Zugegeben, Nauders liegt nicht gerade ums Eck und ist mit Öffis nur schwer bis kaum erreichbar. Ein eigener motorisierter Untersatz ist daher obligatorisch. Dafür lohnt sich die Fahrt – die ab Innsbruck rund anderthalb Stunden dauert – ins oberste Inntal. Die Strecke in Richtung Reschenpass ist lang, dafür wildromantisch. Nächstes Mal plane ich jedenfalls eine halbe Stunde Fahrtzeit extra ein und sehe mir das martialische Militärgebäude genauer an, das in der Schlucht kurz vor Nauders in den Fels gebaut wurde.
Vorweg: Wer den 3-Länder-Enduro voll auskosten will, sollte auf die Doppelbrücke verzichten und das Enduro- oder Allmountain-Bike einpacken. Aber auch reine Downhiller kommen hier auf ihre Kosten, wenn sie Strecken wählen, die ohne Transferpassagen auskommen, wie etwa am Mutzkopf. Ich selbst habe mich für ein Allmountain-Bike entschieden und damit die perfekte Wahl getroffen.
Nauders bietet 30 Trails an, die durch vier verschiedene Bergbahnen erschlossen sind. Die Streckenvielfalt ist groß und reicht vom wirklich spaßigen Einsteiger-Trail bis zur knackigen Herausforderung für erfahrene Biker. Mein Tipp ist, das Ganze als Rundkurs in Angriff zu nehmen. Der Parkplatz an der Schönebenbahn ist dafür der perfekte Ausgangspunkt. An der Talstation ist das Tagesticket erhältlich, das für alle Bergbahnen gilt.
Von der Schöneben-Bergstation geht es über den gleichnamigen Trail gleich rassig bergab. Bei Nässe wegen der zahlreichen Wurzeln eine durchaus fordernde Abfahrt, die naturbelassen im Wald neben der Skipiste angelegt wurde. Aber schon nach wenigen Metern stellt sich der Flow ein. Hat man gut ein Drittel absolviert, bietet sich die Gelegenheit, in Fahrtrichtung links in Richtung 3-Länder-Trail abzubiegen. Allerdings bedeutet das einen rund 30-minütigen, moderaten Uphill über die Transferpassage. Ich rate dringend zu einem Boxenstopp an der Reschenhütte, die direkt am Weg liegt und mit grandiosem Ausblick und regionalen Köstlichkeiten für die Strapazen entschädigt.
Wenige Transfer-Minuten nach der Hütte startet der 3-Länder-Trail. Leider zogen Nebelschwaden auf, als ich gerade am Start war, und raubten mir die Sicht auf das italienisch-schweizerisch-österreichische Gebirge. Aber halb so wild, denn für Landschaftsbewunderung blieb am Trail ohnehin keine Zeit. Erstes Highlight ist die lange Holzsteg-Passage, die über ein ausgedehntes Hochmoor führt. Der hölzerne Weg lässt ziemliches Tempo zu und windet sich in leichtem Auf und Ab durchs Moor – Prädikat besonders flowig. Danach folgt ein etwas knackigerer Teil durch den Hochwald, der direkt zu einem beschaulichen Bergsee führt. Den Abschluss bildet einer der kurzweiligsten Waldtrails, den ich in Tirol bisher fahren durfte. Wurzelteppiche, die so breit sind, dass sie mindestens 15 verschiedene Lines zulassen, von denen eine besser als die andere ist. Und das Beste am 3-Länder-Trail – neben der unwirklichen Tatsache, am Bike mal eben über das Hoheitsgebiet von gleich drei Staaten zu brettern: Er endet dort, wo die Mutzkopf-Trails beginnen.
Am Mutzkopf stehen vier Trails zur Auswahl: Der Elven Trail ist der anspruchsvollste, jedoch für geübte Fahrer gut machbar. Kreuzmoos Trail, Green Trail und Oberer Gerry Trail sind mittelschwer. Besonders der Obere Gerry Trail bietet Fahrspaß pur und überzeugt mit seinem natürlichen Design ohne künstliche Bauten. Das Terrain wurde optimal genutzt, und auch Downhiller kommen am Mutzkopf auf ihre Kosten. Der Aufstieg erfolgt per Doppelsessellift, unterstützt durch hilfsbereites Personal.
