Stadt mit Geschichte: Ein Tag in Kitzbühel
750 Jahre ist es her, dass Kitzbühel das Stadtrecht verliehen wurde. © Maria Kirchner
Woran denkt man, wenn man Kitzbühel hört? Klar, an das Hahnenkammrennen auf der Streif, an Stars und Sternchen, die sich in der Gamsstadt gerne blicken lassen, an elegante Shops und feine Restaurants. Doch das ist bei weitem nicht alles, was Kitzbühel zu bieten hat: Das beweist ein Besuch im „Stadtl“, wie die Einheimischen ihre Stadt liebevoll nennen. Kitzbühel steckt voller Geschichte, Kultur und war seiner Zeit schon immer weit voraus.
Weil Kitzbühel in früheren Zeiten an der viel befahrenen Handelsroute vom Chiemsee über den Felbertauern nach Venedig lag, waren Reisende schon immer Teil der Stadt. Das hat sich bis heute nicht geändert: Kitzbühel ist Sport- und Lifestylemetropole und zieht Besucher aus aller Welt an. Und heute auch mich! „Wer das erste Mal da ist, hat nicht das Bedürfnis, gleich wieder aus der Stadt zu sausen, sondern will erstmal eine Weile verbleiben. Vor 100 Jahren war das schon so, schon damals sind die Leute hier flaniert“, sagt Pepi Treichl. Der 70-jährige ist ein Kitzbüheler Urgestein und Stadtführer. Mit ihm beginnt meine Stadterkundungstour. Bei einem ausgiebigen Rundgang verrät er mir, warum Bergbau, Kunst und ein altes Gefängnis mitten in der Stadt genauso zu Kitzbühel gehören wie die Streif.
Blick auf Kitzbühel. Die ehemaligen Grenz- und Bergbaustadt ist heute die weltberühmte Gamsstadt. © Maria Kirchner
Entdecken: Der Stadtspaziergang mit Pepi
Bei meinem Besuch in der Stadt wird gerade ein großes Jubiläum vorbereitet: 750 Jahre ist es her, dass Kitzbühel das Stadtrecht verliehen wurde. Seit 1271 hat sich die einst kleine Siedlung zu einer Metropole des Wintersports und des Lifestyles entwickelt. „Alles was Kitzbühel heute ausmacht, hängt mit der Vergangenheit zusammen“ sagt Pepi Treichl. Ich lerne, dass die Gamsstadt lange gar kein Tiroler Ort war. Genau wie Rattenberg oder Kufstein gehörte auch Kitzbühel bis 1504 zu Bayern und war eine Grenzstadt. Ich muss ein bisschen schmunzeln: Ob daher auch die enge Verbindung vor allem der Münchner mit Kitzbühel rührt?
Stadtführung mit Pepi Treichl: Seit 1993 zeigt er Gästen sein Kitzbühel. © Maria Kirchner
Nach oben schauen lohnt sich! „Im Turm der Katharinenkirche hat früher der Nachtwächter gewohnt.“ © Maria Kirchner
Tourismuspioniere
Der Tourismus hat in der Gamsstadt schon lange Tradition: Pepi zeigt auf den altehrwürdigen Gasthof Goldener Greif (heute Hotel Goldener Greif), der zum ersten Mal im Jahr 1270 erwähnt wurde. „Da, wo jetzt ‚Hotel‘ geschrieben steht, war eigentlich der Pferdestall. Die Menschen sind mit ihren Kutschen gekommen und übernachteten im gleichen Haus wie ihre Tiere.“ Er macht uns auf eine weitere Besonderheit aufmerksam: „Das Tor ganz oben unter dem Giebel, da wurden früher die Lebensmittel gelagert. Schnaps, Wein und Bier waren im Keller, aber Lebensmittel mussten unters Dach gebracht werden. Dort war es trocken und der Wind konnte durch die Schindeln pfeifen.“ Über einen Balken wurden die Lebensmittel hochgezogen. Tore und Balken entdeckt man bei genauem Hinsehen übrigens heute noch bei vielen historischen Stadthäusern der Kitzbüheler Altstadt. Heute ist Kitzbühel freilich mehr für sein modänes Flair bekannt, aber es ist spannend zu sehen, wo die Ursprünge liegen.
