Weil weniger so viel mehr sein kann: die Gampe Thaya in Sölden
„Im Herzen“, sagt Jakob Prantl, „fühle ich mich als Bauer. Sonst täte ich es nicht.“ Der Almwirt spricht ruhig, aber bestimmt, mit dem melodischen Zungenschlag des hinteren Ötztals. Unten im Tal steppt Tag und Nacht der Bär in der Sport- und Unterhaltungsmetropole Sölden. Hier heroben in Hochsölden, auf der rund 2000 Meter hoch gelegenen Gampe Thaya, verläuft das Leben — wiewohl geprägt von viel und harter Arbeit — ein wenig übersichtlicher, beschaulicher, näher an der wilden hochalpinen Natur. Zusammen mit seiner Ehefrau Daniela und den beiden erwachsenen Töchtern bewirtschaftet Jakob Prantl die Alm und die „(nat)UrHütta“, in der Gäste direkt an einer der Pisten des Skigebiets inmitten Dutzender Dreitausender einen romantischen Winterurlaub verbringen können. Im Sommer weidet hinter der Hütte das Grauvieh.
Die Gampe Thaya liegt direkt an der Piste 11 im Skigebiet Sölden.
Die Grauen liefern Milch und Fleisch von herausragender Qualität, die auch in der Spitzengastronomie des Landes zusehends geschätzt wird. Dass Jakob Prantl nebenbei auch in leitender Funktion im rührigen Verband der Grauviehzüchter tätig ist, ist wohl kein Zufall: Grauvieh ist eine uralte, ausschließlich in Tirol vorkommende Rasse besonders robuster, geländegängiger und genügsamer Rinder, die nur in Kleinbetrieben gehalten werden.
Jakob Prantl wurde 1961 als einer von sieben Buben einer Bauernfamilie geboren. Er ist gelernter Zimmermann, doch als er mit 20 Jahren heiratete, übernahm er zunächst die Tradition des Familiengeschäfts seiner Frau und führte zusammen mit ihr 25 Jahre lang ein Hotel. In der konventionellen Hotellerie seinen Mann zu stehen, erinnert er sich, sei nicht einfach für ihn gewesen. „Ich wollte immer meinen eigenen Weg gehen. Und ich hatte meinem Vater versprochen, dass ich die Landwirtschaft übernehmen würde.“ Sein Glück, oder jedenfalls das, was ihm am meisten entspricht und Zufriedenheit schenkt, fand Prantl auf und mit der Gampe Thaya.
Jakob Prantl setzt auf traditionelle Tiroler Gerichte, die Zutaten produziert er in der eigenen Landwirtschaft oder bezieht er aus der unmittelbaren Umgebung.
Pommes Frites kommen den Prantls unter keinen Umständen auf die Speisekarte. Sie legen Wert auf traditionelle Tiroler Delikatessen, die sie in der eigenen Landwirtschaft produzieren oder aus ihrer unmittelbaren Umgebung beziehen und mit herzlicher Gastfreundschaft servieren. Da finden sich schlichte Ur-Tiroler Köstlichkeiten wie „Schölfeler“, das sind in der Schale gekochte Kartoffeln, die mit Sauerrahm, Bauernbutter und Kräutersalz genossen werden. Da gibt es aber auch Klassiker der modernen Küche, die man in dieser speziellen Kombination dennoch nirgendwo sonst bekommen kann, wie etwa ein Carpaccio vom Tiroler Grauvieh mit Rucola und Spänen vom Almkäse, den Prantl selbst macht. Und zum Abschluss eines guten Essens gehört traditionell ein selbstgebrannter Schnaps.
Alle Fotos: Carlos Blanchard
Auch die Gampe Thaya lebt davon, dass Sölden das nach Wien beliebteste Winterurlaubsziel Österreichs für Gäste aus aller Welt ist und weiterhin bleibt. Aber Jakob Prantl legt Wert auf die Feststellung: „Ich bin durchaus stolz auf das, was unsere Tourismuspioniere in den vergangenen Jahrzehnten geleistet und aufgebaut haben. Klar ist für mich aber auch: Ohne Landwirtschaft wäre der Tourismus binnen zehn Jahren erledigt.“ Der Almwirt plädiert für jene Art von bedächtiger und bedachtsamer Entwicklung, die er exemplarisch auf der Gampe Thaya lebt: „Es kann nicht immer alles noch mehr werden. Und ab und zu sage ich: Weniger könnte auch mehr sein.“
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Die Gampe Thaya direkt an der Piste 11 im Skigebiet Sölden gelegen hat von Mitte/Ende November bis Mitte April täglich geöffnet. In den Sommermonaten ist die Alm von 17. Juni bis 1. Oktober 2017 offen, Montag (nur im Sommer) ist Ruhetag.