Stadt mit Geschichte: Ein Tag in Lienz mit den besten Sehenswürdigkeiten
Die Liebburg am Lienzer Hauptplatz.
Frühmorgens geht es in Richtung der „anderen“ Seite der Alpen. Die Mission: Ein Stadtporträt über Lienz verfassen. Während der Fahrt erinnere ich mich, wie wir als Schüler halblustige Witze über Osttirol gerissen haben. Zu abgeschieden erschien die Lage hinterm Tauerngebirge, zu eigenwillig der Dialekt mancher Klassenkameraden. Was weiß man schon mit sechzehn.
Hüben wie drüben hat es die ganze Nacht geregnet. Doch einmal den Tauerntunnel durchquert, reißt die Wolkendecke rasch auf. Lienz möchte wohl seinem Ruf als sonnigste Stadt Tirols gerecht werden. Beim Tourismusbüro wartet Evelin Gander. Normalerweise führt sie Reisegruppen durchs Zentrum, heute zeigt sie mir exklusiv die schönsten Winkel ihrer Heimatstadt.
Der Bildhauer Jos Pirkner hat in der ganzen Stadt seine Spuren hinterlassen.
Lienz/Osttirol
Lienz ist der flächenmäßig größte Bezirk Tirols, ist jedoch durch Italien und Salzburg von Nordtirol getrennt und bildet somit eine Exklave des Bundeslandes Tirol.
Die alte Stadtmauer von Lienz.
Tirol mit Palmen
Zu Beginn des Rundgangs weist eine Skulptur von Jos Pirkner den Weg. Der Osttiroler Künstler hat an vielen Ecken von Lienz seine Spuren hinterlassen. „Die Hand, die in Richtung Zentrum deutet, ist abgegriffen. Besonders die italienischen Gäste glauben, dass das Glück bringt“, erzählt Evelin Gander. Wenige Schritte hinter dem Fingerzeig wartet der Lienzer Hauptplatz. Dort steht prominent die Liebburg aus dem 17. Jahrhundert, die mit ihren Zwiebeltürmchen eines der beliebtesten Fotomotive der Stadt ist.
Was aber noch mehr ins Auge sticht, ist die ungewohnte Bepflanzung. Eine Vielzahl an Palmen bringt einen mediterranen Touch auf den Platz. „Wir befinden uns auf der Alpensüdseite und im Sommer ist es sehr warm im Lienzer Becken. Schon seit den 1930er Jahren gibt es hier Palmen, alte Fotos belegen das. Im Winter kann es aber ziemlich frostig werden. Mitte Oktober kommen die Pflanzen deshalb wieder ins Gewächshaus“, erklärt Evelin Gander.
Lienzer Hauptplatz.
Kunst und Kultur werden in Lienz großgeschrieben.
Entspanntes Flair vor zackiger Kulisse
Autos sind nur wenige zu sehen in Lienz, da große Teile der Innenstadt für Fußgänger reserviert sind. Das schafft Platz für etliche Straßencafés, die für ein entspanntes Ambiente sorgen. „Unter dem Motto ‚Modellstadt für schöneres Leben‘ wird kontinuierlich an der Verbesserung der Lebensqualität gearbeitet“, erzählt die Stadtführerin. Auch die bunten Häuserzeilen tragen zum harmonischen Stadtbild bei.
„Geschichtlich ging Osttirol andere Wege als Nordtirol. Vor allem die Görzer Grafen haben Lienz sein heutiges Aussehen verliehen. Es gab seit jeher viel Kontakt zum Süden und das spürt man auch in der Architektur“, sagt Evelin Gander. Doch plötzlich ist da ein Bruch in der Optik: Das moderne Abraham-Haus, entworfen vom Star-Architekten Raimund Abraham, fällt aus dem Rahmen und fügt sich dennoch perfekt ins Bild. Mutig sind sie also auch, die Osttiroler.
Das Abraham-Haus mit den Lienzer Dolomiten im Hintergrund.
Das Lienzer Stadtkino.
