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Unser Bild von der Welt – das älteste Kino Tirols

Aktualisiert am 21.07.2020 in Kulturleben

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Früher brachten die Gäste das Holz für den Ofen im Kinosaal noch selbst mit. Heute werden die Filme digital gestreamt. Aber auch wenn nur wenige Dorfkinder kommen, schalten Heinrich Meindlhumer und sein Cousin Martin den Film an – im ältesten Kino Tirols in Fulpmes.

„Der Blick aus dem Kino-Foyer ist etwas ganz Besonderes: Man schaut auf die Serles über den Stubaier Gletscher bis zum Kreuzjoch. Trotz des tollen Panoramas hat es die Leute hier aber immer schon interessiert, wie es anderswo auf der Welt ausschaut. In Fulpmes steht das älteste Kino Tirols, dieses Jahr feiern wir das 100-jährige Jubiläum. Es war 1920 eine große Sensation, als ausgerechnet in diesem kleinen Bergdorf ein Stummfilmkino aufgemacht hat. Mein Großvater wohnte damals direkt über dem Kino. Als Schmied war er technisch interessiert und ein großer Filmfan – zehn Jahre später übernahm er den Betrieb im Nebenberuf. Reich ist man mit Filmvorführungen hier oben nie geworden.

Das älteste Kino Tirols befindet sich in der 4.250 Einwohner kleinen Gemeinde Fulpmes.Das älteste Kino Tirols befindet sich in der 4.250 Einwohner kleinen Gemeinde Fulpmes.

2017 dachten wir ernsthaft darüber nach, das Kino zu schließen. Aber als ich dann vor dem Haus stand, dachte ich: ‚Nein, das kannst du nicht machen.‘

Zusammen mit meinem Cousin Martin führe ich das Kino heute in der dritten Generation. Zuletzt mussten wir den Betrieb auch mal über längere Zeit einstellen, weil wir nur noch dreißig Gäste im Monat hatten und sich der hohe Aufwand mit den schweren 35-Millimeter-Filmrollen, die immer mal wieder rissen, nicht lohnte. 2017 dachten wir ernsthaft darüber nach, das Kino zu schließen. Aber als ich dann vor dem Haus stand, dachte ich: ‚Nein, das kannst du nicht machen.‘ Das Kino ist eine Institution in Fulpmes. Selbst nach dem Krieg wurden hier Filme gezeigt, da musste jeder Gast einen Scheit Holz für den Ofen im Saal mitbringen.

Heinrich MeindlhumerHeinrich Meindlhumer

Der Cousin MichaelDer Cousin Michael

Heute ist der Betrieb komfortabler: Die Kollegen aus Imst – wo ich ein größeres Kino mit sechs Sälen betreibe – spielen mir den Film einfach digital auf die Leinwand. Martin verkauft die Tickets, gibt Popcorn und Nachos aus und kann sogar zwischendurch nach Hause gehen. Falls etwas mit dem Film schiefläuft, haben wir eine Überwachungskamera installiert, aber in einem Ort wie Fulpmes kann man eine Tür noch offenlassen. Müssten wir immer dabeisitzen und händisch den Film nachlegen, würde es das Kino längst nicht mehr geben. Das ist der Segen der Digitalisierung.

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Es ist für uns Ehrensache, dass wir ‚König der Löwen‘ am Nachmittag auch für eine Handvoll Kinder und ihre Eltern einschalten.

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Martin und ich sind im Kino aufgewachsen, es hängen viele Erinnerungen dran: an die Jugend und den Großvater. Ich weiß zum Beispiel noch gut, dass ich den Film ,Die zehn Gebote‘ von Cecil DeMille vier Stunden lang stehend auf einer Bank gesehen habe, weil wir bis auf den letzten Platz ausverkauft waren. Heute sind die wenigsten Vorführungen so voll. Aber der Neustart ist ermutigend. Auch für viele Touristen ist das Kinogehen im Urlaub zum Ritual geworden.

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Die Leute aus der Region kommen sehr gern, sogar aus dem Wipptal oder aus Innsbruck, wo ich lebe. Obwohl ich nicht mehr im Ort wohne, treffe ich in Fulpmes sehr viele Bekannte, wenn ich mit dem neuen Programm die Runde durch die Hotels und Wirtshäuser im Tal mache. Und wirklich jeder und jede hat eine besondere Erinnerung an diesen Ort. Im Sommer 2019 haben wir das erste Tiroler Kinofest gefeiert – das war etwas wie das Feuerwehr- oder Erntedankfest, wo fast alle hingehen. Wir haben alte Filme gezeigt, die zum Teil sogar hier in der Region gedreht wurden. Martins Mutter spielte zum Beispiel als Kind in ,Autumn Crocus‘ mit, einem britischen Liebesfilm. ,Aufruhr der Herzen‘ zeigten wir auch, da haben ganz viele Einheimische mitgewirkt. Aufgrund der Entstehung 1944 hat er eine gewisse Blut- und Boden-Ästhetik, aber aus heimatgeschichtlicher Sicht ist er für die Leute trotzdem spannend: ‚Wie haben die Wiesen bei uns damals noch ausgesehen? Ach ja, da waren ja die alte Schmieden!‘

Der Segen der Digitalisierung: In einem Ort wie Fulpmes kann man eine Tür noch offenlassen.Der Segen der Digitalisierung: In einem Ort wie Fulpmes kann man eine Tür noch offenlassen.

Wir setzen sonst bei unserem Programm auf aktuelle Feel-Good-Movies und die jüngeren Klassiker: Pretty Woman, Dirty Dancing, Forest Gump. Ich glaube, sowas möchte man sich an einem entspannten Urlaubstag doch sehr gern mal wieder anschauen. Es ist für uns Ehrensache, dass wir ‚König der Löwen‘ am Nachmittag auch für eine Handvoll Kinder und ihre Eltern einschalten. Es ist toll für die Leute aus der Gegend, wenn sie ihre Kleinen nur für einen Film nicht mit dem Auto extra nach Innsbruck fahren müssen. Und die etwas Größeren kommen einfach selbst zu Fuß rüber. Wenn Martin auf dem Weg zum Kino durch Fulpmes geht, laufen ihm die Kinder entgegen und rufen: ‚Was spielt’s denn heute, Martin? Ist das was für uns?‘ Das zeigt uns beiden, dass dieses Kino immer noch geliebt wird.“

Rebecca Sandbichler, geboren 1988, hat Innsbruck einmal den Rücken gekehrt und ist samt Mann und drei Kindern nach Jahren wieder heimgekehrt. Heute ist sie Chefredakteurin der Tiroler Straßenzeitung und kann sie sich einen Sommer ohne Lansersee und Moosbeeren brocken auf der Muttereralm übrigens nicht mehr vorstellen.

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