Ausflugsziele rund um Innsbruck: Der Brenner Basistunnel als Erlebniswelt
In den Tunnelwelten warten viele Experimentierstationen auf kleine und große Entdecker. Hier im Bild: der Stausimulator. © BBT SE
Wo schon zur Zeit der Römer reger Handel betrieben wurde, entsteht heute die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt. Der Brenner Basistunnel ist ein von der Europäischen Union kofinanziertes, österreichisch-italienisches Gemeinschaftsprojekt, das Güter und Reisende auf die Schiene bringen soll. Tiefe Einblicke in das Rekordbauwerk bekommt man in den BBT-Tunnelwelten in Steinach am Brenner im Nordtiroler Wipptal. Wir haben uns an einem Regentag im Ausflugsziel umgesehen.
Noch bevor die Regenjacken ordentlich ausgezogen sind, starten die Kinder schon zum Sprengsimulator, der auf sie eine magische Anziehungskraft ausübt. Offenbar wie Eis auf Wespen wirken Feuer, Lärm und bedienbare Knöpfe auf halbstarke Zehnjährige. Ganz verdenken kann ich es ihnen nicht, ich bin nur ein bisschen beleidigt, weil sie mich den Sprengknopf nie drücken lassen. Während meine Kinder und ihre Freunde, alias Neo-Sprengmeister, einen rekordverdächtigen Vortrieb schaffen, sehe ich mich ein wenig in der Eingangshalle um. Der Brenner mit seinen 1.371m Seehöhe ist einer der meistüberquerten Pässe der Alpen, was die Region zu einem Dreh- und Angelpunkt für europäische Reisende und das nahegelegene Innsbruck zu einem Verkehrsknotenpunkt macht. Die historische Bedeutung des Alpenübergangs wird hier im ersten Raum anschaulich dargestellt, Zitate von berühmten Reisenden verdeutlichen das.
Historische Funde im Wipptal belegen, dass schon zur Römerzeit über den Brenner reger Handel betrieben wurde. So wurden auch die Überreste einer Straße gefunden. Dabei handelt es sich um die „Via Raetia“, ein der wichtigsten Straßen dieser Zeit. Kaiser Septimius Severus ließ um 200 n. Chr. die bestehenden Wege durch Brückenbauten und Wasserregulierungen zur befestigten Straße ausbauen und verkürzte so die Verbindung von Verona nach Augsburg um zwei bis drei Tagesreisen. Die Straße machte den Brenner zu einem sehr wichtigen Alpenübergang und bildete die Grundlage für die mittelalterliche, nach Norden verlängerte Reichsstraße „Via Imperii“.
Aber warum einen Tunnel bauen, wenn es doch eh einen Pass gibt?
Die Idee, eine unterirdische Verbindung zwischen Nord- und Südseite der Alpen zu errichten, hatte bereits der italienische Ingenieur Giovanni Qualizza im Jahr 1847. 160 Jahre sollten aber noch vergehen, bis 2007 auf italienischer Seite und 2009 auf österreichischer Seite die ersten Sprengungen für den Brenner Basistunnel vorgenommen wurden. Das milliardenschwere Rekordbauwerk wird voraussichtlich 2032 – mit seinen 64 Kilometern als längster Eisenbahntunnel der Welt – in Betrieb gehen. Güter- und Personenverkehr sollen dann auf die Schiene verlagert und ein nachhaltigeres Reisen zwischen Nord- und Südeuropa ermöglicht werden. Auch die Reisezeit mit der Bahn zwischen Innsbruck und Franzensfeste verkürzt sich dann von derzeit 80 auf 25 Minuten – Staus auf der Autobahn nicht eingerechnet.
Mit bis zu 250kmh werden Züge nach Fertigstellung des Basistunnels den Brenner unterqueren. © BBT SE
Schweres Gerät unter Tage. © BBT SE
Ganz vertieft in die vielen Info- und Schautafeln, ist mir entgangen, dass das Gelächter der Kinder leiser geworden ist und kein Sprenggeräusch mehr aus dem Schautunnel kommt – dafür läutet es jetzt schrill aus einer anderen Ecke des Raums. Mir schwant Übles, mache als Urheber aber ein Telefon aus, das aussieht, als hätte es schon im Jahr 1800 Ohren malträtiert. „Mama, wir sind schon nach oben gegangen“, tönt es aus dem historischen Streckentelefon und im Hintergrund kichert es. Ich reiße mich also los und finde die Kinder in der Bauecke, wo die Kleinen Riesenbauklötze zweckentfremden und aus Schaumstoff Tunnelschalungen (sogenannte Tübbings) nachbauen. Die Großen spielen derweil friedlich mit der Holzeisenbahn, während sie darauf warten, dass der Bahnsimulator frei wird. Und weil meine Anwesenheit mal wieder nicht erforderlich ist, setze ich mich auf einen Kaffee ins angrenzende JUFA-Gästehaus und beobachte die Kinder durch die Fensterscheibe. Die ist nennenswerterweise schalldicht.
