Eigentlich ist die Tiroler Küche ziemlich deftig: Die Klassiker sind…
Fleischlos glücklich – unser Veggie-Guide durch Tirol
Vegetarier, Flexitarier – oder einfach Lust, auf mehr Abwechslung in der Speisenfolge? In Tirol steht fleischlose Küche nicht unbedingt für Verzicht, sondern für eine Erweiterung des kulinarischen Erfahrungshorizontes. Im Restaurant im Tal, in der Hütte auf dem Berg oder in der Unterkunft lassen sich immer öfter Gerichte entdecken, deren Klasse auf vegetarischen Zutaten aus der Region, überraschenden Kombinationen und Rezepturen beruht.
Im Tal
Oniriq | Innsbruck
Schon der Name gibt einen Hinweis darauf, dass im Oniriq (onirique = Traum) Träume wahr werden. Dass es vor allem vegetarische Träume sind, verrät ein Blick auf die Speisekarte. Da steht ein vegetarisches Sieben-Gang-Menü, wer Fleisch oder Fisch haben möchte, muss diese als Ergänzung dazu bestellen. Küchenchef Christoph Bickel hat sich dem Nova-Regio-Stil verschrieben, der durch das Spitzenrestaurant „Noma“ in Kopenhagen weltweit Bekanntheit erlangte. Ananas oder andere weitgereiste Zutaten kommen also nicht auf die Teller, stattdessen werden Klassiker der Tiroler Küche neu interpretiert und mit saisonalen und regionalen Zutaten zubereitet. Das „Tiroler Gröstl“ kommt beispielsweise in Form eines pochierten Wachteleis mit Röstzwiebelmayo in einem Nest aus rohen Kartoffelfäden daher. Auch wird im Oniriq begeistert konserviert. So kann man beispielsweise kosten, wie eingelegte Löwenzahnknospen oder Fichtentriebe schmecken. Wer schon immer einmal wissen wollte, wie Tirol zu einem bestimmten Zeitpunkt schmeckt, sollte also dem kleinen Restaurant in der Innenstadt von Innsbruck einen Besuch abstatten. Oder mehrere. Schließlich schmecken Frühling und Herbst ganz unterschiedlich.
Im Qniriq werden vegetarische Träume wahr.
Klassiker der Tiroler Küche werden neu interpretiert und mit saisonalen und regionalen Zutaten zubereitet.
Schmeckeria | Innsbruck
In der Schmeckeria fühlt man sich sofort wie zu Hause – wenn das eigene Zuhause eine Blumentapete und gemütliche Bistro-Tische hat. Das Retro-Paradies liegt nur wenige Schritte außerhalb der Innenstadt im Stadtteil Wilten und ist perfekt für Frühstück und Mittagessen geeignet. Passend zum Wanddesign kommt als Spezialität des Hauses die „Schmeckeria Blumenwiese“, ein veganer Flammkuchen, auf den Tisch. Auch sonst legt Inhaber Georg Dominguez viel Wert auf ein rein pflanzliches Angebot: 95 Prozent der Speisen und Getränke sind vegan, für Extras wie Hafermilch wird kein Aufpreis verlangt. Der Kaffee stammt von „Unbound-Coffee“ mit drei verschiedenen Röstungen zur Auswahl. Als gelernter Sommelier veranstaltet Dominguez einmal im Monat ein Event rund um das Thema Wein und kredenzt in der Schmeckeria ausgewählte biologische und vegane Weine sowie Naturweine. Mit 22 Sitzplätzen und einer nur 3 m² großen Küche ist das Lokal zwar klein, aber auch für Caterings und Eigenveranstaltungen geöffnet.