Im Hintergrund ragen die Zacken der Lienzer Dolomiten in den Himmel. „Der Spitzkofel ist unser Hausberg. Er ist toll zum Klettern. Auf der anderen Seite liegen die Hohen Tauern, die wiederum super zum Wandern sind“, sagt die Fremdenführerin. Die schroffen Berge rund um Lienz wurden einst „die Unholden“ genannt. Aus gutem Grund: Vor der Erfindung des Alpinismus gab es wenig Grund für die Menschen, sich in diese raue Welt zu begeben. So waren es britische Reisejournalisten, die den Begriff „Lienzer Dolomiten“ prägten, nachdem sie zuvor die Bergwelt in Südtirol erforscht hatten.
Die BürgerInnen von Lienz entscheiden mit, wie die Stadt gestaltet wird.
Die Fremdenführerin Evelin Gander kennt jeden Winkel von Lienz.
Bitterer Schnaps und süße Versuchung in der Messinggasse
Freitag und Samstag sind Markttage in Lienz. Händler aus dem benachbarten Italien präsentieren ihre Spezialitäten in der Messinggasse, dazwischen verkaufen Bio-Bauern aus der Region Obst, Gemüse, Speck und Käse. Auch hier ist die Stimmung relaxt: Die einen schlendern durch den Stadtmarkt, andere genießen ein Gläschen Wein in einem der angrenzenden Lokale. Silvano Soravia bietet in seinem Eissalon preisgekröntes Natur-Eis an. „Ich komme aus Perugia und habe lange in Stuttgart gelebt. Für mich ist Lienz genau der Mittelweg. Südliches Flair mit nördlicher Ordnungsliebe, eine super Mischung“ sagt Silvano und lacht.
Eine Vielzahl an Eissalons sorgt für ein südliches Flair in Lienz.
Freitag und Samstag sind Markttage in Lienz.
Einen Steinwurf entfernt liegt die Schnapsbrennerei von Rudolf Schwarzer – er ist einer von 400 Brennern in Osttirol. Der Urschnaps der Region nennt sich „Pregler“, ein hochprozentiger Brand aus Äpfeln, Birnen und Zwetschgen. Doch Pregler ist nur eine von etwa 70 Spezialitäten, die in Rudolf Schwarzers Keller lagern. Sein neuestes Experiment sind „Bitters“, also Schnäpse, die etwa mit Wermut oder Alpenkräutern angesetzt werden. „Für den Keller haben wir keine fixen Öffnungszeiten, aber wenn das Geschäft offen ist, kann man jederzeit vorbeischauen und Schnäpse verkosten“, sagt Rudolf Schwarzer.
Rudolf Schwarzers Schatzkeller.
Aromatische „Bitters“ sind das neue Steckenpferd im Hause Schwarzer.
Kaffee und Kajak an der Isel
Stadtspaziergänge machen müde. Wir machen deshalb einen Abstecher zum „Mocafe“, wo es den besten – weil selbst gerösteten – Kaffee der Stadt geben soll. Das Café liegt ein paar Schritte vom Zentrum entfernt, am Ufer der Isel. Doch wir haben Pech, auf einem Schild steht „geschlossene Gesellschaft“. Also genießen wir den Blick auf die rauschende Isel ohne Espressoduft. Der Fluss entspringt im Nationalpark Hohe Tauern und vereinigt sich hier mit der Drau, die dann nach Kärnten weiterfließt. Evelin ist begeisterte Kajakerin und hat eine besondere Beziehung zu dem Gewässer. „Das ist wirklich cool, mitten durch die Stadt zu paddeln. Die Rafting-Schulen bieten das auch für Anfänger an“. Stolz sind die Osttiroler auch auf den „Dolomitenmann“, einem der härtesten Staffelbewerbe der Welt. Neben Berglauf, Paragleiten und Mountainbiken steht auch Kajaken auf dem Programm.
In Lienz vereinigt sich die Isel mit der Drau.
Selbstgerösteten Kaffe gibt es im „Mocafe“.
Lebkuchen im Sommer
Zurück auf dem Stadtplatz kehren wir im „City Café Glanzl“ ein. Es ist eine Institution in Lienz und eine von drei Konditoreien, die den „Lienzer Lebzelt“ herstellt. Dabei handelt es sich um die Luxusvariante des Lebkuchens, die mit Honig, Preiselbeeren, Haselnüssen und Gewürzen verfeinert ist. Das Rezept stammt aus dem 17. Jahrhundert und erfordert stolze 20 Arbeitsschritte. Zum Abschluss wird das Gebäck mit einer Marzipan-Schicht belegt, in die das Schloss Bruck eingeprägt ist. Zum Cappuccino schmeckt der Lebzelt ganz wunderbar, auch an einem warmen Frühsommertag.
