Tiroler Superfood: Graukäse und Zieger
„Superfood“ ist derzeit in aller Munde. Der Begriff beschreibt Lebensmittel, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken. So werden munter Chia-Samen und Goji-Beeren aus den Tropen eingeschifft, während man vor der Haustüre viele Produkte findet, die mindestens genau so gesund sind.
Eines dieser Mauerblümchen ist der Graukäse: Ein besonders magerer und dabei sehr leckerer Sauermilchkäse. Von den Tirolern wird er geliebt, vom Rest der Welt ignoriert.
Audio: Käse-Sommelier Stefan Kranebitter über den Tiroler Graukäse.
Stefan Kranebitter mit einem Stück Graukäse.
Kaum Fett, viel Geschmack
„Wenn man kräftigen Käse mag, aber nicht viel Fett zu sich nehmen will, dann ist der Graukäse optimal“, sagt Stefan Kranebitter. Der Käse-Sommelier verkauft Käsespezialitäten in der Innsbrucker Markthalle. Der Tiroler Leckerbissen hat nur ein Prozent Fett, dennoch reicht ein Happen, um einen Großteil des täglichen Eiweiß-Bedarfs zu decken. Zudem ist Graukäse laktosefrei, was ihn für Menschen mit Unverträglichkeit interessant macht.
Hierzulande ist Graukäse seit Jahrhunderten Bestandteil der bäuerlichen Küche. Entstanden ist er aus der Not heraus. Auf den Bauernhöfen wurde seit eh und je die Milch entrahmt, um Butter herzustellen. Ein Großteil der Butter wurde verkauft, übrig blieb die entfettete Milch. Diese ließ man sauer werden, dann wurde sie erhitzt, gesalzen und in Holzformen gepresst. Die Masse durfte noch zwei bis drei Wochen reifen und voilà: Fertig war der Graukäse.
Tiroler Graukäse
Tiroler Graukäse wird aus magerer Kuhmilch aus silagefreier Fütterung hergestellt. Das Dicklegen erfolgt nicht mit Lab, sondern mit Milchsäurebakterien. Früher war Graukäse ein Arme-Leute-Essen, da Magermilch im Überfluss vorhanden war. Heute gilt Tiroler Graukäse als Delikatesse und sein Name ist geschützt.
„Speziell“ nennt der Käse-Sommelier die Optik von Graukäse.
Eine unscheinbare Delikatesse
„Ob das denn überhaupt Käse sei, fragen mich Besucher von auswärts manchmal“ schmunzelt Stefan Kranebitter. Das Aussehen der Delikatesse ist etwas speziell. Im jungen Alter ist Graukäse topfig-bröselig, aber mit zunehmender Reife verändert sich die Konsistenz. Von außen nach innen bildet sich dann eine gräuliche Schicht, die dem Käse ihren Namen gibt. Während viele Tiroler „ihren“ Käse innig lieben, muss sich so mancher Neuling erst an den Geschmack herantasten.
„Es hängt stark vom Reifegrad ab. Junger Graukäse ist mild und schmeckt sehr vielen Menschen. Richtig alter, speckiger Graukäse ist eher was für Liebhaber. Aber es ist definitiv ein Käse für Jedermann und ich verkaufe ihn auch an ein internationales Publikum“, erzählt der Käsesommelier. Als besonders intensiv gilt die kellergereifte, blauschimmlige Variante, die im Zillertal hergestellt wird.
Klassische Zubereitung: Graukäse sauer mariniert.
Zieger: Parmesan war gestern
„Die Herstellung von Graukäse diente der Resteverwertung. Doch selbst dabei bleibt noch etwas Molke übrig“, erklärt Stefan Kranebitter. Der Rest vom Rest wird nochmals gewürzt, gepresst und drei Monate lang gereift. So entsteht der „Zieger“, eine kleine, braune Kugel, die es in sich hat. Ähnlich wie Parmesan eignet er sich ideal zum Würzen und Reiben.
Auf Käsespätzle, Knödel oder für Suppen und Saucen ist der Hartkäse ein wahres Gedicht. Der Geruch ist allerdings so intensiv, dass er immer gut verpackt gelagert werden muss. Zieger hat fast keinen Flüssigkeitsanteil und ist eine halbe Ewigkeit haltbar. „Mit der Ziege hat dieser Käse übrigens nichts zu tun, auch wenn es der Name vermuten lässt“, sagt Stefan Kranebitter.
Zieger-Käse: Perfekt zum Reiben und Würzen.
Hütte oder Haute Cuisine?
Die Zubereitung von Graukäse in seiner klassischen Form ist einfach. Man schneidet ihn in knapp zwei Zentimeter dicke Scheiben und mariniert diese mit Zwiebelringen, viel Pfeffer, einer Prise Salz, Essig und Öl. Dieses Gericht ist besonders in der warmen Jahreszeit beliebt. Weitere Klassiker der Tiroler Küche sind Graukas-Suppe und Zillertaler Krapfen, die mit einer Masse aus Graukäse, Topfen und Kartoffeln gefüllt sind.
„Ich liebe auch Kaspressknödel mit Graukäse, man sollte ihn aber mit Bergkäse mischen“, sagt Stefan Kranebitter. Mehr und mehr findet das Produkt auch in der Spitzen-Gastronomie Beachtung. „Es gibt für kreative Köche viele Möglichkeiten, Graukäse modern zu interpretieren. Ich sehe hier großes Potenzial“, sagt der Käse-Sommelier.
Auch für Käsespätzle eignet sich Graukäse perfekt.
Wo gibt es Graukäse?
Bis heute wird Graukäse auf vielen Tiroler Almen in Handarbeit hergestellt, oft jedoch nur für den Eigenbedarf. Darüber hinaus gibt es auch professionelle Alm-Sennereien, die ihren Graukäse ab Hof verkaufen. In großem Stil produziert ihn die Erlebnissennerei Zillertal, die Käserei Lieb und Tirol Milch. Damit ist er in beinahe jedem Tiroler Supermarkt zu finden und ihr könnt ihn auch in zahlreichen Restaurants probieren.