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Warum machen wir das hier eigentlich?

12.09.2022 in Essen & Trinken, Fotos: Ramon Haindl

Monika Hirschhuber, © Tirol Werbung / Ramon Haindl Monika Hirschhuber © Tirol Werbung / Ramon Haindl

Monika Hirschhuber (80) wollte eigentlich Hebamme werden. Bis heute ist sie Köchin. 

Ihre Mutter brachte zwölf Kinder zu Hause zur Welt, davon war Moni das vierte. Sie entschied sich gegen ihren Traumberuf, die Ausbildung zur Hebamme, blieb zu Hause und half ihren Eltern, denn hier gab es mehr als genug Arbeit. Sie erzog ihre Geschwister, während ihre Eltern eines der ersten Cafés auf dem Weerberg betrieben und nur wenig Zeit für ihre Kinder hatten. 

“Der Tourismus war damals ein Weg aus der Landwirtschaft und damit ein Weg aus Armut”, erklärt Moni. Tirol war zu dieser Zeit ein Land der Bauern und Bäuerinnen, welche allein durch ihre Kinder, die Arbeit auf den Höfen bewältigen konnten. Ihr Vater dachte an Moni und das Auskommen seiner zwölf Kinder als er das Café erbaute. Der älteste Bruder erbte später die kleine Wirtschaft und baute das Gebäude zu Wohnungen um, die er schließlich verkaufte. Moni heiratete einen feschen Bauern aus Weer. Gegenüber der Landwirtschaft ihres Ehemanns stand bald ein Gasthof zum Verkauf. Und wieder ging Moni den Weg, den ihre Eltern bereits für sie vorgezeichnet hatten. Im Jahr 1968 erwarb sie mit ihrem Mann den Gasthof Steixner und seither steht jeden Tag eine frische Rindssuppe auf dem Herd der Restaurantküche.

Die geheime Zutat ist Zeit.
Monika Hirschhuber

Dafür werden Zwiebeln angeschmort und dann Gemüse, die Beinscheibe und das Knochenmark eines Rindes in einem Topf mit kaltem Wasser zum Kochen gebracht und eine Nacht lang gekocht. Die geheime Zutat ist Zeit. In Hochzeiten der Coronapandemie kochte die Familie über 100 Mittagessen zum Mitnehmen für die Bewohner:innen des Dorfes und die Umgebung. Dafür wurde die Rindssuppe in Einweckgläsern ausgegeben.

Während der Pandemie bereiteten Monika und ihre Familie täglich 100 Mittagessen zum Mitnehmen für Dorfbewohner zu. , © Tirol Werbung / Ramon Haindl Während der Pandemie bereiteten Monika und ihre Familie täglich 100 Mittagessen zum Mitnehmen für Dorfbewohner zu.  © Tirol Werbung / Ramon Haindl

Eine nachhaltige Wirtschaft war in den Anfangsjahren für Moni und ihren Mann ganz natürlich. Sie arbeiteten direkt mit dem Metzger zusammen, die Familie besaß Schweine, die hinter dem Haus geschlachtet und komplett in der Küche verarbeitet wurden. Aus dieser Zeit stammt auch das Gericht der Zillertaler Ofenleber. Eine Spezialität von Moni, die es heute aber nur noch selten auf die Karte schafft. Der Grund? Innereien. Das traditionelle Hochzeitsgericht besteht aus Schweinelunge, Leber und Herz. Der Bratenbrei wird mit einem Schweinenetz abgedeckt. “Du hast ein Netz, ich hab ein Netz, das Schwein hat ein Netz. Es hält unsere Gedärme zusammen und wenn es kaputt ist, haben wir einen Leistenbruch”, erklärt Monika, während sie den Braten mit dem Geflecht abdeckt. 