Das Hotel Goldener Greif wurde erstmal 1270 erwähnt. © Maria Kirchner
Mitverantwortlich für den weltweiten Ruhm Kitzbühels ist auch Franz Reisch. Sein Bild entdecke ich am Rathaus Kitzbühel. Der Hotel- und Skipionier war seiner Zeit weit voraus und trieb den Aufstieg Kitzbühels als Fremdenverkehrsdestination voran. Bereits ab 1893 begann er mit hochalpinen Skiabfahrten, gründete 1902 den Kitzbüheler Wintersportverein (heute Ski Club), eröffnete 1903 das spätere Grand Hotel Kitzbühel. Schon 1908 gab er außerdem ein Buch mit allen Bergen der Region heraus. „Das zeigt, wir sind im Tourismus keine Quereinsteiger, sondern Vorreiter“, sagt Pepi.
Skitourentipps von 1908 oder Sommerfrische in Kitzbühel: Die touristische Bewerbung startete früh. © Maria Kirchner
Mittelalterliche Stadt, junges Flair
Wir erreichen den ältesten Teil der Stadt: Die Stadtmauer mit dem Jochberger Tor und dem Pfleghof. Hier stand schon um 1120 eine Burg mit Wohntrakt und Wachturm. Von der ehemaligen Burg Kitzbühel ist heute nur mehr der fünf Stockwerke hohe Pfleghofturm erhalten. Das Jochberger Tor ist der Eingang in die historische Altstadt, von hier aus hat man zum ersten Mal die ganze „Flaniermeile“ im Blick. Ich verstehe jetzt, was Pepi meint, wenn er von der „ganz besonderen Aura“ dieser Stadt spricht: In der Vormittagssonne leuchten die bunten Hausfassaden, vor den Cafés werden Tische und Stühle aufgestellt und Schirme aufgespannt. Am anderen Ende der Altstadt grüßen die beiden Türme der Liebfrauen- und der Andreaskirche, dahinter ist sogar der Wilde Kaiser zu sehen. Ich fühle mich tatsächlich ein bisschen wie im Urlaub. Jetzt einen Cappuccino trinken, ein bisschen Schaufenster-Shopping betreiben, herrlich! Das nehme mir auf jeden Fall für den Nachmittag vor.
Schon früher ein Lieblingsplatz für Flaneure: Die Kitzbüheler Fußgängerzone. © Maria Kirchner
Eine geschichtsträchtige Ecke: Das Jochberger Tor und der Pfleghof. © Maria Kirchner
Von großen Talenten und einem ganz besonderen Urlaubsort
Wir schlendern durch die Fußgängerzone. Dabei erzählt mir Pepi, dass Kitzbühel schon früher Anziehungspunkt für große Talente war. „Zwischen 1600 und 1800 gab es eine eigene Kitzbüheler Kunst“, sagt Pepi. Unter den Bildhauern, Malern und Komponisten, die in der Stadt lebten, war auch die Familie Faistenberger: Vier Generationen lang wohnten sie in Kitzbühel und prägten die Stadt mit ihren Werken. Zu sehen ist dieser Einfluss unter anderem in der Andreaskirche, in der Liebfrauenkirche oder sogar mitten in der Stadt: Das Abbild eines Kupferstichs von Andreas Faistenberger ziert die Hausmauer der Bezirkshauptmannschaft, dem zentralen Amtsgebäude der Stadt.
Fast wie Google Maps: Das Relief wurde nach einem Kupferstich von Barockkünstler Andreas Faistenberger geschaffen. © Maria Kirchner
Bevor wir die Altstadt über das ehemalige Spitaltor Richtung Kirchen verlassen, zeigt uns Pepi noch die „Salvenmoser Hochalm“, ein unscheinbares Gebäude, in dem heute der Kitzbüheler Ski Club seine Büros hat. „Hier war früher das Stadtgefängnis“, sagt Pepi. Weil das Geschäft daneben Salvenmoser hieß, wurde das Gefängnis von den Einheimischen „Salvenmoser Hochalm“ genannt. Das klang für Nicht-Eingeweihte eher nach Urlaub, aber die Einheimischen wussten Bescheid.