Melitta Glanzl präsentiert stolz den „Lienzer Lebzelt“.
Lebzelt schmeckt auch im Sommer gut.
Das bemerkenswerte Schloss Bruck
Besagtes Schloss Bruck liegt etwas außerhalb im Westen der Stadt. Die ehemalige Residenzburg der Görzer Grafen ist ein absolutes Muss beim City-Trip. Auf Schloss Bruck warten eine wunderschöne Burgkapelle mit Fresken aus dem 15. Jahrhundert, eine sehr gut gemachte Dauerausstellung zum weltberühmten Maler Albin Egger-Lienz und eine traumhafte Aussicht vom Schlossturm. Ein vielseitiges Kulturprogramm mit Konzerten und Kinder-Workshops runden das Angebot ab. Beliebt ist auch das Schloss-Café, vor allem zum Frühstücken und Brunchen.
Der Innenhof von Schloss Bruck wird im Sommer für Konzerte genutzt.
Aussicht vom Schlossturm.
Albin Egger-Lienz-Kapelle: Den Schlüssel holt man beim Kirchenwirt
Ein weiteres „Must See“ abseits der Altstadt ist die Pfarrkirche St. Andrä. Bereits im 5. Jahrhundert stand auf dem Pfarrbichl eine frühchristliche Kirche. Die gotische Basilika, die heute hier thront, ist etwa 500 Jahre alt und hat architektonischen Seltenheitswert. In der Kirche findet sich das Grabmal von Leonhard, dem letzten Görzer Grafen. Erst nach seinem Tod kam Osttirol zum Habsburger Reich und damit zu Tirol.
Der eigentliche Höhepunkt ist aber die Gedächtnis-Kapelle nebenan. Anfang der 1920er gebaut, hatten sich die Auftraggeber ein glorifizierendes Kriegerdenkmal erhofft. Albin Egger-Lienz errichtete aber ein Mahnmal gegen den Krieg mit einem abgemagerten Jesus Christus. Das löste einen riesigen Skandal aus, der bis in den Vatikan reichte. Wer sich die Kapelle mit dem Grab von Egger-Lienz anschauen möchte, muss im Gasthaus neben der Kirche nach dem Schlüssel fragen.
St. Andrä: Die gotische Basilika ist eine echte Rarität in Tirol.
„Die Unholden“ wurden die Lienzer Dolomiten früher genannt.
Geheimtipp: Das Eisenbahnmuseum Lienz
Als krönender Abschluss eines großartigen Tages wartet ein charmant-grantiger Empfang im Eisenbahnmuseum, das etwas versteckt am Lienzer Bahnhof liegt. Es ist eine Reise in die Vergangenheit, die vom Verein „Eisenbahnfreunde Lienz“ mit viel Liebe und technischem Knowhow auf 1.800 Quadratmetern aufbereitet wurde. Die Führung gleitet gerne mal ins Schrullige ab, ist dabei aber lehrreich und unterhaltsam– selbst für Eisenbahn-Neulinge wie mich. Die Öffnungszeiten des Museums sind unregelmäßig, die Eintrittspreise dafür sehr moderat.
Das Bahnmuseum liegt etwas versteckt hinter dem Lienzer Bahnhof.
Im alten Heizhaus des Bahnhofs kann man tief in die Geschichte eintauchen.
„Außerdem gäbe es jetzt noch den Tristachersee, die Zetterfeld-Bahn mit ihren Single-Trails oder die historische Römerstadt „Aguntum“ zu entdecken“, sagt Evelin Gander. Doch das Sightseeing-Programm war zu dicht für einen einzigen Tag. Ich verabschiede mich und trete die Heimreise nach Norden an. Die Hohen Tauern leuchten dramatisch im Abendrot, sie scheinen leise „Pfiate“ zu sagen. Der gleichnamige Nationalpark ist sowieso immer eine Reise wert, aber das ist eine andere Geschichte. Zwei Jahrzehnte zu spät, hier also meine demütigste Entschuldigung für die Witzeleien aus Jugendtagen: Osttirol, in Wahrheit bist du der schönste Teil unseres Bundeslandes.