Eine Auswahl von Touren für ein Wochenende für ambitionierte Wanderer.
Hütten in Nahaufnahme: Die Stüdlhütte am Fuße des Großglockners
Neue Pächter auf einer Berghütte stehen in Tirol in der Zeitung. Je berühmter und höher der Berg, desto größer die Schlagzeilen. So ist das eben in einem Land, dessen Topographie die Bewohner regelrecht dazu zwingt, hoch hinauf zu steigen, wenn sie ihren Horizont über den redensartlichen Tellerrand hinaus erweitern wollen. Matteo und Veronika „Vroni“ Bachmann, seit 2018 Pächter der Stüdlhütte am Großglockner, sind aber auch wirklich ein außergewöhnliches Pärchen.
Matteo Bachmann vor seiner Traumhütte am Fuße des Großglockners. Foto: privat
Zwei Lebensläufe, eine Geschichte im Schnelldurchlauf: Beide stammen aus der Gegend von Lienz in Osttirol, er ist gelernter Sportartikelverkäufer, sie Köchin und Kellnerin; er hat, familiär vorbelastet, seine Kindheit als Wanderer, Bergsteiger und Kletterer verbracht, Veronikas aus Kroatien gebürtige Familie zog es ans Meer. Seit sie Teenager waren, gehen Matteo und Vroni schon gemeinsam durchs Leben. Kennengelernt haben die Bachmanns einander ganz klassisch beim Ausgehen in Lienz und sind einander seit damals nicht mehr von der Seite gewichen. Vroni reagiert fast erstaunt auf die Frage, was ihr an Matteo einst aufgefallen ist und heute noch gefällt: „Ja… eben alles! Wir ergänzen einander. Er ist der Laute, ich bin die Ruhige. Er gibt nie nach, ich immer. Man wächst zusammen und kann gar nicht mehr ohne einander.“ Oder wie Matteo es ausdrückt: „Das passt einfach!“
Hüttenwirt mit Anfang 20
Die beiden waren gemeinsam auf Saison in Vorarlberg und Nordtirol und haben mit Anfang 20 ihre erste Hüttenpacht übernommen: das Hannoverhaus am Ankogel in den Hohen Tauern in Kärnten. Ob Hüttenwirt sein Traumberuf ist? Matteo lacht laut auf: „Nein! Das war nichts, wovon ich als Kind geträumt hätte. Noch vor ein paar Jahren hätte ich darüber gelacht, aber jetzt bin ich schon fast genausolange Hüttenwirt und das gern.“
Als Matteo zu Ohren kam, dass der Deutsche Alpenverein einen neuen Pächter für die berühmte Schutzhütte am Stüdlgrat suchte, war die Entscheidung schnell getroffen: „Die Stüdlhütte war immer meine Traumhütte: das extrem schöne Gebiet, die Lage, wie die Hütte gebaut ist… Ich war als Kind schon einmal hier heroben und wusste schon länger: Wenn die Stüdl einmal frei wird, bewerbe ich mich.“
Ein angeschnittenes, auf der Seite liegendes Ei: Die markante Architektur vereint Hightech-Wetterschutz und sehr traditionelle Baumaterialien wie Holzschindeln.
Im März 2018, pünktlich zum Beginn der Wintersaison am Glockner, begannen Matteo und Vroni ihr Abenteuer in rund 2800 Metern Seehöhe, im Juni, kurz vor ihrer ersten Sommersaison, haben sie geheiratet. Und wenige Monate danach wurde alles anders, als das junge Paar es bisher kannte: Marta, „unser kleines Wunder“, wie Vroni zärtlich sagt, kam Anfang Mai 2019, einen Tag, nachdem Matteo die Stüdlhütte für wenige Wochen Pause zwischen Winter- und Sommersaison dichtgemacht hatte, zur Welt.
