Vater Hansjörg gemeinsam mit zwei Spezialisten in den 90er Jahren. Dieses „Modular Transport System“ spart Personal, Geld und wird von Geiger inzwischen auch an andere Firmen verkauft. Während vermehrte internationale Konkurrenz andere Mode-Unternehmen zu gesundheitsschädlichen Produktionsmethoden und so genannten „Sweatshops“ in Billiglohnländern verführt, arbeitet Geiger nach wie vor hauptsächlich mit dem Naturprodukt Wolle, das er in Österreich und im benachbarten Ausland zu Kleidungsstücken verarbeitet.
Jedes Kleidungsstück gleitet mittels eines speziellen Schienensystems von einem Arbeitsschritt zum nächsten. (Foto: Michael Gams)
It’s a Geiger…
…sagen Amerikaner angeblich heute noch, wenn sie eine Walkjacke meinen. Diese Geschichte liefert die Erklärung:
In den 50er-Jahren kleidet Geiger die österreichische Ski-Nationalmannschaft mit den damals im Trend liegenden Norwegerpullis ein. Bei den Olympischen Winterspielen 1956 kommt der große Moment für den österreichischen Skistar Toni Sailer: Er gewinnt in Cortina d`Ampezzo drei Goldmedaillen in einem roten Zopfpulli von Geiger. Der Pulli vom „Blitz aus Kitz“ wird zum Verkaufsschlager – plötzlich ist Geiger international in aller Munde. Als Ausstatter der Winterspiele 1964 kreiert Geiger den „Olympia Look“: Ein Set von Weste und Pullover, in dessen Muster sich Tiroler Adler, Innsbrucker Wappen und die Olympischen Ringe ergänzen. Ebenfalls in den 60ern rüstet Geiger Alpinisten mit Kleidung für deren Himalaya-Expeditionen aus.
Vermont, USA im Jahr 1975: Alice und C.J. Neil Kvasnak bieten in ihrer Boutique „Skihaus“ in Middlebury auch Geiger-Kleidungsstücke an. In der ersten Saison verkaufen sie 30.000 Modelle – daraufhin beauftragt Geiger das „Skihaus“ mit dem US-Gesamtvertrieb. So wird die Geiger-Walkjacke in den USA zum Kultobjekt, das die Amerikaner mit einem simplen „It’s a Geiger“ quittieren.
Von Schwaz in die Welt
Aufgrund dieses Erfolgs gründet Hansjörg Geiger Anfang der 80er Jahre in Vermont die Tochtergesellschaft „Geiger of Austria“ mit 350 exklusiven Boutiquen quer durch die Vereinigten Staaten. Die Geiger-Mode schafft so den Sprung von den Skipisten mitten in die amerikanischen Großstädte, mit Preshows mitten in Manhattan. 2003 steigt Peter Geiger in das Familienunternehmen ein und entwickelt verschiedene Kollektionen – von Geiger Country bis hin zu Geiger free:style oder Isabella G. 2007 trägt die amerikanische Tochter „Geiger of Austria“ bereits rund ein Drittel zum Gesamtumsatz der Firma bei. Geiger-Mode wird heute in Europa, Asien, den USA und Kanada verkauft.
Join us tomorrow and Saturday! #geigerfashion #fashion #toronto #petrakarthaus #trunkshow Ein von Petra Karthaus (@petrakarthaus) gepostetes Foto am 16. Apr 2015 um 19:06 Uhr
Hommage an die Heimatregion
Die Unternehmenszentrale mit Designstudio, Produktion, Vertrieb und Verwaltung liegt auch nach 109 Jahren noch immer in Schwaz in Tirol. Als Hommage an ihre Heimatregion bringt Geiger Mode ab September 2015 übrigens die Kollektion „Silberregion Karwendel“ heraus. Peter Geigers Urgroßmutter hätte das wohl auch gefreut.
Auf Pinterest findet ihr übrigens die neuesten Geiger-Kollektionen: www.pinterest.com/geigerofaustria
(Titelfoto: Geiger Mode / Silberregion Karwendel)