Ein Muss ist bei einem Stadt-Besuch auch ein Abstecher ins Museum Kitzbühel: Hier wird nicht nur die Stadtgeschichte gezeigt, sondern vor allem auch den Werken von Alfons Walde Tribut gezollt. Der Kitzbüheler Maler hat mit seinen Werken das Bild Kitzbühels nachhaltig geprägt. Mehr als 60 Gemälde und 100 Grafiken werden im Museum präsentiert. Zum Jubiläumsjahr läuft aktuell die Sonderausstellung „Legenden und Leidenschaften - 750 Jahre Kitzbühel“. Hier wird die Geschichte der Stadt aus allen Perspektiven gezeigt, vom Bergbau über Sport bis zu Kultur und Tourismus.
Die Jubiläumsausstellung im Museum Kitzbühel läuft noch bis 3. Oktober 2021. © Maria Kirchner
Das Glück unter dem Hahnenkamm
Dass Kitzbühel sich schon früh so stark entwickeln konnte und noch heute mit ursprünglicher Schönheit punktet, liegt zu großen Teilen am Bergbau. Dieser hatte in der Region lange Tradition. Schon zur Zeit der Kelten vor 3000 Jahren wurde rund um Kitzbühel Kupfererz abgebaut. Einen wahrhaftigen Boom erlebte die Stadt im 16. Jahrhundert, als man Silbervorkommen in der Region entdeckte. Auch in den berühmten Hahnenkamm wurden kilometerlange Schächte gegraben, um dort nach Silber zu suchen. Das finde ich irgendwie sehr passend: Heute liegt das Glück auf der Piste, früher darunter. Das Hahnenkammrennen prägt die Stadt übrigens das ganze Jahr über. Was aber machen die Einheimischen, wenn jedes Jahr Ende Jänner alle Gassen und Straße voller Skifans sind? „Im Tourismus muss man lernen, die Heimat zu teilen. Da überlasse ich die Stadt den Gästen“, schmunzelt Pepi. Ein leidenschaftlicher Skifan ist er aber natürlich trotzdem. Das beweist er am Ende seiner Tour im Legendenpark, als er mir eindrucksvoll und wild gestikulierend zeigt, auf welche Schlüsselstellen es bei der rasanten Abfahrt auf der Streif ankommt.
Zwischen der Andreas- und der Liebfrauenkirche hat man den Hahnenkamm genau im Blick. Hier ließ sich auch Walde inspirieren: Das gelbe Haus im Vordergrund war sein Atelier. © Maria Kirchner
Die Hocke beherrscht Pepi perfekt: Er war ja auch Skilehrer. „In die Hocke gehen und dann vor dem Sprung ein Haxenzucker“, so erwischt man den Sprung perfekt. © Maria Kirchner
Einkehren: Tipps für den kulinarischen Zwischenstopp
Nach dem ausgedehnten Stadtspaziergang brauche ich erst einmal eine kurze Pause – und ein bisschen Hunger habe ich auch. Deshalb kehre ich in die Fußgängerzone zurück und entscheide mich spontan für einen Sonnenplatz in Bastian’s Bar & Bakery. Das moderne Café mit eigener Bäckerei liegt mitten drin im Geschehen. Hier könnte man auch ausgezeichnet frühstücken: Das muss ich mir für den nächsten Besuch merken.
Gleich gegenüber entdecke ich das traditionelle Huber Bräu Stüberl. Entgegen mancher Kitzbühel-Klischees ist das ein traditionelles, uriges Brauhaus mit bodenständiger Küche. Noch dazu wird hier das Huber Bräu ausgeschenkt, ein regionales Bier aus dem benachbarten St. Johann. Ein guter Tipp für alle, die g‘schmackiges Gulasch und Knödel probieren wollen.
Urig, einfach und bodenständig – das Huber Bräu Stüberl in Kitzbühel.
In der Altstadt gibt es außerdem noch einen echten Konditorei-Klassiker, den auch die Einheimischen schätzen: Das Café Praxmair, ebenfalls ideal für einen Kuchen- und Kaffeestopp.