Ein geplanter Rundkurs um den Reschensee scheiterte am Mutzkopf, da die Trails mehrfach gefahren wurden. Um dennoch die Station Bergkastel einzubauen, führte der Weg über den Gerry Trail zur Talstation auf der anderen Seite. Achtung: Die Beschilderung ist teils lückenhaft, aber die Gondelbahn am Gegenhang dient als Orientierung. Eine kurze Tretpassage entlang der Bundesstraße führt zur Talstation. Die Abkürzung über die Wiese sollte vermieden werden, da sie gefährlich und illegal ist.
An der Bergstation Bergkastel lädt die große Terrasse des Restaurants zu einer Pause ein. Nauders liegt auf knapp 1.400 Metern Höhe, und die Bergstation befindet sich bereits an der Waldgrenze. Nachmittags verwöhnt die Sonne diesen Hang, ideal für den Abschluss eines Biketages. Vom Restaurant führt eine kurze Uphill-Passage zum Einstieg des Plamort Trails. Ein neuer Trail, der direkt an der Bergstation beginnt, ist bereits in Planung.
Der Plamort Trail führt über das namensgebende Hochplateau, überquert die österreichisch-italienische Grenze und verläuft vorbei an historischen Panzersperren und Bunkern. Historiker und Trail-Liebhaber kommen hier gleichermaßen auf ihre Kosten. Der Ausblick auf den Reschensee ist spektakulär, und der Trail bietet puren Fahrspaß. Er endet im Ort Reschen, von wo aus der Radweg entlang des Reschensees in wenigen Minuten zur Talstation der Schönebenbahn führt.
Wer noch Zeit und Kraft hat, kann mit der Schönebenbahn erneut bergauf fahren und zur Haideralm queren. Dort wartet der herausforderndste Trail der Region. Der Haideralm-Trail erstreckt sich über 3,2 Kilometer und verlangt höchste Bike-Beherrschung. Auf der Südtiroler Seite sind zudem zahlreiche neue Trails entstanden, die es zu entdecken gilt.
Wichtig ist, die Betriebszeiten der Bahnen im Blick zu behalten, um nicht am falschen Ende des Gebiets zu landen. Zwar ist der Rückweg entlang des Sees zum Auto möglich, doch angesichts der vorhandenen Trails ist jeder Meter auf Asphalt ein Verlust an Fahrspaß.
Nauders ist eine Tourismusregion und bietet eine große Auswahl an Unterkünften. Im Ort stehen ausgewiesene Bike-Hotels zur Verfügung, die speziell auf die Bedürfnisse radelnder Gäste ausgerichtet sind. Eine Liste aller Bike-Unterkünfte in Nauders und Tirol insgesamt ist online verfügbar.
Für alle, die eine individuellere Option bevorzugen, gibt es in Nauders auch Campingmöglichkeiten. In Sachen Bikeverleih und Guiding bietet Nauders ein umfangreiches Angebot. Vor Ort stehen vier Anbieter zur Verfügung, die vom Verleihbike bis zum Profi-Guide alles bereitstellen. Dieser Service wird während der Sommersaison an sieben Tagen die Woche angeboten. Weitere Informationen sind auf der Website zu finden.
Perfekte, naturbelassene Trails inmitten atemberaubend schöner Hochgebirgslandschaft – ich hab mich Hals über Kopf in Nauders verliebt und es zu meinem Lieblingsspot in Tirol erkoren. Vielleicht nicht die beste Ansage in Folge 1 der Locationcheck-Serie, aber ich lasse mich ja gerne positiv überraschen. Was mich persönlich am 3-Länder-Enduro am meisten reizt, ist das Gefühl, den Berg für sich allein zu haben, ohne dafür auf tolle Trail-Infrastruktur verzichten zu müssen. Das weitläufige Gebiet und die unglaubliche Vielzahl an Trails machen es möglich.