Mission 007. Die Drehorte von James Bond in Spectre
Im Jänner 2015 kam Schauspieler Daniel Craig für drei Drehtage in die kleine Gemeinde Obertilliach. © Sony Pictures Releasing GmbH
Spannung pur: James Bond, Geheimagent Ihrer Majestät, war für seinen 24. Film „Spectre“ unter anderem in den Drehorten Sölden und Obertilliach unterwegs.
Die höchstgelegene Straße der Alpen. Eine Bergbahnstation aus geschwungenen Stahlrippen. Ein Gipfelrestaurant im Eiswürfel-Design. Mit einem Wort: Sölden. In dem Skiort in den Ötztaler Alpen endete die Jagd der James-Bond-Macher nach dem perfekten Drehort für eine der Action-Szenen des vierten Agenten-Abenteuers mit Daniel Craig.
„Spectre“ (zu Deutsch: Gespenst), sollte den Vorgänger „Skyfall“ toppen, Co-Produzent Gregg Wilson wollte eine „vollkommen irre Sequenz“ abliefern, wie er am Set sagte. Und nach getaner Arbeit in 3.048 Metern Seehöhe schwärmte er: „Es wird spektakulär. Tirol hatte alles, was wir brauchten, um solche Sequenzen zu drehen.“ Dennis Gassner, Produktionsdesigner und Location-Scout, freute sich riesig, die Tradition der typischen, aufregenden Bond-Szenen fortsetzen zu können: „Und was wäre aufregender, als ganz oben zu sein, on top of the world?“
Dass Agent 007 auf den Gaislachkogel kam, ist unter anderem dem Engagement von Bergbahnchef Jakob Falkner zu verdanken. Er hatte im April 2014 auf einer Veranstaltung mitbekommen, dass die Produktionsfirma Sölden als Drehort in Erwägung zog. Von da an begann Falkners ganz persönliche Mission 007: den 24. Bond-Film in die heimische Bergwelt zu holen.
Der Auftrag: strengste Geheimhaltung
Über die österreichische Filmkommission „Location Austria“, Anlaufstelle für internationale Filmproduktionen und Dreharbeiten in Österreich, stellte er den Kontakt zur Produktionsfirma her. Und reiste – im Auftrag seiner Tourismuskollegen – nach London. Die Aufgabe: „Den Verantwortlichen unser definitives Interesse zu signalisieren, indem wir zu ihnen kommen.“ Seine Argumente: „Der Ort ist leicht zugänglich, die Logistik ist hervorragend, das Panorama herrlich“.
Schon als Schüler war Falkner für eine Sprachreise nach London gereist, und auch damals hatte seine Reise mit 007 zu tun: Er besaß wertvolle Karten für eine Kino-Premiere. Vor dem Kino war allerdings eine „unfassbar lange Schlange“, wie er sich erinnert. Zusammen mit seinen Freunden machte er kehrt – und sah den Streifen dann ein paar Tage später.
© Ötztal Tourismus
Der Ice Q und die Gaislachkogelbahn spielen bei den Tiroler Szenen im 24. Bond-Film „Spectre“ die architektonische Hauptrolle. © Ötztal Tourismus
Diesmal schien in London von Anfang an alles gut zu laufen. Der Plan für eine mögliche Zusammenarbeit mit den Produzenten war schnell geschmiedet, Falkner kehrte „mit einem guten Gefühl im Bauch“ zurück ins Ötztal. Nun wollten die Bond-Macher so bald wie möglich selbst die Serpentinen der Gletscherstraße bis auf 2.829 Meter zum Rettenbachferner hinauffahren. Zur futuristischen Mittelstation hinaufgondeln und das Gipfelplateau mit dem jüngst erbauten Gourmetrestaurant „Ice Q“ auf Actiontauglichkeit und Zugänglichkeit prüfen.
Eine Unwägbarkeit war allerdings in Kauf zu nehmen: Im Winter ist die Gletscherstraße normalerweise gesperrt. Lawinengefahr. Dieser Gefahr würde man keine Touristen aussetzen, also auch keinen Daniel Craig.