Gar nicht so leicht, die Tübbings so einzusetzen, dass sie auch halten. © Tirol Werbung, Julia König
Die Bande und die Bahn
Für die Kinder hat sich das Warten auf den Bahnsimulator gelohnt. In einem „halbierten“ Railjet mit echten Sitzreihen ist ein Führerstand mitsamt Bedienelementen untergebracht, ein großer Bildschirm zeigt dabei die Bahnstrecke zwischen dem Brenner und Innsbruck, was für ein ziemlich echtes Fahrerlebnis sorgt. Und weil sich die restlichen Besucher gerade anderen Exponaten zuwenden, können die Kinder nach Herzenslust den Lokführer mimen - wobei ich ehrlich gestehen muss, dass ich mich nach dieser Erfahrung niemals mehr in einen von meinen Kindern gesteuerten Zug setzen würde…zu oft gab es in der einen Stunde Notbremsungen und Alarme wegen erhöhter Geschwindigkeit, von der vielen Huperei mal ganz abgesehen. Am Abend werden zumindest die Buben den Bahnsimulator als ihr persönliches Highlight nennen.
Die Neo-Lokführer haben sichtlich Spaß. © Tirol Werbung, Julia König
Und auch den Fahrgästen taugt die rasante Fahrt. © BBT SE
Ich habe genug Action für heute und schaue mich weiter in den Tunnelwelten um. Experimentinstallationen veranschaulichen allerlei Wissenswertes über Geologie und endlich verstehe ich, warum Quellen sprudeln und wie es zu jenen Erdverwerfungen kommt, die letztlich die Alpen geformt haben. Beim Seismografen angekommen, schlägt dieser plötzlich aus und ich bin recht erleichtert, als ich sehe, dass hier kein Erdbeben aufgezeichnet wurde, sondern lediglich die von mir selbst verursachte Erschütterung. Ein bisschen beunruhigt mich das aber auch - aber bevor ich den Gedanken, dass ich mir die Pandemie vielleicht doch ein bisschen zu sehr mit Kuchen versüßt habe, zu Ende denken kann, stürmen die Kinder freudig herbei und messen sich im höchsten Ausschlag. Ich gewinne übrigens, war ja klar.
Günther und der Steinspielplatz
Der Nachmittag ist schon ziemlich fortgeschritten und doch gäbe es noch so viel mehr zu sehen: Edelsteine in Schaukästen, Bauarbeiter unter Tage, interaktive Darstellungen des Tunnels, Gesteinsschichten unterm Mikroskop. Weil der Regen aber nachgelassen hat und die Sonne freundlich zwischen den Wolken durchblinzelt, geht’s kurz auf den Spielplatz. Die Kinder können hier Steine schleifen und auf dem Steinxylophon spielen, lieber sehen sie sich aber Günther an. Günther ist ein Bohrkopf einer Tunnelbohrmaschine, beeindruckende 8 Meter hoch und ein echter Weltrekordhalter: im Mai 2017 hat er in 24 Stunden stolze 61,04 Meter Tunnel gegraben. Er fasziniert die Kinder so sehr, dass sie kaum wegzubewegen sind. Der neu aufziehende Regen treibt sie dann doch wieder rein und schon ein bisschen erschöpft genießen sie eine kurze Hörbuchstunde in der sogenannten Kaverne. Als es dann Zeit wird zu gehen, muss ich den Kindern versprechen, bald wieder herzukommen.
Günther und seine Groupies. © BBT SE
Fazit
Die Tunnelwelten sind besonders an Schlechtwettertagen ein tolles Alternativprogramm. Für Kinder gibt es hier Wissen zum Angreifen und die Großen können sich auf spannende Einblicke in dieses europäische Großprojekt freuen. Besonders beeindruckt hat mich die Kinderfreundlichkeit und die Qualität der Exponate – und das bei freiem Eintritt!
Die Tunnelwelten sind barrierefrei zugänglich, können also problemlos mit Kinderwagen und Buggy besichtigt werden. Speis und Eis bekommt man im angeschlossenen JUFA Wipptal.
BBT Tunnelwelten
Alfons-Graber-Weg 1, A-6150 Steinach am Brenner |
+43.512.4030-400 | tunntelwelten@bbt-se.com | www.tunnelwelten.com |
Dienstag bis Sonntag von 09:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Montags geschlossen.
An trockenen Tagen verspricht der Steinspielplatz viel Wasserspaß. © Tirol Werbung, Julia König