Burgruine Thaur: Wie man eine Burg ausgräbt
Blick nach Westen Richtung Torturm.
Jahrhundertelang war die Burgruine Thaur unter Dickicht und Wald verborgen. Dann holte der Verein Chronos Thaur sie wieder ans Licht – und legte damit den Grundstein für das Museum „rundum thaur“.
Versteckt unter wucherndem Grün
Ein markanter Mauerbogen, eine hohe Wand und reichlich Wald bis zum Romediuskirchl – mehr war von der Burgruine Thaur bis knapp nach der Jahrtausendwende nicht zu sehen. Erst 2003 legte der Verein Chronos Thaur zwischen Gestrüpp und alten Absperrungen die ersten Teile der hoch über dem Inntal gelegenen Thaurer Burg frei – und dann Sommer für Sommer ein weiteres Stück. Dazu waren nicht nur etliche Helfer:innen nötig, es brauchte auch viel historisches Wissen und Fingerspitzengefühl. Beides brachten Künstler Franz Brunner und Gemeinderat Joe Bertsch mit ein. Zwölf Sommer lang trug die Gruppe Pflanzen und Erde ab und sicherte das Vorhandene. In Absprache mit dem Landeskonservator nahmen sie auch Ergänzungen vor, wobei ein Rücksprung der Mauern um 5 cm oder eine Linie aus Dachziegeln Neues vom Alten trennt.
Blick von der Vorburg aus.
Um Altes von Neuem zu unterscheiden, wurden feine Linien aus Ziegeln eingefügt oder die Mauern um 5 cm zurückversetzt.
Die wiederentdeckte Burg
Dann war die Ruine wieder in vollem Umfang sichtbar, ein erstaunlich großes Areal, das nun vom Mauerbogen bis zum Romediuskirchl reicht. Schon auf den ersten Blick ist es beeindruckend, noch mehr, wenn einem Joe Bertsch das weniger Offensichtliche bei einem Rundgang erklärt: Er weist auf Bögen hin, die nicht wieder aufgebaut und deren Steine danebengelegt wurden, zeigt, welche Ziegel einem Frosttest besonders gut standhielten, und erzählt von der schwierigen Suche nach passenden Steinen. Denn die Originalsteine wurden über die Jahrhunderte davongetragen, in neuen Häusern verbaut und verschwanden unter Putz.
Die Barbakane stammt aus einer Zeit, als Mauern verputzt wurden und daher weniger schön gemauert wurden als in früheren Jahrhunderten.
Der Torbogen wurde zwar nicht rekonstruiert, die gefundenen Steine aber neben dem Osttor hingelegt.
Funde über Funde
Auf dem Burghügel und in der Umgebung fanden sich beim Graben aber nicht nur die Reste der Burg, sondern auch zahlreiche Hinterlassenschaften früherer Gesellschaften. Tonscherben und Metallobjekte, Schmuck und Pfeilspitzen aus vorhistorischer Zeit gehören dazu, Funde aus der Zeit der Römer und der Völkerwanderung. Unerwartet war die Entdeckung einer spätantiken Höhensiedlung, die anhand von Mauerwerk, einer Goldmünze sowie Skeletten und dem dazugehörigen Friedhof in das 4. bis 8. Jahrhundert datiert werden konnte. So fügte sich Stück um Stück zum Bild dieses über die Epochen hinweg immer wieder besiedelten Ortes.
Was mag das sein? Oft setzte angesichts des Gefundenen das große Rätselraten ein.
Keramik und Metall: Scherben, Schlüssel und Schloss sind nur einige Fundstücke aus Burg und Umgebung
Ein Museum muss her!
Der Reichtum an Fundstücken verlangte geradezu danach, dass vor Ort ein Museum eingerichtet wurde. Entstanden ist es 2018, als an der Stelle eines abgebrannten Bauernhofs der Romediwirt gebaut und im oberen Stock Platz für eine kulturelle Nutzung geschaffen wurde. Im „rundum thaur“ und in der Burgruine selbst kann man seither live und mittels Locandy-App nun tief in die Geschichte eintauchen und anhand der Exponate eine Vorstellung davon gewinnen, wie die Menschen in früheren Jahrhunderten gelebt haben. Dazu kam 2019 das künstlerische Ausgrabungsprojekt LVISE des Wiener Künstlers Reinhard Prohaska, das dem Museum im Jahr darauf den Museumspreis des Landes Tirol bescherte.
Knappe Kunibert geleitet mittels App durch die Burganlage.
Nicht nur deshalb haben sich Romediwirt, rundum thaur und die Burg selbst zu einem beliebten Ausflugsziel entwickelt. Kinder berichten ihren Eltern, was sie bei Führungen gelernt haben, durstige Wanderer lassen sich im Gastgarten nieder und finden anschließend Zeit, die Ausstellungsräume zu besichtigen, andere suchen sich ihren persönlichen Platz auf der Burg, um auszuruhen und den Blick ins Tal schweifen zu lassen. So ist aus einem verwunschenen wieder ein lebendiger Ort geworden, den es zu besuchen lohnt.
In Vitrinen im Ausstellungsraum liegen Schmuck und Glasobjekte, Werkzeuge und – als besonders auffallendes Exponat – eine Brigantine, ein leichtes Panzerhemd aus Leder und Metall.
Gefäß mit Kreuzschraffur im "rundum thaur".
Wie es weitergeht …
Auch Joe Bertsch und Franz Brunner kommen immer wieder hier herauf an den Ort, an dem sie zwölf Sommer lang gegraben, geforscht und gebaut haben. Trotzdem ist die Zeit nicht nur eine Erinnerung, sondern war auch der Ausgangspunkt für etwas Neues: Joe Bertsch fasst sein Wissen um die Burg in wissenschaftliche Artikel, Franz Brunner ist als Spezialist für die Rekonstruktion von Steinen regelmäßig an Ausgrabungsstätten wie Aguntum und dem Magdalensberg beschäftigt. So bringen sie auch heute noch Geschichte ans Licht.
Blick in die Geschichte: Historische Abbildung der Burg Thaur
Burgruine Thaur und rundum thaur
ganzjährig geöffnet
oberhalb von Thaur
6065 Thaur
rundum thaur, tägl. 9–17 Uhr
Eintritt frei