Immer frisch zubereitet: die köstlichen Tagesmenüs der Schmeckeria. © Schmeckeria
one_green table | Innsbruck
In der Innsbrucker Defereggerstraße ‑ da, wo früher Oscar gekocht hat ‑ befindet sich heute das one_green table. Das "one" im Namen des kleinen Lokals ist dabei die übergreifende Klammer im Konzept des Restaurants: ein Tisch, ein Menü. Und ebenjenes hat es in sich! Zehn, maximal 12, Gäste nehmen gemeinsam am einzigen Tisch des Lokals Platz, um das fünfgängige Festmahl von Küchenchefin Sonja Kapplmüller zu genießen. Die puristische Einrichtung sollte Gäste jedoch nicht irritieren, vielmehr wird damit ermöglicht, sich voll auf die rein vegetarischen und veganen Gerichte zu konzentrieren. Diese nämlich kommen ganz und gar nicht simpel auf den Tisch. Zwar ohne Schnickschnack aber mit einer ordentlichen Portion Kreativität zaubert Kapplmüller Farbenfrohes und Vielfältiges auf den Teller. Saisonal, regional und hauptsächlich in Bio-Qualität, versteht sich. Um an diesem Erlebnis teilhaben zu können, empfiehlt es sich, vorab einen Platz am Holztisch des one_green table zu reservieren. Tipp: Die Straßenbahnlinie 5 hält direkt vor dem Restaurant, Parkplätze können in der Umgebung recht knapp sein.
Spargel, Rhabarber, Feta, Pistazie
Auf dem Berg
Nördlinger Hütte | Reith bei Seefeld | Karwendel
Hüttenwirt Tobias isst selbst gerne vegetarisch, aber dass sich auf seiner Speisekarte vor allem fleischlose Gerichte finden, hat andere Gründe: Die Hütte liegt recht exponiert auf 2.238 Metern im Naturpark Karwendel, in der Küche hat er nur wenig Strom und Wasser zur Verfügung. Wenn es Fleisch gibt, dann etwas Schinken oder Speck, denn dafür braucht er keinen Kühlschrank. Der Genuss kommt hier trotzdem nicht zu kurz – im Gegenteil. Tobias ist ausgebildeter Küchenmeister; bevor er die Pacht der Nördlinger Hütte übernahm, hat er unter anderem unter Christian Jürgens im 3-Sterne-Restaurant Überfahrt am Tegernsee gekocht. Jetzt verwandelt er mit seinem Können die begrenzten Ressourcen in vegetarische Köstlichkeiten, zum Beispiel in eine Kräuterschöberlsuppe mit frischen Alpenkräutern. Besonders in Erinnerung bleiben dürfte den Gästen aber der Nachtisch: Gleich fünf verschiedene Arten Kaiserschmarrn stehen auf der Karte, von Erdbeer-Rhabarber bis Schokolade – und selbstverständlich werden alle mit Rum flambiert.
Kaiserschmarren auf der Nördlinger Hütte.
Käsebrot auf der Nördlinger Hütte.
Neue Regensburger Hütte | Neustift | Stubaier Alpen
Mit dem Pächter Christian Tomaselli beginnt für das Hüttenwesen in Tirol eine neue Ära, denn die Neue Regensburger Hütte ist die erste, in der rein vegetarisch gekocht wird. Die (Bio-)Zutaten sind nachhaltig produziert, überwiegend regional und saisonal. Kartoffeln, Gemüse, klassische Tiroler Gerichte wie Knödel, Polenta, Strudel und Nudeln werden kreativ zubereitet – manchmal auch mit nepalesischer Note. Das Angebot an Gerichten ist vielfältig und reicht von der Hochzeitssuppe über den Regensburger bis hin zu Waffelknödeln. Als Desert wird unter anderem der preisgekrönte Gibaniza Strudel serviert, der besonders für Entscheidungsunfreudige eine gute Alternative bietet - schließlich harmonieren in der slowenischen Spezialität gleich mehrere verschiedene Füllungen miteinander. Bei solchen Aussichten nimmt man die – je nach Weg – drei bis fünf Stunden Aufstieg gerne in Kauf.
