Wie wird das Bergheu zum Heumilchkäse? Entlang der Tiroler Genussrouten…
Wein aus Tirol: Wenn Reben bergsteigen
Einst belächelt, heute preisgekrönt. Immer mehr Alpen-Winzer keltern in Tirol Wein mit bemerkenswerter Qualität. Was südlich des Brenners eine lange Tradition hat, ist weiter nördlich eine Pionierleistung.
Schnipp. Die guten ins Töpfchen, die fragwürdigen ins Kröpfchen. „Wenn du nicht sicher bist, koste die Trauben. Was nach Essig schmeckt, wirfst du weg“, erklärt Peter Zoller. Es ist meine erste Weinlese und ich schnipsle mich durch den Weingarten des Tiroler Wein-Pioniers. Schnipp. Die Gipfel der Ötztaler Alpen sind schon angezuckert und es duftet nach Herbst.
An diesem sonnigen Oktobertag sind die Blauburgunder-Trauben dran. Prall und süß hängen sie an den Weinstöcken. In Nordtirol geht die Ernte weit später als in Ostösterreich oder Südtirol über die Bühne. Meine Mitstreiter sind allesamt Freiwillige aus der Region, die mit einer Flasche Chardonnay und einer zünftigen Jause entlohnt werden. Tiroler Wein ist heiß begehrt.
Peter Zoller misst den Zucker seiner Trauben mit dem Refraktometer.
Blauburgunder-Lese im Tiroler Weingut Zoller-Saumwald.
Audio: Peter Zoller über den Weinbau in Tirol
Der Berg als Backofen
„Wir sind hier direkt unterhalb des Tschirgant-Massivs. Untertags heizt sich der Fels auf und speichert die Wärme. Nachts wirkt er wie ein Backofen, der die Weinstöcke warmhält“, erzählt Peter Zoller. Der pensionierte Lehrer war 1997 einer der Ersten, der in Nordtirol Wein gekeltert hat. „Klar wurde ich belächelt“, sagt der Winzer. Weinbau mitten in den Alpen, das hielten viele für verrückt. Zu hoch, zu gebirgig, zu kalt.
Dabei bieten die kalkigen Böden und die vielen Sonnenstunden in Haiming sehr gute Bedingungen. „Zuerst war es nur ein Versuch mit ein paar Reben ums Haus. Aber es hat funktioniert und wurde immer größer“, erinnert sich Elisabeth Saumwald. Heute füllt Peter mit seiner Lebensgefährtin 5.000 Flaschen Qualitätswein pro Jahr ab. Der Weißwein des Winzer-Paars ist preisgekrönt und die Spötteleien sind großem Respekt gewichen.
Der Fels des Tschirgant erzeugt ein ideales Mikroklima.
Die Winzer Peter Zoller und Sieglinde Knabl beim fachsimpeln.
Die Wiedergeburt des Tiroler Weinbaus
Peters Pioniergeist hat einen historischen Hintergrund. Bis zum 16. Jahrhundert waren Rebstöcke in Nordtirol ein gewohnter Anblick. Kaiser Maximilian förderte den Weinbau zwischen Landeck und Kitzbühel. Nicht zuletzt, weil seine Soldaten täglich eine Ration Wein bekamen. Erst als die „kleine Eiszeit“ für ein kühleres Klima in den Alpen sorgte, wurde der kommerzielle Anbau aufgegeben.
„Der Klimawandel spielt uns natürlich in die Hände“, sagt der Alpen-Winzer. Peters Weinstöcke blühen immer früher und die Vegetationszeit verlängert sich. „Damit erreichen wir höhere Zuckergrade in den Beeren, was die Qualität verbessert“, erzählt der Weinbauer. Seit etwa 20 Jahren erlebt der Weinbau eine Renaissance in Tirol. Vor allem der Produktion von Weißwein wird eine goldene Zukunft vorausgesagt.
Peter Zoller ist der Gründer des Tiroler Weinbauverbandes.
Die Qualität der Trauben wird händisch überprüft.