Viel zu köstlich, um vergessen zu werden: Ofenleber. Dieser Tiroler Spezialitäten ist heute selten geworden. , © Tirol Werbung / Ramon HaindlViel zu köstlich, um vergessen zu werden: Ofenleber. Dieser Tiroler Spezialitäten ist heute selten geworden.  © Tirol Werbung / Ramon Haindl

In den 80er Jahren erlebte der Skitourismus einen Boom. Mit diesem kam viel Arbeit und Wohlstand, aber auch neue Herausforderungen, die allein schon in der schieren Anzahl der neuen Gäste messbar waren. “Den ganzen Winter über wohnte ein Reiseleiter im Gasthof und es gab jeden Tag eine andere Party: Fasching, Bergfest... irgendein Grund fand sich immer zum Fröhlichsein”, erinnert sich Moni. Zu Gast waren Deutsche, Australier:innen, Engländer:innen und auch Arbeiter:innenvereine, wie die AWO, oder Behindertengruppen führte es in den Tiroler Winter.

Pausenlos arbeiteten Moni und ihre Familie im eigenen Gasthof. “Nur die innere Zufriedenheit gibt einem Kraft”, sagt Moni mit einem weichen Lächeln und einem sicheren Blick. Aber woher kommt diese innere Zufriedenheit? Im Gasthof Steixner kommt sie vielleicht von der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit. Der Familie ist es wichtig, niemanden auszuschließen. Sie kochen für Arbeiter:innen, Menschen, die nicht kochen können oder wollen, für das Dorf und für Urlauber:innen. Das ist ganz egal. Jeder Gast und jede Gästin wird als Mensch gesehen. Und so kommen Menschen schon seit Generationen in den Gasthof, erklärt Moni: “Jetzt kommen schon die Kindeskinder unserer ersten Urlauber."

"Wir nehmen an dem Leben unserer Gastfamilien teil und sie an unserem. Wenn sie Kinder bekommen oder Familienmitglieder verlieren, erfahren wir davon. Wir sind einfach miteinander verbunden.” Eva Hirschhuber, Tochter von Moni und Hausherrin des Steixners, schickt und erhält Karten und Blumen der Stammgäste zu verschiedenen Anlässen und einmal in der Saison sieht man sich dann und alle sind ein Jahr älter. Eva führt den Gasthof weiter, “Ich bin hier hineingeboren. Wir haben hier auch als Kinder schon an den Wochenenden und in den Ferien gearbeitet und mich macht das bis heute sehr glücklich. Wir haben 80-90% Stammgäste. Im Restaurant sitzen also keine Gäste, sondern Freunde.” 

Für mich schmeckt Tirol rauchig, speckig und nach Graukäse.
Christian Hirschhuber

Monikas Sohn Christian ist der Küchenchef des Hauses und will Menschen glücklich machen und Glück ist auch, wenn sich jeder etwas leisten kann. Eine komplizierte Karte oder ein unendlicher Wachstum des Unternehmens sind für ihn nicht erstrebenswert. Für ihn schmeckt Tirol “rauchig, speckig und nach Graukäse”, erzählt er mit einem Lächeln.

Monika mit ihren Kindern Christian und Eva. , © Tirol Werbung / Ramon Haindl Monika mit ihren Kindern Christian und Eva.  © Tirol Werbung / Ramon Haindl

Noch heute ist der Gasthof das Leben der Familie. Mit viel Respekt und Liebe schauen Eva und Christian auf die Arbeit und das Menschsein der alten Generation. Sie sind sich einig, wenn Moni resümiert: “Ein Gasthaus ist Knochenarbeit, aber es ist auch verdammt schön.”

Anna Moll
Anna Moll

Anna gestaltet mit Ihrer Firma Molle&Korn die Highlightkampagnen für Tirol. Dank dieser Arbeit hat sie viele Abenteuer erlebt, einige Knödel gegessen und viele inspirierende TirolerInnen getroffen. Seit einer dieser Begegnungen träumt sie davon einmal den Großvenediger in Osttirol zu besteigen. 

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