Etwas außerhalb der Altstadtmauern sind zwei besondere Gourmet-Adressen zu finden: Das Restaurant Lois Stern und das Restaurant Neuwirt. Das mit zwei Gault Millau-Hauben ausgezeichnete Lois Stern in der Josef-Pirchl-Straße 3 ist seit mehr als zwei Jahrzehnten eine Institution in Kitzbühel und setzt auf (Welt-)Offenheit – im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht nur die Gerichte sind vom asiatischen Raum inspiriert, gekocht wird außerdem in einer offenen Schauküche.
Entgegen seinem Namen hat der Neuwirt schon einige Jahre auf dem Buckel: Das Restaurant in der Florianigasse 15 gibt es bereits seit 1844. Nach einer Neuübernahme im Jahr 2018 durch Martina Feyrsinger und Jürgen Kleinhappel setzt man im (ebenfalls durch Gault Millau ausgezeichneten) Restaurant auf regionale, fast schon in Vergessenheit geratene Zutaten. Daraus wird neben Klassikern wie Tafelspitz oder Kaspressknödel auch moderne, leichte und gesunde Energy Cuisine gezaubert.
Die bekannten Winkler Brüder begeistern im Restaurant Neuwirt in Kitzbühel (Hotel Schwarzer Adler) mit regional sehr verfeinerten Kreationen.
Außerdem habe ich in der Bichlstraße 22 noch „Franz“ entdeckt: Franz ist nicht nur Lifestyleshop für Schuhe, Kleidung und Accessoires, sondern gleichzeitig auch Coffee- und Winebar. Hier kann man abends bestimmt hervorragend Cocktails trinken!
Stöbern: Vom Wünschen und Träumen
Apropos Shopping - hier kommt in Kitzbühel Großstadtflair auf, denn die edle Marken wie Bogner, Aigner oder Luis Trenker findet man normalerweise nicht in kleinen Städtchen. Aber Kitzbühel ist eben ein bisschen anders und das macht den Charme der Gamsstadt definitiv aus.
Wenn ich mir etwas Besonderes wünschen dürfte, wäre das aber ein Kleidungsstück von Frauenschuh. Das Modeunternehmen aus Kitzbühel kombiniert allerhöchste Qualität und beste Verarbeitung mit zeitlosem Design und hat in Kitzbühel natürlich einen Store (Josef-Herold-Straße 13). Wie hat mir Kaspar Frauenschuh einmal in einem Interview erzählt? Eine Frauenschuh-Jacke könne man weitervererben.
Auch Franz Prader ist ein ideales Beispiel dafür, wie man mit edlem Stil in Erinnerung bleibt. Die bekannten „Prader Hosen“ sind sogar für Hollywoodstars Grund genug, hier einzukaufen. Aber auch feinstes Tuch von Canali oder Brioni sind bei Prader Kitzbühel in der Josef-Herold-Straße 15 erhältlich. Bei Prader geht es nicht um Luxusshopping, sondern um eine Anschaffung von allerhöchster Qualität, die viele Jahre Freude bereitet. Oder wie es Herr Prader ausdrückt: „In diesen Hosen fühlen Sie sich wie zu Hause.“
Der Abschluss: Kitzbühel von oben
Nach Kultur, Sightseeing und Shopping möchte ich jetzt noch hoch hinaus. Inspiriert von Pepis lebhaften Erzählungen schwebe ich am Nachmittag mit den roten Gondeln der Hahnenkammbahn bergwärts. Oben angekommen, lockt ab dem Sommer das neu gestaltete Hahnenkamm-Starthaus mit einer Medaillenausstellung, passend zum 750-Jahr-Jubiläum der Stadt. Die Fahrt auf den Hahnenkamm lohnt sich aber schon alleine wegen der Aussicht: Vom Wilden Kaiser über das Kitzbüheler Horn, dahinter die Loferer Steinberge bis zum Großglockner reicht der Blick. Kitzbühel liegt sanft eingebettet zwischen all den mächtigen Riesen: Eine international berühmte Stadt und doch verwurzelt zwischen Wald, Wiesen und Gipfeln.
Die roten Gondeln tragen die Namen der Hahnenkamm-Sieger. © Maria Kirchner
Am Hahnenkamm liegt uns Kitzbühel zu Füßen: Was für eine Aussicht! © Maria Kirchner