Qualitätswein Österreich
Nach dem österreichischen Weingesetz dürfen Qualitätsweine erst nach staatlicher Prüfung und Vergabe einer staatlichen Prüfnummer in Verkehr gebracht werden. Die Kennzeichnung erfolgt durch die Angabe des Weinbaugebietes, der Rebsorte, des Jahrgangs und der Qualitätsstufe.
Haiming ist bekannt für seine guten Äpfel und bietet auch für den Weinbau beste Bedingungen.
Die Ernte muss mit Netzen vor Vögeln geschützt werden.
Der Tiroler Weinbauverband
„Wir helfen uns gegenseitig, von Brotneid keine Spur“, sagt Sieglinde Knabl. Sie ist eine von Peters Erntehelferinnen und betreibt selbst ein kleines Weingut im nahe gelegenen Mieming. „Mein Mann ist verstorben und hat mir den Weingarten überlassen. Aber ich hatte keine Ahnung vom Weinbau. Nächtelang habe ich dann YouTube-Videos angeschaut und alles gelesen, was es zum Thema gibt“, erzählt sie. Erst kürzlich hat Sieglindes Wein das Prädikat „Qualitätswein Österreich“ erhalten.
Da immer mehr Neo-Winzer viel Zeit und Geld in ihr Hobby investieren, hat Peter Zoller den Tiroler Weinbauverband gegründet. Was die Mitglieder eint, ist das Streben nach höchster Qualität. Der Verein organisiert Fortbildungen und es gibt einen regen Austausch mit Weingütern aus Südtirol und dem Osten Österreichs. Mit Georg Flür aus Tarrenz hat der Weinbauverband sogar den ersten Vollerwerbs-Winzer in seinen Reihen.
Der Tiroler Weinbauverband
Mittlerweile gibt es bereits 14 Weinbaubetriebe in Tirol.
Die Barrique-Fässer kauft Peter in Frankreich.
Die Beeren werden direkt im Eichenfass eingemaischt.
Exklusives Nischenprodukt
Trotz Wachstum und Professionalisierung sind die Tiroler Weinbauern noch weit davon entfernt, eine Konkurrenz für die etablierten Weinanbaugebiete zu sein. „Alle zusammen bewirtschaften gerade einmal 12 Hektar, das sind 17 Fußballfelder. In Niederösterreich hat das ein mittlerer Betrieb“, schmunzelt Peter Zoller.
In der lokalen Gastronomie ist Tiroler Qualitätswein jedoch ein begehrtes Nischenprodukt. „Bei mir im Lokal verkauft er sich wie warme Semmeln. Wenn ich zum Tisch komme und Nordtiroler Wein anbiete, dann sind die Gäste positiv überrascht“, erzählt Hannes Neurauter. Der Sommelier betreibt die „Orangerie“ in Stams und sichert sich jedes Jahr ein paar Flaschen vom Weingut Zoller-Saumwald.
Die ganze Familie hilft mit, auch Sohn Florian Zoller.
Preisgekrönt: Der Chardonnay aus dem Hause Zoller-Saumwald.
Winzer aus Leidenschaft
„Wir werden nie mit Masse punkten, dafür aber mit Klasse und Begeisterung“, sagt Elisabeth Saumwald. Weiterwachsen soll ihr Weingut nicht, derzeit ist die Arbeit gerade noch mit der Hilfe von Familie, Freunden und Bekannten bewältigbar. Mit ihrem Lebensgefährten teilt sie die tiefe Leidenschaft für den Weinbau. „Von der Aufzucht der Reben über die Pflege bis zum fertigen Wein bist du bei jedem Schritt dabei. Es ist einfach schön, wenn dann etwas Gutes dabei rauskommt“, erzählt die Winzerin.
Gegen Mittag erklärt Peter die heutige Weinlese für beendet und ruft zur wohlverdienten Stärkung: Kürbiscremesuppe, Käse, Speck und selbstgemachtes Brot. Als Höhepunkt des Tages serviert der Winzer seinen Erntehelfern ein Gläschen Haiminger Chardonnay. Frisch und fruchtig schmeckt er, der Duft erinnert an Äpfel. Der seltene Tropfen wurde als Salon-Wein ausgezeichnet und gehört damit offiziell zu den besten Weinen Österreichs. „Die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot“, sagt Peter und schenkt großzügig nach.