Handwerk in Tirol – Wo Können auf Leidenschaft trifft
Dies sind alles Bezeichnungen von handwerklichen Berufen, die man der Gattung „vom Aussterben bedroht“ zuordnen könnte. Ihre natürlichen Feinde hingegen scheinen auffallend oft aus der „-isierungs-Familie“ zu stammen, deren Vertreter Globalisierung, Standardisierung, Technisierung oder auch Digitalisierung heißen. Erfreulicherweise scheint es aber auch in – oder vielleicht sogar gerade wegen?! – der globalisierten Gesellschaft eine immer größer werdende Fangemeinde zu geben, die vermehrt nach dem Handgemachten, Individuellen und Einzigartigen sucht. Nicht mehr die industriell produzierte Massenware ist gefragt, sondern das individuell gefertigte Einzelstück.
Und in Tirol gibt es zum Glück noch einige Menschen, die solche alte Handwerkskunst hochhalten. Leder, Holz, Metall, Textil, aber auch Stein, Porzellan, Glas und Seife sind die Werkstoffe, aus denen die jeweiligen Meister ihres Faches wunderbare Stücke fertigen. Wir stellen euch ein paar von ihnen vor:
Günter und Marion Hartl: Dogglmacher
Papst Benedikt XVI trägt sie genauso wie Vivienne Westwood: die Rede ist von den typischen Zillertaler Hausschuhen – den sogenannten Doggln. Und ein Dogglmacher – unschwer zu erraten – ist für die Herstellung ebendieser Doggln zuständig. Aus gefilzter Schafwolle gefertigt, sind die Patschen, wie Hausschuhe bei uns in Tirol genannt werden, nicht nur nahezu unverwüstlich, sondern auch ein wahres Klimawunder: im Winter sorgen sie für wohlig warme Füße, während sie im Sommer angenehm kühlen. Marion und Günter Hartl produzieren bis zu 2000 Paar Doggln pro Jahr– ob in klassischem Grau, modischem Pink oder sogar funkelnd mit Swarovski-Kristallen besetzt – je nach persönlichem Geschmack!
Von Hand werden die bekannten Hausschuhe zusammengenäht. Foto: Tyrolia Verlag
Bis zu 2.000 Paar Doggln werden pro Jahr in der Zillertaler Werkstatt produziert. Foto: Tyrolia Verlag
So sehen die fertigen Doggln aus. Foto: Tirol Werbung
Stefanie Wimmer: Säcklermeisterin
„Der Säckler verdankt seinem Namen der Tatsache, dass er ursprünglich große Säcke aus gegerbtem Leder herstellte, bald aber auch Beinkleider und schließlich jede Form der Lederbekleidung“, erklärt Susanne Gurschler im ihrem Buch „Handwerk in Tirol“. Im Falle von Stefanie Wimmer ist der Säckler eine Säcklerin. Sie verarbeitet im 250 Jahre alten Osttiroler Familienbetrieb handgegerbtes Leder – vorzugsweise aus Hirschfell gewonnenem Sämischleder – zu Hosen, Jacken oder Gilets. Damit ähnelt ihre Tätigkeit jener einer Schneiderin, nur dass sie sich zu 100% auf den tierischen Werkstoff spezialisiert hat. Jedes von Stefanie Wimmers Stücken ist ein Unikat und wer auf der Suche nach der perfekten Lederhose ist, kann sich diese mit Hilfe des Lederhosenbaukastens ganz individuell zusammenstellen.
Säcklermeisterin Stefanie Wimmer in ihrer Osttiroler Werkstatt. Foto: Tyrolia Verlag
Wer auf der Suche nach einem Unikat ist, ist bei der Säcklermeisterin an der richtigen Adresse. Foto: Tyrolia Verlag
Chris Kieser: Mikroschnitzer, Graveur, Maler
Ein Amalgam aus Malerei, Bildhauerei, Gravur, Goldschmiedekunst und „den Erkenntnissen der alten Meister“ – so beschreibt Susanne Gurschler den Tiroler Mikroschnitzer. Weltweit gäbe es nur eine Handvoll Künstler seiner Zunft, mit denen er sich messen lässt, sagt Chris Kieser. Wenn man sich seine Werke anschaut, versteht man auch, warum: Millimeter sind bei seiner Arbeit noch eine große Maßeinheit, denn pro Quadratmillimeter setzt er bis zu 1000 Einzelpunkte ins Metall. Dadurch erreicht er eine starke Licht-Schatten-Wirkung, Resultat sind kunstvolle, feinst ziselierte Motive, die Gewehre, Schatullen, Gürtelschnallen und viele andere Objekte zu wertvollen Unikaten machen.
Vollste Konzentration: Graveur Chris Kieser bei der Arbeit. Foto: Tyrolia Verlag
Günther Stecher: Steindrucker und Lithograf
Die Tätigkeit des Steindruckers ist – wie auch schon die zuvor genannten Berufe – in Zeiten des Digitaldrucks ein fast ausgestorbenes Handwerk. Wie gut, dass Günther Stecher noch einer der wenigen ist, der diese Kunst aufrechterhält. Auf Solnhofer Natursteinplatten – jede einzelne wiegt zwischen 50 und 70 Kilogramm – werden Motive seitenverkehrt mit Fettkreide oder -tusche übertragen und dann in einem mehrschichtigen, aufwändigen Verfahren zu Papier gebracht. Dadurch entstehen einzigartige Kunstwerke, die mit schnellen Digiprints so gar nichts gemein haben. Aber gerade das macht sie ja auch so besonders und wertvoll!
Diese Portraits und noch viele andere findet ihr in Susanne Gurschlers neuem Buch „Handwerk in Tirol. Wo Können auf Leidenschaft trifft“ – ein gleichermaßen inspirierender wie informativer Streifzug durch das Tiroler Handwerk von gestern und heute. Erhältlich in der Tyrolia Innsbruck.