Die Gletscherstraße in Sölden ist die höchstgelegene Straße der Alpen, der 1,8 Kilometer lange Rosi-Mittermaier-Tunnel Europas höchstgelegener Straßentunnel. Für die Dreharbeiten zu „Spectre“ wurde die Straße ausnahmsweise im Winter geöffnet. © Jörg Koopmann
Und Action!
Zurück in Sölden, scharte Falkner ein kleines Team um sich, niemand sonst durfte von der Mission erfahren. Wenig später wurde dann offiziell bekannt gegeben, worüber die Medien doch schon spekulierten: Sölden wird Bond-Ort. Im Dezember 2014 machte die Filmcrew Probeaufnahmen. Falkner hatte nur die eine Bedingung stellen müssen: „Sicherheit geht vor!“ Doch die Straße konnte geöffnet werden. So fiel im Jänner die Klappe für die „first unit“ mit Hauptdarsteller Daniel Craig, Bond-Girl Léa Seydoux und „Mr. Hinx“ Dave Bautista, im Februar wurde mit Stuntmen weitergedreht.
Einige der Action-Szenen vom Originalschauplatz wurden in London vervollständigt – in einem nachgebauten Ice Q. Falkner flog extra nach London, um sich den Nachbau anzusehen. „Das war schon gewaltig.“ Mittels 3D-Animationen wurde der Ice Q noch vergrößert, im Film sind Nachbau, digitaler Zubau und Original nicht voneinander zu unterscheiden.
Nach drei Wochen Gesamtdrehzeit waren Autojagden und Schießereien vor der weißen Gipfelkulisse im Kasten. Falkner war von Anfang an klar, dass die Ötztaler Gemeinde und der britische Geheimagent ein Traumpaar sind. „Bond ist Action. Sölden ist Action!“, meint er und ergriff noch einmal die Initiative: Nur wenige Meter vom Ice Q entfernt und wie dieser vom Tiroler Architekten Johann Obermoser geplant, entstand die James Bond Erlebniswelt 007 Elements. Sie setzt nicht nur die Dreharbeiten zu „Spectre“ in Szene, sondern lässt Besucher:innen ganz in die Welt von James Bond eintauchen.
Keine Inszenierung benötigt selbstverständlich das Gletscherpanorama und auch die Gondeln der Gaislachkogelbahn sind so futuristisch wie im Film. Fährt man mit Skiern oder Snowboard von der Bergstation auf der Piste ab, dann werden noch mehr Erinnerungen an „Spectre“ wach. Direkt neben der Piste verläuft nämlich die Gletscherstraße, auf der sich ganze 45 Range Rover und zwei Britain Norman Islander-Flugzeuge eine wilde Verfolgungsjagd lieferten.
„Ein Sechser im Lotto“
Wer den Drehort sucht, an dem diese Verfolgungsjagd endet, wird in Sölden jedoch nicht fündig sondern sollte sich vielmehr auf den Weg nach Obertilliach machen. In die kleine Osttiroler Gemeinde reiste die Filmcrew mit einem Sportflugzeug und einem Stadl aus der Steiermark. Der Filmschnitt machte es dann möglich, dass Start, Verfolgungsjagd und (Bruch-)Landung nahtlos aneinander anschließen.
Den Stadl tauften die Einwohner von Obertilliach – die Tillga – „Bond-Haus“. Er war in der Steiermark zerlegt und am oberen Rand einer Piste im Skigebiet Golzentipp wieder aufgebaut worden. An insgesamt vier Orten in Obertilliach wurde für „Spectre“ gedreht. Für die Szenen im und rund um das „Bond-Haus“ und auf der dazugehörigen Skipiste war auch Daniel Craig für drei Tage vor Ort. Kleine Anekdote am Rande: Am ersten Drehtag in Osttirol kamen zwei Kälber zur Welt. Der Bauer entschied sich spontan, die neugeborenen Tiere nach den Hauptdarstellern „Daniel“ und „Léa“ zu taufen.