Der Aufstieg zur Regensburger Hütte lohnt sich nicht nur für die Aussicht... © Neue Regensburger Hütte...sondern auch für die kreativen Waffelknödel. © Neue Regensburger Hütte
Glungezer Hütte | Tulfes | Tuxer Alpen
Italienisch-nepalesische Fusionsküche? Auf 2.610 Metern? Mitten in den Tuxer Alpen? Ja, richtig gelesen. Doch die Feinschmecker, die jetzt hektisch zu ihrem Guide Michelin gegriffen haben, um nachzuschlagen, welches kulinarische Kleinod ihnen da entgangen ist, können sich wieder beruhigen. Denn auf der Glungezer Hütte geht es zwar genüsslich, aber bodenständig zu. So gibt es zum Beispiel die berühmten Spaghetti Kathmandu nach einem Geheimrezept von Sherpa Purba, die mit einer nepalesisch-pikant gewürzten Gemüsesauce serviert werden. Oder eine wärmende, nepalesische Linsensuppe. Der Grund für den südasiatischen Einfluss in der Speisekarte ist ein Projekt der NepalHilfe Tirol: Seit beinahe zwei Jahrzehnten kommen nepalesische Sherpas nach Tirol, um auf ausgewählten Hütten für eine Saison zu arbeiten und Geld zu verdienen, die Glungezer Hütte ist eine von ihnen. Ein Gewinn nicht nur für alle vegetarischen Bergsteiger, können sie so doch auch mal etwas anderes essen als Kaspressknödel. Obwohl sie selbst die nicht missen müssen – auf der Glungezer Hütte werden sie, ganz klassisch, in einer Brühe serviert.
Aldranser Alm | Aldrans | Tuxer Alpen
Auf der Speisekarte der Aldranser Alm stehen all die Tiroler Klassiker, ohne die ein vegetarisches Dasein in Tirol nur schwer vorstellbar wäre, und noch einige Spezialitäten dazu: Kaspress- und Spinatknödel, dazu Spinat-Brennessel- und Spinat-Gorgonzola-Knödel. Auch Kasspatzln und Kaiserschmarren kommen immer wieder auf den Teller. Jeden Aufstieg wert sind die selbstgemachten Kartoffelblattln, denn diese regionale Spezialität servieren nur sehr wenige Restaurants und Hütten in Tirol. In Öl knusprig ausgebacken, schmecken sie salzig mit Sauerkraut ebenso gut wie süß mit Preiselbeeren oder Apfelmus. Eine Ziegenherde gibt Milch für den hausgemachten Ziegenkäse, der in verschiedenen Variationen serviert wird.
Von Innsbruck aus ist die Alm sehr gut erreichbar, wandernd braucht man circa eineinhalb Stunden – perfekt nicht nur für eine After-Work-Runde, sondern auch am Morgen: Denn auf der Aldranser Alm wird auch ein Frühstück angeboten, das aufgrund des unversperrten Blicks auf Innsbruck und die Nordkette, des frisch gebackenen Brots und der hausgemachten Marmelade ziemlich unschlagbar ist.
Auch für Morgenmuffel ein idealer Start in den Tag: der Aufstieg zur Aldranser Alm (und die Aussicht auf ein frisches Frühstück) muntert garantiert auf! © Aldranser Alm
Kartoffelblattln süß oder pikant, aber immer mit Blick auf Innsbruck und seine Nordkette. © Aldranser Alm
Lucknerhütte | Kals am Großglockner | Glocknergruppe
Wunderschön eingebettet mit Blick auf den Großglockner liegt die Lucknerhütte im oberen Ködnitztal. Die Hütte wurde erst kürzlich renoviert – und auch die Küche kommt frisch daher. Vegetarier werden nicht nur bei den täglich wechselnden Gerichten auf der Tageskarte fündig, auch auf der Standardkarte finden sie eine gute Auswahl fleischloser Gerichte. Beliebt ist zum Beispiel die vegane Ofenkartoffel, die mit Wurzelgemüse, Artischocken, Kokosmilch, Mandeln und Salat serviert wird. Aber auch Klassiker wie Spinatknödel gibt es, auf der Lucknerhütte wird er mit brauner Butter oder Gorgonzolasauce serviert. Die Hütte wird von Familie Oberlohr betrieben, die mit dem Lucknerhof und der Luckneralm eine eigene Bio-Landwirtschaft betreiben. Von dort werden viele der Produkte geliefert, die es auf der Lucknerhütte zu essen gibt. Tipp: Ein bisschen Platz lassen für den hausgemachten Heidelbeerkuchen, der einen legendären Ruf genießt.
Im Angesicht des Großglockners…
….schmeckt die Berglinsensuppe gleich noch viel besser.