Baby Marta lebt mit Vroni im Tal, während Matteo die Saison auf der Hütte verbringt. Foto: privat
Am 14. Juni hat Matteo deshalb jene Sommersaison allein eröffnet — und das fiel beiden spürbar schwer. „Es ist schon ein besonders Gefühl, diesmal und für mich ein bisschen schade“, sagt Vroni. „Ich bin ohne Matteo daheim in Lienz, er ist ohne mich oben am Berg. Aber ein so kleines Baby kann man halt nicht auf 2800 Meter bringen.“ Auch Matteo ist mit gemischten Gefühlen zum Glockner aufgebrochen: „Von der Familie wegzugehen ist nicht so fein. Wir sind seit fast elf Jahren ein Paar, waren seit sieben Jahren 365 Tage im Jahr Tag und Nacht zusammen. Und jetzt ist die Frau nicht mit und zusätzlich kann ich die Kleine nicht täglich sehen… Aber alle anderen Hüttenwirte haben auch Kinder, also werden wir das schon hinkriegen!“
15.000 Knödel am Tag
Tatsache ist: Während so einer Saison bleibt Matteo ohnehin keine Zeit, sentimentalen Regungen nachzugeben. Bevor die Stüdlhütte wieder tausende Glockner-Fans verköstigen und beherbergen kann, waren Mitarbeiter zu rekrutieren, die Hütte vom Schnee frei zu schöpfen (allein auf der Terrasse, erzählt Matteo, liegen im Juni manchmal noch drei Meter Schnee), Wasserreservoirs aufzufüllen, Reparaturen zu erledigen, die Hütte zu putzen, zweieinhalb Tonnen Lebensmittel anzuliefern… „Letztes Jahr“, berichtet der Wirt, „haben wir im Sommer 15.000 Knödel gedreht und 5500 Gulaschsuppen ausgeschenkt. Im Schnitt brauchen wir zwölf Kilo Brot am Tag. Selbstgebacken, natürlich.“
Das Team der Stüdlhütte verarbeitet täglich Unmengen an möglichst frischen Lebensmitteln für die hungrigen Bergsteiger.
Das Interessante, Herausfordernde, Gute am Leben eines Hüttenwirts ist gleichzeitig auch das Anstrengendste. „Es gehört alles dazu, du musst vielseitig, extrem belastbar und ein Allround-Talent sein“, erklärt Matteo. „Techniker, Arzt, Psychologe für Mitarbeiter und Gäste. Du hast tagtäglich mehr als hundert Leute um dich herum und ständig jemanden, der etwas von dir will. Und du bist natürlich auch 24 Stunden am Tag mit deinen Mitarbeitern zusammen. Das ist schwierig, aber meistens funktioniert es eh gut.“
Wie beim Essen steht auch bei der Inneneinrichtung die Regionalität im Vordergrund: Sie wurde ausschließlich aus unbehandelten Hölzern der Region gebaut.
Oesterreich Austria, Tirol Tyrol, Osttirol, Nationalpark Hohe Tauern, Glocknergruppe, Grossglockner, Stuedl Huette; Berghuette; alpine chalet cottage, mountain hut 08/2016
Als es 2018, in der ersten Glockner-Saison der Bachmanns, einmal wirklich nicht mehr funktionierte und Matteo einen Moment lang alles zu viel wurde, passierte ihm via Facebook ein Fauxpas, dessen öffentliche Wirksamkeit die Vroni-und-Matteo-Story noch um ein Vielfaches schlug: ein deftiger Wutausbruch über Bergsteiger, die das Quartier und dessen Umgebung im Hochgebirge mit einer Müllhalde verwechseln. Matteo, im Rückblick auf die Aufregung um sein „Schweine“-Posting: „Da war ich an einem fürchterlich chaotischen Tag sehr grantig und habe die Wirkung vollkommen unterschätzt.
Natürlich, sagt der Wirt, „hätte ich das anders ausdrücken müssen. Aber es gibt Probleme mit Bergsteigern, die den Verhaltenskodex, dass man auch wieder hinunterträgt, was man auf den Berg hinaufbringt, nicht kennen. Und immerhin rückt das langsam stärker ins Bewusstsein.“
Unvergessliche Eindrücke in extremer Umgebung: Bei der wohlverdienten Rast auf der Terrasse der Stüdlhütte lassen Bergsteiger die Erlebnisse des Tages noch einmal Revue passieren.
Alle Fotos: Tirol Werbung/Jens Schwarz
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Von der Stüdlhütte am Fuße des Großglockers über die Berliner Hütte in den Zillertaler Alpen bis hin zur Pfeishütte im Karwendel: In der achtteiligen Serie „Hütten in Nahaufnahme“ erzählen wir diesen Sommer die Geschichten von Tiroler Alpenvereinshütten und den Menschen, die sie bewirtschaften.