© EXPA – Johann Groder
Für die Actionszenen in Obertilliach wurde eigens ein „Bond-Haus“ aufgebaut. © EXPA – Johann Groder
Eine weitere Location ist der denkmalgeschützte Ortskern Obertilliachs. „Wegen des historischen Dorfkerns ist die Filmcrew überhaupt auf uns gekommen“, erzählt Bürgermeister Matthias Scherer. Seit März 2014 wusste er, dass Obertilliach sich in der engeren Auswahl befand. Bald hieß es: Sagt die Gemeinde zu, wolle sich die Produktionsfirma auch gar nicht mehr um Alternativen bemühen. Scherer ergriff die Chance: „Mir war gleich klar – da muss ich zuschlagen. Ein solcher Dreh ist wie ein Sechser im Lotto für unseren Tourismusort“, ist sich Scherer mit Falkner einig. Die Vorarbeiten begannen noch Anfang September 2014. Damit der Ortskern auch tief winterlich erscheint, wurde mit extra Schnee nachgeholfen.
687-Seelen-Gemeinde plus ein Geheimagent
Mitte Jänner 2015 wurde auf der Piste gedreht, wofür der Lift für zwei Tage gesperrt werden musste. Spektakulär ging es auch in einem Waldstück neben dem Skigebiet Golzentipp zu. Dort wurde das Sportflugzeug durchgejagt. „Im Winter zuvor wurde eine Schneise geschlagen, um die Stromleitungen, die durch die Schneelast immer wieder ausgefallen sind, in den Boden zu verlegen“, erzählt Dorfchef Scherer von der – zwar nicht für den Dreh geplanten, aber im Nachhinein sehr praktischen – Vorarbeit.
Spektakuläre Kinobilder lieferten die in Obertilliach gedrehten Szenen mit dem Sportflugzeug. © EXPA – Johann Groder
Scherer zieht ein ähnliches Fazit wie die Verantwortlichen in Sölden: Die Arbeit sei sehr angenehm gewesen und viel unkomplizierter und vor allem weniger förmlich, als man es sich vorgestellt hatte. Anfängliche Bedenken seitens der Dorfgemeinschaft hätten sich bald zerstreut, betont der Bürgermeister. „Die Produktionsfirma hat sich sehr bemüht, den Anrainern entgegenzukommen. Das war alles sehr professionell“, zeigt sich Scherer begeistert. Die Eigentümer eines Hauses in unmittelbarer Nähe des Bond-Stadls wussten es zu schätzen, versorgten Filmcrew und Security-Mannschaft sogar mit selbstgemachten Köstlichkeiten und luden die Hauptdarsteller zum Aufwärmen in ihre Stube ein. Einladung angenommen, dachte sich wohl Bösewicht „Mr. Hinx“ Dave Bautista. Und weil es so gemütlich war, schlief er prompt am Sofa ein.
Wenn der Geheimagent seiner Majestät geht, kehrt wieder Ruhe ein und Osttirol zurück zum sanften und naturbelassenen Tourismus: Als Bautista, Craig, Seydoux und die anderen Schauspieler abgereist und auch die Dreharbeiten mit den Stuntmen beendet waren, verwandelte sich Obertilliach wieder zurück in ein idyllisches Urlaubs- und Bauerndorf. Mit ihrem Biathlonzentrum ist die Gemeinde als Trainings- und Wettkampfort für Langläufer:innen und Biathlet:innen ebenso beliebt wie als Ski- und Wanderregion. Die Filmbauten wurden bis auf eine kleine Hütte wieder abgebaut, die Waldschneise, durch die das Flugzeug abstürzte, wieder aufgeforstet.
007 Daniel Craig bei den Dreharbeiten in Sölden. © 2015 Columbia TriStar Marketing Group, Inc. and MGM Studios, Photo Credit: Alexander Tuma