Von Ankunft bis Abfahrt
Wellnesshotel Theresa | Zell am Ziller
Im Theresa beschäftigt man sich schon lange mit der Frage, wie man ein Wellnesshotel möglichst nachhaltig betreiben kann. In der Kulinarik setzt Küchenchef Stefan Egger deshalb stark auf saisonale und vor allem regionale Produkte. Sein Motto: Wenn man etwas nicht aus der Region beziehen kann, muss man eben darauf verzichten. Wie Verzicht liest sich die Speisekarte im Gourmetrestaurant aber nicht. Es gibt ein vielfältiges Angebot von raffinierten, vegetarischen Speisen – von der Fenchellasagne bis zum gefüllten Kohlrabi. Sogar Alpines Sushi steht auf der Karte, mit Reis aus Niederösterreich oder Polenta aus der Steiermark, eingerollt in Rotkohl oder Wirsing. Das Hotel ist mit dem AMA Gastrosiegel ausgezeichnet, was bedeutet, dass sich die Herkunft aller Zutaten einwandfrei nachvollziehen lässt. Der Honig stammt beispielsweise von den eigenen Bienen.
Von der Fenchellasagne bis zum gefüllten Kohlrabi. Sogar Alpines Sushi steht auf der Karte.
Hotel Pension Tyrol | Mösern bei Seefeld
„Dann lass halt alles weg, was du nicht essen kannst“: ein Satz, den Menschen mit eingeschränkten Ernährungsweisen ständig zu hören bekommen – und der ihnen meistens auf die Nerven geht. So auch Conny Wolters, die das Hotel Tyrol in Mösern betreibt und selbst Vegetarierin ist. Für ihr eigenes Restaurant hat sie sich deshalb das Ziel gesetzt, die vegetarische und vegane Küche aus ihrem Dasein als Beilagenverwertung zu befreien und allen Gästen ein vollwertiges Essensangebot zu machen. Auf der Speisekarte steht immer auch ein veganes Menü, zu essen gibt es frische Hausmannskost, zum Beispiel Sojaroulade und Quinoaplätzchen. Ein besonderes Anliegen ist Conny außerdem das Frühstück, das in den meisten Hotels eine Herausforderung für Veganer darstellt. Im Hotel Tyrol gibt es alles, was vegane Frühstücksmägen glücklich macht, vom Kichererbsenomelette über veganen Kaiserschmarrn und selbstgemachte Aufstriche aus Mungbohnen und Tofu.
Vegane Cheese Cake im Hotel Tyrol.
Naturhotel Outside – Gourmetrestaurant Inside | Matrei
Für das Fleisch, das im Inside serviert wird, kauft das Hotelrestaurant dem Bauer das ganze Tier ab – und bereitet es von Kopf bis Schwanz zu. Vegetarier dürfte das allenfalls am Rande interessieren. Aber es ist ein guter Hinweis darauf, wie hier gearbeitet wird: regional, saisonal, nachhaltig. Und bei so viel Sorgfalt in der Produktauswahl ergibt es sich ganz natürlich, dass ein Großteil der Speisekarte vegetarisch ist. Auch hier wird darauf geachtet, wo die Zutaten herkommen, das Brot wird etwa mit Osttiroler Urweizen gebacken. Das Restaurant des familiengeführten Hotels beeindruckt durch seinen alpin-mediterranen Stil und wurde – vor allem auch wegen der vegetarischen Gerichte – bereits mehrfach ausgezeichnet. Ein besonderes Anliegen der Familie Ganzer ist es, die regionale Wertschöpfung zu fördern und auch die Einheimischen in ihrem Restaurant als Gäste zu begrüßen. Das klappt hervorragend – auch weil sich die gute Küche in der Region bereits herumgesprochen hat. Es empfiehlt sich deshalb, zu reservieren.
Regional, saisonal, nachhaltig. Der kulinarische Dreiklang im Hotel Outside.
Extratipp
Guat’z’Essen, Stumm im Zillertal
Im Zillertal hat Peter Fankhauser mit seinem vegetarischen Restaurant „Guat’z‘ Essen“ eine kulinarische Revolution gestartet. Wir haben ihn in seiner Küche besucht, um herauszufinden, wie er das Gemüse aus dem eigenen Permakulturgarten in kleine Kunstwerke verwandelt. Hier geht’s zum Beitrag über das Restaurant, hier zum Video.