Ein Wochenende auf der Schneekarhütte
Wer in Tirol übernachtet, landet in einem Hotel, einer kleinen Pension oder einer einfachen Hütte. Das stimmt – wenn man es möchte. Doch es gibt auch ganz andere, unerwartete Herbergen im Land. Zum Beispiel die Schneekarhütte über dem Zillertal. Ein Paar hat ein Wochenende zwischen Wellnessbereich, Turmsuite und Austern-Frühstück verbracht – und ist zwischendurch nicht einmal Ski gefahren.
„Jetzt merke ich es erst: Ewig nicht mehr in den Bergen gewesen. Es ist Samstagvormittag, wir sind gerade im Zillertal angekommen. Lieber noch im Tal bleiben und spazieren? Oder direkt hinauf ins Wochenend-Abenteuer? Wir haben nicht wirklich eine Ahnung, was uns dort oben erwartet. Ist das Wetter schlecht, dort in den Wolken? Wird uns womöglich langweilig werden? Gleichzeitig wachsen die Zweifel an unserer Ausrüstung. Hashtag: Flachlandtiroler …“
„Wir trauen uns und fahren direkt hoch! Fast keine Leute an der Talstation der Horbergbahn. Kaum fünf Minuten sitzen wir in der gemütlichen, aber flotten Gondel, schon sind wir von dichtem Schneefall umgeben. Wie ein Schwebflug ins Ungewisse. Das Ziel ist zwar nicht unbekannt, aber einfach nicht zu sehen. Geschweige denn die Gipfel, da draußen ist alles in dichte Wolken gehüllt. Am Berg dann kurz der Gedanke, ob eine Skiausrüstung vielleicht doch eine gute Idee gewesen wäre. Andererseits: Ich bin seit gefühlt zwanzig Jahren nicht mehr auf Skiern gestanden, Sabine seit ihrer Schulzeit nicht mehr. Außerdem haben wir haben keine Eile. Eine zweite Gondel bringt uns fast bis zur Hütte! Alle grinsen uns an – oder lachen die uns aus? Schon wieder Zweifel an der Ausrüstung! Dichter Nebel, man sieht gar nix mehr. Die Spannung steigt!“
„War es die letzte Woche? Der letzte Monat? Das letzte Jahr? Irgendetwas war auf jeden Fall ultrastressig in letzter Zeit. Sabine und ich lechzen beide nach Erholung, Ruhe und Entspannung. Im Nebel vor uns erscheinen die Umrisse eines Komplexes aus einer Pyramiden-Doppelkonstruktion und einem spitzen Turm, die dennoch an eine Berghütte erinnern. Sieht auf jeden Fall ziemlich abgefahren aus, das Teil! Ein junges Mädel heißt uns willkommen. ,So wie ihr ausschaut, wollt Ihr übernachten, gell?‘ Liegt es an unserer Ausrüstung? So oder so: Wir wollen übernachten und ENTSPANNEN. Sie zeigt uns das Zimmer: Es ist nicht der Turm geworden mit dem ganz irren Ausblick geworden, dafür wirkt es aber umso gemütlicher. Apropos Blick: Man sieht eh nix! Nebel. Und Schnee. Und zwar, wie die Chefin später sagt: Ein Haxenbrecherschnee! Gut, dass wir keine Ski dabeihaben. Urlaubsfeeling kommt dennoch auf. Und Hunger: Im Kühlschrank habe ich bereits Dry Aged Beef gesehen. Lechz!“
„Was ist eigentlich: Entspannen? Ich muss das erst mal für mich klären! Erstmal: Zeit für einen ersten Aperitif. Locker machen! Ein Blick in die Karte. Krass: Knapp vierzig Seiten Wein. Bestellen zwei Muskateller und einen Apfelstrudel. Es gibt auch eine Seite im Menü nur mit Zigarren – ich kann heute für nix mehr garantieren! Um uns herum wird es langsam ruhiger: Die Skifahrer sind fast alle weg. Es bleiben noch die „Hüttengäste“. Ich habe das Gefühl, dass viele sich schon kennen. An einem Nachbartisch trinkt ein Vater Champagner mit seinen Söhnen. Wir werden demnächst die Sauna aufsuchen!“
„Da sag noch einer, dass Wellness nichts mit Bewegung zu tun hat! Zwischen Sauna und Dampfbad springen wir immer wieder ins Freie und Rubbeln uns mit Schnee ab. Danach kann man in den Schaukelliegen oder Liegeschaukeln wunderbar zur Ruhe kommen und, wie es so schön heißt, die Seele baumeln lassen. Auf knapp 2.500 Metern über dem Meer ist da auf jeden Fall genug Luft nach unten!“
„Außerdem macht Wellness hungrig. Und wie! Das Restaurant öffnet wie angekündigt um Punkt 19:00 Uhr. Wir unterhalten uns auch ein wenig mit der Chefin Aloisia, die uns von ihren Weinen erzählt und dem hauseigenen Keller, bestehend aus immerhin 3.000 Flaschen. Sie kennt die Winzer oft persönlich und empfiehlt uns einen schönen Rosé zu unseren vier Gängen. Es gibt: Sushi-Variationen, gebratene Forelle auf Quinoa, Filet vom Hirsch mit Gemüse und eine karamellisierte Topfenschnitte mit Eis. Das beste aus Tirol und der ganzen Welt! Das Dessert ist unser Favorit: eine Art Cheesecake mit Crumble und Eis – mega!“
„Die meisten Gäste verschwinden noch vor zehn auf ihren Zimmern. Wohl alle müde vom Skifahren! Die Wirtsfamilie bleibt jedoch noch sitzen. Wir verlagern uns auch an den Kamin und fühlen uns ein bisschen luxuriös. Die Zigarre lehne ich aber dankend ab! Stattdessen genießen wir noch den Blick aus unserem Dachfenster: man sieht von hier den berühmten Turm!“
„Vitello tonato, Cinamon Buns, Rührei mit dem besten Speck ever?! Guten Morgen Tirol! Wir feiern das Frühstück, das wirklich mit feinster Auslage daherkommt. Zwischen besagten Leckereien entdecken wir Sektflöten und Austern. Das grenzt an Dekadenz. Aber nur ganz knapp! Die Sonne scheint ein wenig und wir fühlen uns super!“
„Nach einem kurzen Spaziergang wird es Zeit für eine kleine Stärkung. Zurück an der Hütte, die sich zwischenzeitlich wieder gut mit Tagesgästen gefüllt hat, bestellen wir zur Sicherheit noch einen Kaiserschmarren. Wir haben schließlich noch eine ganz Talfahrt vor uns!“
„Juniorchefin Marie verabschiedet uns sehr herzlich und lädt uns ein, nächstes Jahr unbedingt wiederzukommen. Sie würde dann auch besseres Wetter buchen. Ob es das noch gemütlicher machen würde? Man kann es sich nicht vorstellen. Dann das Wunder: Auf dem Fußweg zum Lift klart es auf einmal komplett auf und man sieht: das P-A-N-O-R-A-M-A. Uff. Das ist schon übel! Gewaltige Gipfel Rahmen das Bild von allen Seiten. In der Mitte ein Wimmelbild aus Pisten, kleinen Punkten (Skifahrern) und Liften. Jetzt sind wir doch noch einmal kurz ergriffen und müssen innehalten. Goodbye Tirol, du irres Land der Berge! Bis zum nächsten Mal!“